Chrismon:

Wem sollen wir beim Sterben helfen?

Beim Thema Suizidassistenz gehen die Meinungen im Bundestag auseinander. Die einen wollen Liberalisierung, die anderen befürchten Normalisierung. In einem Punkt aber sind sie sich einig.

Der Bundestag regelt aktuell das Recht auf Sterbehilfe neu. Das evangelische Magazin chrismon hat deshalb mit den Abgeordneten Petra Sitte (Die LINKE) und Lars Castellucci (SPD) gesprochen. Beide unterstützen unterschiedliche Vorschläge. Hauptstreitpunkt ist die Frage nach einem Schutzkonzept, um Missbrauch vorzubeugen. Geschäftsmäßige Suizidhilfe soll nach Castelluccis Meinung nur straffrei bleiben, wenn ein Schutzkonzept eingehalten wird. Das wäre eine ähnliche Regelung wie beim Schwangerschaftsabbruch. Dort ist eine Beratung verpflichtend.

Sitte möchte das Recht auf selbstbestimmtes Sterben durchsetzen. „Es darf keinen gegen die Autonomie des Menschen geschriebenen Lebensschutz geben.“ Ein strafrechtlich verankertes Verbot lehnt sie ab. Die Beratung, die den Zugang zu einem todbringenden Medikament öffnen würde, sei aber verpflichtend, sagt sie. Castellucci sieht darin trotzdem eine „Suizidförderungsinfrastruktur“. Er befürchtet, dass eine zu starke Liberalisierung zusätzliche Suizide mit sich bringt.

Beide sind sich einig, dass Sterbehilfe nicht der Normalfall werden soll. Der Präventionsgedanke liege allen drei Gesetzentwürfen zugrunde, sagt Sitte. „Wenn ein Mensch so verzweifelt ist, dass er oder sie sich das Leben nehmen will“, sagt Castellucci, „empfinde ich es als unsere erste Aufgabe zu versuchen, ihm die Verzweiflung zu nehmen – und nicht gleich das ganze Leben.“ Sitte stimmt dem zu, gibt aber zu bedenken: „Manchmal ist weiterzu­leben die größere Bedrohung. Wir müssen loslassen ­können.“ Das Gesetz müsse auch der Sicht der Betroffenen gerecht werden.

Link: „Wem sollen wir beim Sterben helfen?“ (chrismon)

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1 Kommentar

  1. Nicht einsam und alleine sterben

    Ein strafrechtlich verankertes Verbot einer Sterbehilfe lehnt Petra Sitte (die Linke) ab. Lars Castellucci (SPD) möchte die Sterbehilfe straffrei lassen, wenn ein Konzept zum Lebensschutz vorliegt. Beide sind sich einig, dass Suizidhilfe nicht der Normalfall ist, bzw. sein darf. Der SPD-Vertreter sieht in einer zu starken Liberalisierung des diesbezüglichen Rechtes die Gefahr, dass eine Förderinfrastruktur des Sterbens – also unter Umständen auch die Zunahme solcher Dienstleistungen – und damit eine Neigung sich selbst zu Tode zu bringen- sich verstärken könnten. Es handelt sich um ein sehr schwieriges Thema, eigentlich deshalb so schwierig, weil jeder Mensch anders stirbt. Die Wünsche an die Mediziner, und alles was man als eigenen Willen vorher kundgeben sollte, sind sehr unterschiedlich. Eine grundsätzliche Ablehnung jedweder Lebensverlängerung (nur für mich selbst) durch die Intensivmedizin würde ich für auf jeden Fall ablehnen.

    Ohne künstliche Beatmung und das künstliches Koma wäre ich 2001 gestorben, nachdem mein Asthmaanfall nicht mehr anders und nachhaltig zu bekämpfen war. Es stand auf Messers Schneide: Ärztlicherseits war man skeptisch, ob ich es schaffen könnte. Mehrere Wochen als Tage, oder gar längere Zeit, dachte man mich so zwischen Leben und Tod zu lassen, um mir nur irgendeine Chance zu geben. Nach zwei Tagen mussten die Mediziner mich extubieren, weil ich überhaupt nicht mehr selbständig atmen wollte. Ich wusste, auch nach meiner Erinnerung, nicht mehr wie das funktioniert. Nach einem furchtbaren Husten und Schleimabsaugung saß ich schon eine halbe Stunde nach der Rückkehr ins bewusste Leben auf der Bettkante, hatte Hunger und Lust nach Kaffee, trank eine große Portion der dünnen schwarzen Brühe und verspeiste der lieben Pflegerin ihre eigenen zwei Brötchen. Die freue sich ehrlich und rief zuhause nachts meine Partnerin an: Sie sagte: „Es ist kaum zu glauben, er hat richtig in der Nacht gefrühstückt“! Eine Sangesschwester, Mitsängerin in unserer Kantorei, in der ITS meine Ärztin, hielt dies auch damals schon für ein richtiges Wunder. Ergo: Wir sollten selbst, bei dem was wir wollen, auch dem Körper eine Chance geben trotz oder wegen der modernen Medizin. Allerdings keinesfalls vorschnell den gutgemeinten Ratschlägen für einen sanften Tod in jedem Fall folgen.

    Einem relativ rüstigen Rentner erging es absolut ähnlich. Im Krankenhaus wähnte man ihn medizinisch chancenlos, musste ihn aber doch an die lebenserhaltende Medizingeräten anschließen. Denn die eigene Tochter fand nicht des Vaters Willenserklärung, die eine Lebensverlängerung durch Apparatemedizin verneinte. Aber er wurde ja einiger Zeit fast wieder wie vorher. Und hat noch einige Jahre sein Hobby gefrönt, Kuchen und Torten herzustellen für sein Haus und die Nachbarschaft. Wichtige Dokumente zu verlieren kann daher auch segensreich wirken. Die moderne Medizin erschafft in vielen Fällen das Problem, dass natürliches Sterben eher selten wird. Kaum jemand wird es erlaubt einfach tot umzufallen und es dann bleiben zu dürfen. Jeder darf darüber philosophieren, ob er dies in jedem Alter und jeder möglichen Lebenssituation so wünscht. Oder in welcher denn, die sich auch hinreichend genau beschreiben lässt. Daher wird die Intensivmedizin für manche zum Segen, anderen eher aber zu dem Gegenteil. Und Entscheidungen wie jeder von uns damit auch umgehen möchte, sind hier nur individuell möglich. Da jeder Fall medizinisch anders ist, findet (Sterbebegleitung und) Sterbehilfe daher immer in einem Graubereich statt – wie sollte es auch anders sein. Der Fortschritt hat es verursacht. Aber sollte wir ihn daher vollständig ablehnen ? Im Zweifel ist eine Sterbebegleitung immer für alle segensreich. Niemand braucht vermeidbare Schmerzen zu erleiden. Die Wertschätzung eines Menschen wird auch in der Form, ob und wie er bei schwerer Erkrankung, wenn dass Leben in eine finale Phase tritt, liebevoll begleitet wird, zu der guten Zielvorstellung: Ich möchte nicht gerne einsam und alleine sterben !

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