Verlag: Gerth Medien
Seitenzahl: 240
ISBN: 978-3-9573452-2-6

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Attila Jo Ebersbach: „Der Fremde im Zug“

Die Idee, biblische Gleichnisse ins Hier und Heute zu übertragen, ist ja nicht wirklich neu. Ich kann mich da noch an ein christliches Kinderbuch erinnern, das mit einer ähnlichen Strategie arbeitete.

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Das erste „Gleichnis“, in dem die Frau des Autors (im Affekt!) ihren Ehering in den Edersee schleudert ist freilich noch ein etwas hinkender Vergleich mit dem (versehentlich!) verlorenen Groschen in der Bibel. Da hätte sicher auch längst nicht jeder noch so gute Ehemann alles getan, um ihn wieder zu finden, anders herum wohl erst recht nicht.

Die Modernisierung des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten trifft den Kern dann doch noch besser: Ein erfolgreicher Unternehmer wechselt für ein paar Jahre in die Politik und prüft hinterher seine drei wichtigsten Führungskräfte, von denen einer jämmerlich versagt und am Ende fristlos gefeuert wird.

Am originellsten fand ich das Gleichnis vom verlorenen Sohn in Form eines Forenblogs, in dem die Tagebucheinträge des Protagonisten von mehreren Mitforisten (u. a. eines gewissen S. A. Tann) jeweils kommentiert werden.

Besonders lesenswert ist auch die Einbettung des Gleichnisses von der bittenden Witwe in den Zusammenhang mit dem (leider wahren) Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016. Bei der „Witwe“ handelt es sich in diesem Fall um ein Terroropfer, eine junge Frau, die monatelang um eine Entschädigung und ihre damit verbundene gesellschaftliche Existenz kämpfen musste.

Sehr beklemmend hingegen wirkt die Geschichte eines erfolgsverwöhnten jungen Mannes, der von seinen Eltern von der Nabelschnur an auf Traumkarriere getrimmt wurde, die sich dann auch scheinbar realisiert, so dass er sich bereits in jungen Jahren auf den Bahamas zur Ruhe setzten kann, wo er dann Opfer eines Orkans wird und seinen Tod noch unmittelbar davor durch eine innere Stimme angesagt bekommt – ähnlich wie im Gleichnis vom reichen Kornbauern. Bei dieser Geschichte fühlt man sich irgendwie an eine sehr umstrittene Sorte amerikanischer Comic-Traktate erinnert – und wünscht dem jungen Mann als Leser stattdessen noch ein rechtzeitiges Bekehrungserlebnis. Auf der anderen Seite steht die Geschichte im Kern aber eben doch nicht so viel anders in der Bibel.

Ein insgesamt sehr flüssig zu lesendes Buch, das an der ein oder anderen Stelle auch noch etwas schwungvoller hätte sein können (wie etwa beim „verlorenen Sohn“).

Von Johannes Renz

Leseprobe (PDF)

ZUSAMMENFASSUNG

Biblische Gleichnisse ins "Heute" übertragen: Dem Autor ist eine lesenswerte und kurzweilige Sammlung moderner Gleichnisse gelungen. Er bleibt dabei nicht an der Oberfläche und spricht zu Recht auch die ernsten Aspekte im Evangelium an.
Biblische Gleichnisse ins "Heute" übertragen: Dem Autor ist eine lesenswerte und kurzweilige Sammlung moderner Gleichnisse gelungen. Er bleibt dabei nicht an der Oberfläche und spricht zu Recht auch die ernsten Aspekte im Evangelium an.Attila Jo Ebersbach: "Der Fremde im Zug"