- Werbung -

Generation Depression? – Lerne, auf dich selbst zu achten

Was tun gegen die steigenden Zahlen von psychischen Krankheiten unter Jugendlichen? Die angehenden Psychotherapeuten Helena und Hermann Sinnegger betonen die Bedeutung guter Freundschaften und erklären, warum Traurigkeit normal ist.

Teensmag: Es gibt laut aktuellen Studien erschreckend viele depressive junge Menschen. Warum ist das so?

- Werbung -

Hermann: Die Gründe sind vielfältig. Probleme, die bereits vor der Pandemie vorhanden waren, werden durch diese verstärkt. Es ist aktuell schwierig, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen, gleichzeitig Erwartungen in der Schule zu erfüllen und dabei eine positive Sicht auf die Zukunft zu behalten.

Viele fühlen sich vor lauter Optionen orientierungslos und haben kaum gesunde Vorbilder – besonders, wenn die eigene Familie nicht stabil ist.

Was ist der Unterschied zwischen „traurig sein“ und einer Depression?

Helena: Trauer ist erst mal ein ganz normales Gefühl, genauso wie Wut oder Freude. Wenn man traurig ist, kann man das meistens auf ein Ereignis zurückführen, beispielsweise auf den Verlust einer geliebten Person.

Melancholie hingegen ist etwas, das wir weniger leicht zuordnen können. Es kann zum Beispiel durch tagelang schlechtes Wetter ausgelöst werden, vergeht aber nach wenigen Tagen wieder.

Bei Depressionen müssen konkrete Kriterien erfüllt sein: Die schlechte Stimmung verändert sich hier über mindestens zwei Wochen nicht mehr, auch nicht bei Tätigkeiten, die einem normalerweise Freude bereiten.

Hinzukommen je nach Schweregrad noch andere Symptome wie zum Beispiel Antriebslosigkeit, Schlafprobleme, Appetitminderung oder -steigerung, eine negative Zukunftsperspektive, Schuldgefühle und ein vermindertes Selbstwertgefühl.

Wenn ich über den Tod nachdenke, bin ich dann depressiv?

Hermann: Im Jugendalter denkt man viel über die Welt, sich selbst und schwierige Fragen des Lebens nach. Dazu gehört auch der Tod. Über den Tod nachzudenken, ist grundsätzlich normal.

Wenn man hingegen regelmäßig über das Sterben nachsinnt und vielleicht sogar konkrete Pläne schmiedet, sich etwas anzutun, sollte man sich dringend Hilfe holen.

Lange Zeit waren Depressionen ein gesellschaftliches Tabu-Thema. Hat sich das verbessert?

Hermann: Ich beobachte hier zwei Phänomene: Teilweise sind psychische Erkrankungen etwas, das nach wie vor ungern besprochen wird. Insbesondere männliche Jugendliche sehen Depressionen oft als Zeichen von Schwäche an.

Die Mehrheit der Jugendlichen geht mit diesem Thema mittlerweile aber offener um. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Begriff Depression aber auch verwässert wird, indem er unter anderem für Enttäuschung, Motivationslosigkeit und Traurigkeit herhalten muss.

Was sind die häufigsten Ursachen für Depressionen?

Helena: Bei der Entstehung einer Depression spielen einerseits die genetische Veranlagung eine Rolle, aber auch die Einflüsse der Umwelt: Also Situationen, die von außen auf uns treffen, wie zum Beispiel die Pandemie beziehungsweise Lebensumstände, die wir bewältigen müssen. Dazu zählt auch die Familie, in der wir groß geworden sind.

Entscheidend für die psychische Gesundheit ist auch, wie wir mit Umbrüchen im Leben umgehen, beispielsweise der Auszug aus dem Elternhaus. Schließlich ist auch die Orientierung in der Welt eine Herausforderung und hat einen großen Einfluss auf unser Wohlergehen. Hier geht es darum, Antworten zu finden auf Fragen wie „Wo finde ich meinen Platz?“ und „Bin ich wichtig?“.

Was kann man machen, um Depressionen vorzubeugen?

Helena: Bewegung, ein gesunder Tag-Nacht-Rhythmus und eine ausgewogene Ernährung sind wichtige Grundlagen. Am allerwichtigsten erachte ich aber gute Beziehungen, in denen man offen reden kann und vor allem auch gemeinsame Erlebnisse teilt.

Ansonsten sollte jeder individuell herausfinden, womit er sich selbst etwas Gutes tun kann. Manchen hilft es, in ein Tagebuch zu schreiben, was sie beschäftigt, andere musizieren gerne und können dabei ihre Emotionen ausdrücken und entspannen.

Was sollte man tun, wenn man nur noch negativ aufs Leben blickt?

Helena: Der erste wichtige Schritt ist, sich eine Vertrauensperson zu suchen, denn Reden schafft Entlastung. Wenn es einem danach immer noch sehr schlecht geht, kann man sich auch an seinen Hausarzt / Kinderarzt wenden und dort weitere Hilfe bekommen.

Reicht es nicht zu beten, wenn es einem schlecht geht?

Helena: Für uns Christen ist unsere Beziehung zu Gott natürlich sehr wichtig und deshalb ist es gut, im Gebet Gott um Hilfe zu bitten. Es gibt aber Dinge, die trotz einer guten Gottesbeziehung als Belastung bleiben und bei denen wir professionelle Hilfe brauchen. Ich vergleiche Psychotherapie oder Medikamente gerne mit einer Krücke, die man, wie bei einem Beinbruch, braucht, um wieder alleine gehen zu können.

Wenn mir an einem Freund oder einer Freundin depressive Symptome auffallen, wie spreche ich es an?

Hermann: Wenn es eine vertraute Person ist, kannst du direkt ansprechen, was dir auffällt und sagen, dass du dir Sorgen machst. Sonst kannst du über Fragen („Wie geht’s dir?“) versuchen, in ein Gespräch zu kommen und darin das erwähnen, was du beobachtet hast.

„Du bist es wert, gut für dich und deine seelische Gesundheit zu sorgen.“

Wenn sich die Person komplett verschließt und du dir ernsthafte Sorgen machst, kannst du dir auch Unterstützung holen, zum Beispiel bei der Schulpsychologin oder dem Jugendleiter.

Was wollt ihr den Leserinnen und Lesern zum Abschluss mitgeben?

Helena: Ein Auf und Ab der Stimmung ist ein ganz normales Phänomen in der Pubertät. Wir Menschen sind aber, egal wie schlecht es uns geht, immer handlungsfähig. Es gibt immer einen Schritt, den wir gehen können, und wenn es nur eine Nachricht an einen Freund ist. Du bist es wert, gut für dich und deine seelische Gesundheit zu sorgen. Außerdem will ich, dass du weißt: Kein Gefühl hält ewig an. Auch depressive Episoden gehen vorbei.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Clara Hinteregger.


Wenn du verzweifelte Gedanken kennst, findest du hier Hilfe:

  • Ruf bei Chris an, dem christlichen Sorgentelefon für Jugendliche. Die Nummer: 0 800/120 10 20 oder bei WhatsApp: 01 57/92 38 92 78. Mehr Infos: chris-sorgentelefon.de.
  • Melde dich bei der Telefonseelsorge unter 0 800/111 0 111 oder 0 800/111 0 222 oder im Chat auf telefonseelsorge.de.
  • Extra für Jugendliche ist die Nummer gegen Kummer: 116 111 und der Chat auf nummergegenkummer.de. In der Schweiz: 147.ch
  • Lade dir die App „KrisenKompass“ herunter und hol dir konkrete Hilfe.
  • Teile dein Gebetsanliegen bei amen.de und lass für dich beten.

Ausgabe 2/22

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Teensmag erschienen. Teensmag wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

Zuletzt veröffentlicht