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Der Neunte: Vom Umgang mit Geld

Über den Zehnten ist viel geschrieben worden und noch mehr gepredigt. Aber bringt uns das näher an einen Lebensstil der Großzügigkeit, der Gott wirklich ehrt? Und was machen wir mit dem Rest vom Kuchen?

Von Pascal Görtz

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In der Gemeinde steht offenbar mal wieder eine größere Anschaffung an. Seit Wochen gibt es eine kurze Kollektenansprache von 5 bis10 Minuten, an deren Ende dann die Kollektenkörbchen umgehen. Mit Blanko-Überweisungsträgern. Natürlich hat ansonsten auch keiner was gegen Scheine. Vermutlich wäre die Szenerie nur halb so befremdlich, wenn sie nicht aus dem Geld eine so große Sache machen würde. Denn Geld um seiner selbst willen ist das Langweiligste, worüber man in Gemeinde sprechen könnte.

Richtig provokant ist der Zeitpunkt: Die Gemeinde steht vor einer größeren Investition. Deshalb wird die moralische Keule rausgeholt, um „in aller Freiheit“ ein „Opfer“ zusammenzulegen, das den erhöhten Finanzbedarf deckt. Hilft das den Gemeindemitgliedern, eine angemessene Haltung zu den eigenen Finanzen zu entwickeln? Macht das die Gemeinde zukunftssicher – nachhaltig und leidenschaftlich? Über Großzügigkeit lässt sich in Zeiten des Überflusses unvoreingenommener sprechen als bei chronischer Unterfinanzierung. Ich frage mich, warum es selten so gehandhabt wird.

Der Zehnte: als Vorschrift unschlagbar

Bei den kurzen Ansprachen fällt immer wieder ein Begriff, den außerhalb frommer Kreise niemand kennt: der Zehnte. Ein altestamentarisches (und zu seiner Zeit revolutionäres) Sozial- und Rentensystem, das eine würdige Anbetung Gottes im Tempel sicherstellte, weil es die Leviten finanzierte. Die Bibel hätte weit über 2.000 Verse zum Thema Geld und Besitz anzubieten – vor allem Warnendes und Zurechtrückendes –, aber selten wird es so pointiert und „in unserem Sinne“ wie in Maleachi 3,10: „Bringt aber die Zehnten in voller Höhe in mein Vorratshaus, auf dass in meinem Hause Speise sei, und prüft mich hiermit, spricht der HERR Zebaoth, ob ich euch dann nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle.“

Foto: thinkstock

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Für den jüdischen Zeitgenossen Maleachis war damit die Sache klar: Der Herr selbst hat gesprochen und den Betrag auf 10 Prozent vom Brutto taxiert. Überträgt man diese Verse ebenso direkt ins Heute und ignoriert dabei die gesellschaftlichen Umstände (Renten- und Sozialsysteme), verfehlt die Predigt eine wesentliche Qualität dieses Verses: Freiwilligkeit und Beziehung.

Gabe, Steuer oder Geschäft?

Wer 10 Prozent seines Einkommens abgibt, der gilt im gesellschaftlichen Maßstab als großzügig. Der Zehnte aber ist nicht großzügig. Allenfalls dann, wenn er wirklich aus freien Stücken bezahlt wird. So moralisierend wie darüber gesprochen wird, ist der Zehnte mehr religiöse Pflicht als Herzensgabe. Den kann ich mit derselben Herzenshaltung zahlen wie meine Lohnsteuer (was die großen Kirchen ja konsequent umgesetzt haben, indem sie die Kirchensteuer gleich mit der Lohnsteuer einziehen). Und dass man seine Steuern zahlt, ist ja wohl selbstverständlich. Jesus selbst hat gegenüber den Pharisäern eine Warnung ausgesprochen, hinter der wir eben diese Herzenshaltung vermuten können. „Denn ihr gebt den Zehnten von Minze und Raute und allem Kraut und geht vorbei am Recht und an der Liebe Gottes. Doch dies sollte man tun und jenes nicht lassen“ (Lukas 11,42). Man kann den Zehnten auch lieblos geben – und hat damit noch nichts gewonnen. Alternativ lässt sich die Maleachi-Stelle auch als Kuhhandel verstehen: Ihr gebt 10 Prozent, als Geschenk deklariert (bitte in kleinen Scheinen!), dafür bekommt ihr es hochverzinst zurück. Ein Geschenk, für das es eine Gegenleistung gibt, ist aber kein Geschenk, sondern ein Geschäft. Womit wir bei den Wohlstandspredigern wären, die sich genau auf diese Bibelstelle berufen können.

Im schlimmsten Fall lenkt das Nachdenken über den Zehnten von spannenderen Themen ab. Zum Beispiel der Frage, was ich mit den übrigen 90 Prozent anstelle. Lasse ich mich von dem Zehnten zu dem selbstgerechten Gefühl verführen, damit meine Pflicht vor Gott und den Menschen erledigt zu haben? Besitze ich sie, weil ich schließlich auch was dafür geleistet habe, oder empfinde ich mich als Verwalter? Von wessen Geld reden wir hier eigentlich?

Wenn im Alten Testament vom Zehnten Teil die Rede war, dann als Verweis auf das Ganze. Eigentlich erinnert Gott an seinen Besitzanspruch auf das Ganze. Und dieser wird nicht durch die symbolische Zahlung des Zehnten aufgehoben.

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Auf dem Weg zum Neunten

Der Zehnte ist deshalb eher als Startpunkt zu verstehen. Von hier aus kann ich als Christ mein Verhältnis zu Gott und dem Geld justieren. Ganz entscheidende Dinge passieren auf dem Weg zum Neunten. Dem „etwas mehr“. Da weicht das Gefühl der „heiligen Verpflichtung“ der Perspektive, selbst ein Segen zu sein. Da tauchen so viel wichtigere Fragen auf wie „Wie viel brauche ich zum Leben?“, „Was könnte ich als gesegneter Freund von Jesus in der Welt bewegen mit meinem Geld, meiner Zeit, meinem Potenzial?“ und „Genieße ich nicht eigentlich die finanzielle Abhängigkeit von Gott, weil sie mein Leben bereichert?“ Plötzlich werde ich in ein Abenteuer herausgerufen, stehe am See und höre: „Folge mir nach – mit allem, was du hast.“ Gott sucht keine Form. Er sucht unser Herz.

Es geht nicht darum, mehr zu geben, sondern anders. Der letzte Satz der Maleachi-Stelle lässt sich dann auch so deuten: Lernt, mir zu vertrauen in euren Finanzen, euren Zukunftsängsten und Panikattacken, im Leben zu kurz zu kommen. Das Geld wird euch all das nicht geben. Nachvollziehbar: Die allermeisten von uns verdienen ohnehin zu wenig, um uns aus eigener Kraft zukunftssicher fühlen zu können. Da ist unser allumfassendes Vertrauen in Gottes Versorgung noch die sicherste Karte. Dieser Friede ist höher als alle Vernunft: Ich brauche im Leben nichts zu „raffen“, weil es mich keinen Deut glücklicher und „lebenssicherer“ macht. Investier es doch besser gleich, wenn Gott sagt „Gib!“.

Geld wieder bewusst weggeben

Weil der Zehnte laut ungeschriebenem Gesetz der Gemeinde gehört, kann er sich gedanklich auch nur in der Gemeinde weiterentwickeln. Ein erster Schritt weg vom Pflichtzehnten, hin zu einem Leben in Großzügigkeit kann darin bestehen, den Dauerauftrag an die Gemeinde zu stornieren. Oder als Gemeinde auf Lastschrifteneinzüge zu verzichten und stattdessen wieder Papiertüten einzuführen – gerade weil es anachronistisch wirkt. Und zwar aus einem einfachen Grund: So flüchtig wie Geldströme heute geworden sind, nehme ich emotional keinen Anteil an Geld, das ich nicht angefasst habe. Von Geld, das von alleine abfließt, trenne ich mich leichter als von Geld, das ich bewusst aus der Hand gebe. Ersteres verändert mich nicht. Letzteres ganz sicher.

Das Vorgehen ermöglicht Gott außerdem, mir ins Gewissen zu reden. Es gibt eine Menge reicher Menschen, die auf diese Art gelernt haben, großzügiger zu geben als man es von ihnen verlangen durfte. Plötzlich spüren sie die Bürde der Verantwortung, die ihnen von Gott auferlegt wurde, seine „Missio Dei“ mit den gegebenen Möglichkeiten zu unterstützen, so gut es geht. Und plötzlich geht da richtig was.

Ich meine, wir müssten auch unsere Sprache verändern: weg von Begriffen, die uns als Herr oder Gönner unserer Möglichkeiten auszeichnen, hin zu einer demütigeren Position, aus der Verbundenheit und Augenhöhe spricht. Wir schenken oder spenden dann nicht, sondern geben ab, reichen weiter, teilen, vererben. Umsonst haben wir empfangen, warum sollten wir das nicht auch freiherzig weitergeben?

Als Christen können wir bekannt dafür sein, pflichtbewusst unseren Zehnten zu überweisen – oder dafür, uns schneller und vor allem freiwilliger wieder vom Geld zu trennen. Weil es uns immer weniger bedeutet hat als das, was Gott dadurch schaffen möchte. Wenn das nächste Mal eine größere Investition in der Gemeinde ansteht, hoffe ich, wir sind menschlich ein Stück weitergekommen.

Pascal Görtz ist Redaktionsleiter von DRAN NEXT, dem Magazin zum Selberglauben. DRAN NEXT erscheint im SCM Bundes-Verlag zu dem auch Jesus.de gehört.

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