Daniel Deutsch belegt mit seinem Debüt-Roman „Anna-Maria und die anderen 99 Schafe“, dass er es versteht gut zu erzählen. Wir verfolgen das Geschehen in einer überalterten, freikirchlichen Kleinstadtgemeinde im ausgehenden 20. Jahrhundert. Das abwechslungsreiche Geflecht aus Kleinstadt-, Gemeinde- und Hauskreisgeschehen lässt einen lachen, weinen, aufhorchen.
Gemeindeleiter Kurt hat alles unter Kontrolle. Doch mit dem Tod der Gemeindeseniorin Agnes wird die kleine Gemeinschaft von der Vergangenheit eingeholt und mit der Gegenwart konfrontiert. Veränderung droht. Kann das gut gehen? Je nach eigener Erfahrung können sich Ärger oder Fremdschämen einstellen, denn die maßvoll überzeichneten Handlungsstränge bleiben erkennbar realitätsnah und der Autor drückt sich nicht vor Peinlichkeiten.
Besonders gelungen finde ich die Art des Autors, die so verschiedenen Charaktere der Romanfiguren darzustellen, so dass wir sie im Verlauf des Buches immer besser kennen lernen. Und so gipfelt alles im letzten Kapitel mit der Überschrift: “ … aber die Liebe ist die größte unter ihnen“.
Was mir beim Lesen noch durch den Kopf gegangen ist: Ich würde mich auf eine Fortsetzung freuen, die die heutigen (sub-)kulturellen Eigenschaften christlicher Gemeinschaften wieder so trefflich und humorvoll spiegelt, gefühlvoll evaluiert und Alternativen in Szene setzt. Der Autor könnte dann nicht nur kurzweilige Unterhaltung, sondern auch einen wertvollen Beitrag zur immer nötigen Veränderung der Gemeinden liefern. Das Zeug dazu hat er allemal.
Von Peter Hakenberg
Leseprobe: Anna-Maria und die anderen 99 Schafe (PDF)
