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TV-Frau Petra Gerster: „Luther war ein Sprachgenie“

Seit 1998 arbeitet Petra Gerster als Moderatorin für das ZDF. Neben Nachrichten präsentiert sie auch Dokumentationen für die Kirchenredaktion – zum Beispiel über Martin Luther.

Frau Gerster, seit 19 Jahren sind Sie bekannt als Moderatorin der „heute“-Nachrichten. Was begeistert Sie an Ihrem Job?

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Petra Gerster: Es gibt jeden Tag etwas Neues zu berichten. Ich habe das Gefühl, dass es noch nie so spannend war wie zurzeit. Die Welt ändert sich rasant. Ich habe keine Sekunde Langeweile in meinem Job. Das hat aber zwei Seiten. Es ist schrecklich, wenn Terroranschläge passieren und man nur schlechte Nachrichten überbringen kann. Aber auch das gehört dazu – leider.

Welche Nachricht hat Sie in jüngster Zeit besonders berührt?

Je näher etwas rückt, desto stärker fühlt man mit. Der Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 in unserem Nachbarland Frankreich oder der Anschlag in Berlin kurz vor Weihnachten haben mich sehr bewegt. An vieles gewöhnt man sich leider auch.

Neben Ihrem „Tagesgeschäft“ setzen Sie sich häufig mit historischen Personen und Geschichten auseinander. Woher kommt dieses Interesse?

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Vor ein paar Jahren wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, Dokumentationen für die Kirchenredaktion zu präsentieren – da hab ich sofort Ja gesagt. Und mich – zunächst für eine Jesus-Trilogie – zum ersten Mal intensiv mit Religionsgeschichte befasst. Das finde ich spannend, denn diese alten Geschichten prägen uns bis heute. Ich muss aber zugeben, dass mir jemand wie Martin Luther zeitlich doch näher ist. Sein Thesenanschlag liegt „erst“ 500 Jahre zurück.

Erkennen Sie Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart?

Wir lernen erst durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte, wer wir selber sind und woher wir kommen. Das andere ist: Meine tägliche Arbeit ist getrieben von Aktualität. Wir müssen gründlich arbeiten, alle Quellen prüfen – und trotzdem läuft die Uhr unerbittlich. Punkt 19 Uhr ist Sendung. Dann kommen manchmal Eilmeldungen während der Sendung; das ist mit einem gewissen Stress verbunden. Die Arbeit mit geschichtlichen Themen ist ganz anders, viel langsamer. Ich habe eine dreiviertel Stunde Zeit und kann mich gründlich vorbereiten.

Sie haben einen Bestseller über Luther und seine Frau geschrieben, „Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten“. Darin wird Luther als „Journalist“ bezeichnet. Ist Luther ein Vorbild für Ihre Arbeit?

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Es wäre vermessen, mich mit Luther zu vergleichen (lacht). Luther war ein Sprachgenie. Er hat die deutsche Sprache neu geprägt und weiterentwickelt. Aus seiner Feder stammen unzählige geniale Neuschöpfungen und Sprachbilder, die wir heute noch gebrauchen, wie „Perle vor die Säue werfen“, „Sündenbock“ oder „Feuereifer“. Insofern ist er natürlich ein riesiges Vorbild. Seine Sprachgewalt hätte ich gerne.

Oft heißt es in Ihrem Buch „Wir wissen es nicht.“ Briefe sind verbrannt, Dokumente sind verschollen – wie gehen Sie als Journalistin damit um, wenn sich Geschichten nicht mehr so rekonstruieren lassen?

Wir können immer nur sagen, wie der aktuelle Stand der Forschung ist. Wir sind ja keine Schriftsteller, die Romane schreiben. Als seriöse Journalisten sagen wir nur, was wir wissen – und was nicht. Wenn wir auf Vermutungen und Interpretationen angewiesen sind, müssen wir das kenntlich machen und begründen.

Petra Gerster vor der Wartburg in einer ZDF-Dokumentation über Martin Luther (Pressefoto ZDF).

Hätten Sie sich eigentlich auch mit dem Reformator beschäftigt, wenn 2017 nicht das 500-jährige Jubiläum gefeiert würde?

Ehrlich gesagt nein. Ohne das Jubiläum hätte es keine Luther-Dokumentation gegeben und auch kein Lutherbuch von uns. Aber mit Katharina von Bora habe ich mich schon in einem früheren Buch über Frauen der Weltgeschichte bekannt gemacht, von der ägyptischen Antike über Alice Schwarzer bis Angela Merkel. Darin habe ich mit einer Freundin die für uns wichtigsten 50 Frauen der Geschichte porträtiert, und da ist auch Katharina von Bora mit dabei. Eine eindrucksvolle Frau, die nicht nur gebildet und selbständig war, sondern Luther und die Reformation beeinflusst hat. Doch in den 500 Jahren nach Luther hat sie nie eine Rolle gespielt. Das fing schon bei seinem Tod an. An seinem Grab hielten viele wichtige Männer aus Wittenberg ergreifende Reden, aber die Witwe wurde mit keinem Wort erwähnt. Frauen hielt man eben nicht für wichtig, das hat sich bis ins 20. Jahrhundert durchgezogen.

Was hätten Sie sich für Katharina von Bora gewünscht?

Was wir über Katharina wissen, kennen wir fast alles aus den Briefen von Martin Luther an seine Frau. Sie legen Zeugnis darüber ab, wie gut diese Ehe war und wie viel Respekt Luther vor seiner Frau hatte. Er redete sie darin ja oft liebevoll-ironisch als „Herr Käthe“ an, weil sie diese gewisse Autorität besaß und ihm durchaus ebenbürtig war. Katharina hat auch selber viele Briefe geschrieben, aber die sind nicht aufbewahrt worden. Das ist sehr schade, man wüsste gerne, was Katharina zu Luthers berühmten „Tischreden“ hinzuzufügen hatte.

Könnte man Katharina Luther als eine „moderne Frau“ bezeichnen? Im Buch wird sie in einer Illustration als Multitasking-fähig gezeigt, mit Küchengeräten in den Händen – und mit Smartphone …

Katharina hatte durchaus moderne Züge: Als Adelige erhält sie im Kloster eine gute Ausbildung, hat Latein gelernt, liest heimlich mit 24 Jahren die aufrührerischen Schriften von Martin Luther und beschließt daraufhin ihre hoch gefährliche Flucht aus dem Kloster. So viel Mut und Eigensinn waren nicht gerade üblich – jedenfalls nicht für Frauen im 16. Jahrhundert (lacht). Nach ihrer Hochzeit konnte sie an Luthers Seite schalten und walten wie die Unternehmerin eines mittelständischen Unternehmens. Luther schrieb in seiner Turmstube und sie managte den riesigen Haushalt mitsamt der großen Familie, den zur Miete wohnenden Studenten und vielen Freunden, die bei Luthers zu Gast waren; sie hatte täglich bis zu 60 Mäuler zu stopfen. Dabei hat sie noch wie in einem Wirtschaftsunternehmen das Geld vermehrt. Wenn das nicht Multitasking ist …

Sie lassen Katharina von Bora prominent neben Luther auftreten. War Ihnen eine Gleichberechtigung auf Augenhöhe wichtig?

Sehr wichtig. Mit Feminismus und Frauenbewegung beschäftige ich mich, seit ich 14 Jahre alt war. Im Fernsehen habe ich zehn Jahre das Frauen-Journal „Mona Lisa“ moderiert. Meine Großmutter und meine Mutter waren emanzipierte Frauen. Insofern habe ich getan, was mir schon immer wichtig war: mich für eine interessante Frau stark gemacht.

Was macht für Sie eine „starke“ Frau aus?

Im Prinzip das, was auch Katharina ausmacht: eine Frau, die selbständig denkt und handelt. Wobei man leider sagen muss, dass es Frauen auch heute noch schwerer haben als Männer. Aber zu allen Zeiten gab es Frauen, die für ihre Rechte gekämpft haben, und das verdient höchsten Respekt. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch Bildung: Zu Luthers Zeit erhielten Frauen nur im Hochadel und im Kloster Bildung. Das hat sich bei uns Gott sei Dank geändert.

Was müsste denn aus Ihrer Sicht heute noch reformiert werden?

Werte wie Pressefreiheit oder Emanzipation müssen beständig verteidigt und neu erkämpft werden. Sie sind leider Gottes gefährdet. Schauen Sie nur nach Amerika, wie Donald Trump sich da im Wahlkampf über Frauen geäußert hat und trotzdem Präsident wurde! Aber auch bei uns werden Frauen in vielen Berufen für die gleiche Arbeit immer noch nicht in gleichem Maße bezahlt wie ihre männlichen Kollegen und sitzen auch nicht anteilig in den Führungs-Etagen. Es ist also noch einiges zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Laura Schönwies


Buchtipp: Petra Gerster und Christian Nürnberger, Der rebellische Mönch, die entlaufene Nonne und der größte Bestseller aller Zeiten

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