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Evangelische Kirche und Mission – da geht noch mehr!

40 Millionen Euro will die Church of England in missionarische Projekte investieren – in England, wohlgemerkt. Der Missionseifer der evangelischen Landeskirchen in Deutschland scheint im Vergleich dazu eher „gebremst“.

Ein Kommentar von Jesus.de-Redaktionsleiter Daniel Wildraut

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Betrachtet man die anglikanische Kirche in England, dann bieten sich zwei völlig unterschiedliche Bilder: einerseits das einer schrumpfenden, überalterten Kirche. Kirchengebäude werden geschlossen, viele Orte, gerade in ländlichen Gegenden, gar nicht mehr erreicht. Von den 18- bis 24-Jährigen fühlen sich laut einer Studie vom vergangenen Herbst nur noch zwei Prozent der Church of England zugehörig. Ein dramatischer Traditionsabbruch hat stattgefunden.

Andererseits ist da auch das Bild einer lebendigen Kirche, die auf neue Gemeindeformen setzt: zum Beispiel die ökumenisch geprägten Fresh Expressions of Church („Fresh X“). In den vergangenen 15 Jahren sind in England rund 3.000 solcher Projekte entstanden. Diese existieren ausdrücklich nicht in Konkurrenz zu bestehenden Gemeinden, sondern als eigenständige Ergänzung.

Nun steckt die Church of England in den kommenden fünf Jahren 40 Millionen Euro in missionarische Projekte, vor allem für junge Menschen. Erzbischof Justin Welby hatte vor einigen Jahren gewarnt, die Kirche sei „nur noch eine Generation vom Erlöschen entfernt“. Man müsse in die Jugend investieren, sonst sei bald niemand mehr übrig.

Kirchliche Herzrhythmusstörungen

Wie ist es nun um die Situation der evangelischen Kirche in Deutschland bestellt? Der Theologe Eberhard Jüngel hat dazu 1999 während der EKD-Synode in Leipzig festgestellt: „Wenn die Kirche ein Herz hätte, ein Herz, das noch schlägt, dann würden Evangelisation und Mission den Rhythmus des Herzens der Kirche in hohem Maße bestimmen. Und Defizite bei der missionarischen Tätigkeit der christlichen Kirche, Mängel beim Evangelisieren, würden sofort zu schweren Herzrhythmusstörungen führen.“ Die EKD verschrieb sich einem Reformkurs, der 2006 im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ gipfelte. Darin wurde ein Aufbruch beschworen, vom „Wachsen gegen den Trend“ war die Rede. Was ist daraus geworden?

Landauf, landab gab und gibt es in den verschiedenen Landeskirchen und Kirchenkreisen viele gute missionarische Projekte, kleine und auch größere – zum Beispiel die Etablierung von Glaubenskursen. Dies sind jedoch lokale Leuchtfeuer. In der Fläche ist das „Projekt Wachstum“ gescheitert. Mitgliederzahlen und Gottesdienstbesuche sind weiter rückläufig. Diese Entwicklung dürfte sich künftig beschleunigen. Die jüngste EKD-Mitgliederstudie 2014 hat sehr deutlich gezeigt, dass sich auch unter den Kirchenmitgliedern in Deutschland ein Traditionsabbruch enormen Ausmaßes vollzieht. Woran liegt das?

„Solo structura“

Der Theologe Jürgen Mette bringt es in seinem aktuellen Buch gut auf den Punkt. In Anlehnung an Jüngels Bild vom kränkelnden Herzen der Kirche schreibt er: „Was man bisher [in der Kirche] gegen diese Gefäßerkrankung getan hat, klingt eher nach ’solo structura'“. Was ist bezahlbar, was muss weg, was muss fusioniert werden?“ Mette hält, um im Bild zu bleiben, eine „gründliche Reha“ der Kirche für dringend notwendig. Dabei zählt er nicht zu jenen Kritikern, die der Kirche oder mindestens den leitenden Instanzen pauschal Verwässerung bzw. Aufgabe biblischer Glaubensinhalte vorwerfen. Dies wird der Kirche in ihrer Gesamtheit, den vielen tausend PfarrerInnen, Ehrenamtlichen, Gemeinden und ihren Angeboten, nicht gerecht.

EKD und Landeskirchen übernehmen sichtbar gesellschaftliche Verantwortung, zum Beispiel bei der Unterstützung für Geflüchtete, beziehen politisch Stellung (manchmal jedoch mehr, als sich selbst ihre Mitglieder wünschen) und leisten wichtige diakonische Arbeit. So weit, so gut. Aber bestimmen Evangelisation und Mission inzwischen in hohem Maße den Rhythmus des „kirchlichen Herzschlags“? Nein, finde ich. Nicht flächendeckend, nicht auf der Leitungsebene. Vielleicht geht es den Landeskirchen in Deutschland schlicht (noch) zu gut. Die Kirchensteuereinnahmen sprudeln und durch das Reformationsjubiläum war die Kirche medial so häufig präsent wie selten zuvor. Beides wird sich ändern.

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„Missionarischer Modus muss zur Normalität werden“

Was ist zu tun? Missionarische Gemeinden und Projekte müssen finanziell deutlich besser unterstützt werden. Das Gießkannenprinzip bei der Verteilung der Kirchensteuern ermöglicht zwar (noch) eine kirchliche „Grundversorgung“ in der Breite, sorgt jedoch dafür, dass eine auf dem Papier mitgliederstarke Gemeinde mit 15 Gottesdienstbesuchern in der Regel mehr Mittel erhält als eine zahlenmäßig kleinere Gemeinde mit 150 Gottesdienstbesuchern und florierender Jugendarbeit. Schon jetzt finanzieren manche solcher Gemeinden deshalb einen Teil ihrer Ausgaben, sogar Personalkosten, über Spenden oder sogar eigene Fördervereine. Besser gesagt: Sie müssen es auf diese Weise finanzieren. Hier sollten zusätzliche Gelder aus anderen Arbeitsbereichen der Landeskirchen freigemacht werden.

EKD und Landeskirchen werden sich von manchen Arbeitszweigen oder Instituten trennen müssen, um dies gewährleisten zu können. Wäre das ein Unglück? Nein, sagt der Theologe Jürgen Moltmann. In einem Interview mit dem Kirchenmagazin 3E erklärte er: „Kirche funktioniert auch ohne Landeskirchenämter und die vielen Referenten. Die Bürokratien behindern und lähmen die Arbeit vor Ort.“ Die missionarische und evangelistische Ausrichtung der Kirche ist alternativlos – und da geht noch mehr. Pfarrer Hans-Hermann Pompe, Leiter des EKD-Zentrums für Mission in der Region, hat dies so formuliert: „Der missionarische Modus muss zur Normalität werden, oder die Kirche wird verschwinden.“

Der Autor ist Mitglied der evangelischen Kirche von Westfalen.

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