„Eva und der Zitronenfalter“ von Susanne Niemeyer ist wieder eines der Bücher, die ich in einem Rutsch durchgelesen habe – um es gleich noch einmal von vorne zu lesen. Die Autorin versteht es ausgezeichnet, auf bekannte Frauengestalten aus der Bibel ein ganz neues Licht zu werfen. Die meisten der Frauen (Eva, Sara, Martha und Maria…) sind uns aus vielen Predigten längst so vertraut, dass ich beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses erst mal nichts Neues erwartet hatte. Schließlich wurde dazu irgendwie alles schon gesagt. Dachte ich jedenfalls.
Aber in jedem neuen Kapitel wurde ich wieder überrascht und von meinen alteingefahrenen Gedanken abgebracht. Die Frauen bewegen sich in den uns aus der Bibel bekannter Umgebung genauso, wie in unserem Alltag – eine geniale Mischung aus den gewohnten Bildern und der Umsetzung in die Gegenwart.
Was ich besonders gut fand: Susanne Niemeyer lässt die unerträglichen Geschehnisse nicht einfach aus. Die Geschichte von Lots Töchtern ist so eine. Eine bittere Geschichte – aber sie wagt es, genau das Schreckliche anzusprechen und zum Nachdenken zu bewegen. Auch die Geschichte, der Frau, die blutet, gehört dazu – die Scham, die Verzweiflung wird nicht einfach ausgeblendet, sondern klipp und klar beim Namen genannt.
Interessant finde ich es auch, dass durch den neuen Blick auf die Frauen zugleich ein ganz neuer Blick auf die Männer fällt. Und sie dabei nicht immer als die großen unantastbaren Glaubenshelden erscheinen – sondern eben als Menschen, mit ihren eigenen Schwächen und Fehlern. Und manchmal einfach nur hilflos.
Und Gott? Gott ist bei all den Geschichten mittendrin und sehr nahe. Sehr menschlich und sehr greifbar. Ein Gott, der mit sich reden lässt und der sich über seine Geschöpfe freut und sogar stolz auf sie ist. Selbst dann, wenn sie sich nicht so verhalten, wie es uns als „richtig“ beigebracht worden ist.
Jesus erlebte ich in den Geschichten so, wie ich ihn selbst auch immer wieder neu erfahre: als einen Freund, mit dem man tatsächlich über alles reden kann und der immer da ist und all das versteht, was einem selbst noch gar nicht so klar ist (z.B. „Die Frau am Brunnen“). Er ist einfach da; fassbar und unaufgeregt; selbstverständlich und menschlich. Dabei macht ihn Susanne Niemeyer nicht klein oder unbedeutend, sondern im Gegenteil zu genau dem Gegenüber, das ER sein möchte.
Schön, dass auch die entsprechenden Bibelstellen als Text im Anschluss an das jeweilige Kapitel abgedruckt sind – so fällt das Nachlesen in der Bibel gleich viel leichter.
Von Heidi Schneider