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Kommentar: Alle sind auf Abstand – und doch so nah wie lange nicht

Das Coronavirus bestimmt mehr und mehr unseren Alltag. „Social Distancing“ ist angesagt. Aus Distanz entsteht Sehnsucht und eine Form innerer Verbundenheit, die uns gut tut, findet Pascal Görtz. Ein Kommentar.

Deutschland geht ins Homeoffice. Oder die langen „Ferien“. Straßenzüge verwaisen, Gotteshäuser bleiben geschlossen. Corona verändert in diesen Tagen das gesellschaftliche Leben wie kein anderes Ereignis der letzten Jahrzehnte. Neu ist vor allem die Maßnahme, die aus der Krise helfen wird: Wir müssen uns sprichwörtlich aus dem Weg gehen, um das Virus erfolgreich einzudämmen. Soziale Distanz als Mittel der Solidarität?

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So paradox, wie es klingt, ist das gar nicht. Sich aus Solidarität mit den Schwächeren den eigenen Lebensstil einzuschränken, ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Und der räumliche Abstand führt auch nicht zwingend dazu, dass wir unsere sozialen Bezüge verlieren. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Facebook, WhatsApp und Co: Digital eng beieinander

Als Mitte der Nullerjahre Facebook die Kontrolle über unsere „Freundeskreise“ übernahm, gab es einen vergleichbaren Trend zu beobachten: Immer mehr Freunde zogen sich für ihre sozialen Kontakte hinter den Bildschirm zurück, waren im Grunde allein, während sie der Welt zeigten, wie vernetzt sie sind. Spannenderweise bekamen sie voneinander Dinge mit, die sie sonst nie erfahren hätten. Alltägliches. Dokumentarisches. Bilder sagten faszinierend mehr als lange, umständliche Telefonate. Statt einmal im Jahr für ein Wochenende sahen sich Freunde täglich auf dem Bildschirm und schrieben sich, was sie erlebt hatten. Wenn sie sich mal in Real Life trafen, wussten sie genau, was der andere in den letzten Monaten erlebt hatte. Waren also up-to-date. Das soziale Miteinander wurde um eine wichtige Nuance erweitert: Um semi-private Alltagsnähe, die man von jedem Punkt der Erde aus herstellen konnte, wenn man nicht gerade im Funkloch saß.

Sonderlich einsam fühlte sich diese Form des Zusammenseins – isoliert am heimischen PC – nicht an.

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Räumlich getrennt ohne Angst uns zu verlieren

Heute hilft uns diese kulturelle Errungenschaft dabei, uns räumlich voneinander zu distanzieren, ohne Angst davor haben zu müssen, uns innerlich zu verlieren. Zuneigung wird in der Werbepause digitalisiert und über den Messenger verschickt. Wir haben gelernt, Beziehungen zu verschriftlichen und zu verinnerlichen, wenn nötig. Auf jede Umarmung kommen 32 WhatsApp-Nachrichten. Unser digital-vernetztes, soziales Miteinander wird diese Krise nicht nur überstehen, sondern umgekehrt bewältigen helfen. Nachbarn helfen sich über WhatsApp-Gruppen, Kindergartenkinder schicken sich Emojis, Schulkinder lernen zu Hause am PC. Und Arbeitskollegen entwickeln einen New Work-Lifestyle.

Kirchengemeinden werden erfinderisch

Fitte Kirchengemeinden nutzen den Moment und denken über den Kern ihrer Identität nach. Sich am Sonntag nicht treffen zu dürfen, macht sie nicht etwa kaputt, sondern erfinderisch. Gottesdienste bekommen ein anderes Gesicht, werden über Instagram und Facebook gestreamt oder als WhatsApp-Nachricht verschickt. Und strahlen eine beruhigende angstfreie Souveränität aus. Gemeinden beweisen sich als digitale Gemeinschaft, die aufeinander aufpasst und – wenn es sein muss – im echten Leben versorgt. Christen investieren sich in ihre Nachbarschaften, auch weil sie plötzlich Zeit dafür haben.

Sehen wir es optimistisch: Wir gehen besser aufgestellt in die Corona-Krise, als wir es vor 20 Jahren hätten tun können. Und ich finde, man spürt das auch schon. Diese Zeiten sind so solidarisch und rücksichtsvoll, so umeinander besorgt wie lange nicht. Aus Distanz entsteht Sehnsucht und eine Form innerer Verbundenheit, die uns gut tut. Wir werden uns neu bewusst machen, was und wen wir vermissen. Und dann im Rückblick erkennen, was uns wirklich wichtig war.

Pascal Görtz ist Leiter der Digitalabteilung
im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

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