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Fasten: Sieben Wochen ohne – und dann?

Heute beginnt die Fastenzeit. Traditionell die Zeit des Verzichts und vorübergehenden Ablegens von Konsum- oder Verhaltensgewohnheiten. Doch hat das eine nachhaltige Wirkung? Eine Einladung, diese Zeit mal anders zu denken.

Von Tom Laengner

Ich möchte jetzt nicht sagen, dass sie mich stalked. Aber einmal jährlich taucht sie am Aschermittwoch auf, um dann zu Ostern lautlos zu verschwinden. Und jetzt ist es wieder soweit: Die Fastenzeit beginnt. In diesem Jahr erscheint klassischer Verzicht verzwickt, weil angesagte Dinge wie Clubbesuche, lange Kinonächte und Shoppingtouren auf Befehl des Virus abgesagt bleiben. „Corona ist zu einer zehnmonatigen Übung geworden, mit Leid, Verlust und Angst umzugehen – wir haben mehr als genug gefastet“, erklärt die Hannoveraner Pastorin und „Zeit“-Kolumnistin Hanna Jacobs. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche wirbt sie deshalb für eine Fastenzeit der anderen Art: „Sieben Wochen ohne Blockaden“. In Zeiten, wo wir sowieso schon mit vielen Einschränkungen leben müssen, geht es darum, den Spielraum und die Weite, die wir dennoch haben, bewusst zu nutzen. Das klingt charmant!

Nicht zurück hinter die Gitter

Von früher kenne ich meine halbherzige Anläufe, wie das Fasten von Süßigkeiten. Das hat bei mir nie nachhaltig funktioniert. Ehrlich gesagt entstanden keine Freiräume, die ich sinnvoll genutzt hätte. Der einzige Effekt des Fasten war der Jojo-Effekt. Ab Ostern war alles wie immer; oder schlimmer. Doch es gibt ja Alternativen. Allerdings finde ich kalorienfreie Dinge wie Instagram oder Online-Shoppen zu fasten, auch nur halbdufte.
Ich fände es prickelnder, sieben Wochen ohne Blockaden zu verbringen. Obwohl? Was kommt denn danach. Sind die Blockaden dann alle wieder da? Blockaden kommen ohne Termin. Sie gehen auch nicht unbedingt freiwillig. Über die Jahre hatte sich die Auseinandersetzung mit meinen Blockaden gelohnt. Aber sie war nicht zum Nulltarif zu haben gewesen. Da meine ich mal: Es wäre absurd, meine eben mühsam durchsägten Gefängnisgitter wieder zusammen zu schweißen, nachdem das letzte Osterei verputzt ist. Wie dumm will ich eigentlich sein!

Neues wagen statt Verzicht

Vielleicht hätten wir alle mehr von etwas ganz Anderem. Wäre es nicht mal eine Maßnahme, mich in der Fastenzeit entschlossen den Zielen zuzuwenden, die ich tun oder erstreben will? Ich könnte doch mal richtig geile – also kluge – Sachen machen. Das ist anspruchsvoll. Wahrscheinlich birgt es Risiken. Und ganz gewiss kann ich es weder online bestellen noch downloaden. Aber es ist duftendes, wirkliches Leben. Darin erlebe ich den Lehrer aus Nazareth als meisterhaft. Er hat seine Zuhörerschaft mal so ermutigt: „Alle Dinge sind möglich, dem der glaubt“ (Markus 9,23). Das klingt nicht nur steil. Das ist es auch! Seine Wirkung entfalten diese sieben Worte nicht unter theologischen Laborbedingungen. Weil ich einfach Schiss habe, rede ich mich gerne raus. Das kann ich ganz gut. Will ich aber nicht mehr.

Allen Schweißperlen zum Trotz finde ich den Gedanken außerordentlich reizvoll, dass da einer ist, der mich aus einem spirituell-kirchlichen Golgatha Wellness- und Spa-Betrieb herausholen will. Das ist einer, der will, dass ich fliegen lerne. Oder mindestens gerade gehen. In diese Richtung sollte es weiter gehen, wenn die Blockaden gebrochen sind.


Foto: privat

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seinem Buch „Unterwegs“ (SCM) teilt er 52 Reportagefotos aus der Fahrradwelt und Impulse zu Lebensfragen.

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