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Ein neues „Bekenntnis“: Vor 60 Jahren fanden in der DDR die ersten Jugendweihen statt

Sie war keine Erfindung der DDR. Doch als Ritual des Bekenntnisses zum SED-Staat wurde die Jugendweihe in der DDR zum politischen Druckmittel gegen christliche Jugendliche und Andersdenkende. Die Kirchen hatten das Nachsehen.

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Die Abbildung war schwarz-weiß wie ihre Botschaft. Dargestellt war eine unentschiedene janusköpfige Figur zwischen kirchlichen und nichtkirchlichen Symbolen. Auf die Bibel und das Kugelkreuz der Jungen Gemeinde auf der linken Seite fällt ein erschreckter Blick. Dagegen verleiht die entgegengesetzte Blickrichtung dem Gesicht einen entspannten Ausdruck: Dort waren das Emblem der FDJ und ein Marx-Buch abgebildet.

Die in den frühen Jahren der DDR verbreitete Darstellung zeigt anschaulich, dass sich der SED-Staat nichts schenkte, wenn es um platte Polemik gegen kirchliche Jugendliche ging. Auch die vor 60 Jahren erstmals gefeierte Jugendweihe war von massiven Attacken gegen die Kirchen begleitet. Schon im März 1954 hatte die SED-Spitze die hohe Beteiligung an Konfirmation und Kommunion kritisiert. Zugleich bemängelte die Partei das Fehlen einer nichtkirchlichen Alternative zur "feierlichen Einführung" der 14-Jährigen in den neuen Lebensabschnitt.

Deshalb begann die Partei "im Interesse der Verstärkung der staatsbürgerlichen Erziehung schon in diesem Jahr mit der Vorbereitung und Durchführung von Jugendweihen ab 1955", wie es in einem Beschluss der SED-Spitze von 1954 hieß. Dem ersten Aufruf folgten zunächst fast 90 Prozent der damals 14-Jährigen. Doch nach dem deutlichen Protest der Kirchen wollten dann nur noch knapp fünf Prozent der Jugendlichen das neue Fest tatsächlich feiern.

Massive Werbung erreichte schließlich für den ersten Jahrgang, der am 27. März 1955 mit Feiern im Ost-Berliner Stadtbezirk Köpenick begann, eine Beteiligung von knapp 18 Prozent. Von den damals knapp 295.000 Grundschulabsolventen in der gesamten DDR nahmen etwas mehr als 52.300 teil. Doch weil die Resonanz offenbar auch in den nächsten Jahren unter den Erwartungen blieb, legte SED-Chef Walter Ulbricht höchstpersönlich nach.

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"Wer sich heute daran hindern lässt, überlebte, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen, der schadet sich selbst", rief er im September 1957 im südthüringischen Sonneberg den versammelten Parteifunktionären und Jugendlichen zu. Fortan wurde das atheistische Bekenntnisritual als Druckmittel vor allem gegenüber christlichen Familien und Andersdenkenden aus der bürgerlichen Mittelschicht eingesetzt.

Die Kirchen bekräftigten die Unvereinbarkeit mit der Konfirmation und verlangten von den Konfirmanden eine "Schamfrist" zwischen dem weltlichen und dem kirchlichem Fest. Doch konnten sie letztlich nicht verhindern, dass bis zum Ende der DDR fast 98 Prozent der Jugendlichen zur Jugendweihe gingen.

Im kulturellen Gedächtnis vieler früherer DDR-Bürger sei sie fest verankert als harmloses Familienfest, sagt der evangelische Beauftragte bei Landtag und Landesregierung in Thüringen, Oberkirchenrat Christhard Wagner. "Die Selbstverständlichkeit, mit der damit in der Bevölkerung umgegangen wird, erschüttert mich bis heute." Die politische Dimension der Feiern werde zumeist vergessen. Zwar sei die Jugendweihe keine DDR-Erfindung gewesen, sondern reiche in den Anfängen zurück bis ins 19. Jahrhundert. "Aber sie war zweifellos ein Ergebnis des Kirchenkampfes in den 1950er Jahren", betont der frühere Thüringer Landesjugendpfarrer. Einen der Gründe dafür sieht er in der starken kirchlichen Jugendarbeit in der Nachkriegszeit auch in Ostdeutschland. Deren Erfolge seien der SED beim "Aufbau des Sozialismus" stets ein Dorn im Auge gewesen.

Die Attacken dagegen gipfelten schließlich am 10. April 1953 in der FDJ-Zeitung "Junge Welt" in der Behauptung, die "Junge Gemeinde" sei eine Terror- und Spionageorganisation in westlichem Auftrag. Moskau verlangte bald einen Stopp der massiven Angriffe. Doch bis dahin wurden 70 Theologen und Jugendleiter sowie zahlreiche Jugendliche verhaftet.

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Darüber hinaus flogen 3.000 Schüler und 2.000 Studenten von Schulen und Universitäten. Wer sich nicht lossagte, wurde öffentlich angeprangert. Vor diesem Hintergrund habe die DDR die Jugendweihe eindeutig politisch instrumentalisiert, sagt Wagner: "Im erklärten Gegenüber zu den Kirchen ging es immer um ein Bekenntnis zum SED-Staat und seiner Politik."

Dieser "Zwang, sich zu etwas bekennen, was man im Innersten ablehnte", habe die Heranwachsenden in der DDR von den Jungen Pionieren an begleitet, erinnert sich Wagner. Dazu habe immer auch eine "Erziehung zur Doppelzüngigkeit" gehört. Wer sich dem verweigerte, musste mit Benachteiligungen in Schule, Studium und Beruf rechnen. "Daran ist schließlich in der DDR so manche Biografie zerbrochen", fügt der Theologe hinzu.

(Quelle: epd)

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