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Gottvertrauen: Ausstrecken und warten

Ein Springer am Trapez muss fest darauf vertrauen, dass er aufgefangen wird. Eine ähnliche Haltung wünscht sich Tomas Sjödin in seiner Beziehung zu Gott.

In meinem Bücherregal steht eine lange Reihe genau gleich aussehender italienischer Buchkalender. Alle groß, schwarz und abgenutzt. Eigentlich gehöre ich zur Gruppe derer, denen der Jahreswechsel ziemlich egal ist. Und dennoch kenne ich dieses etwas feierliche Gefühl, wenn wieder ein alter, ausgedienter Kalender seinen Platz in der Reihe der anderen einnimmt.

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Es ist auch ein bisschen unheimlich. Natürlich steht im neuen Kalender auch schon alles Mögliche: Konferenzen, fest gebuchte Veranstaltungen, geplante Reisen. Aber letztlich kann man sich keiner Sache sicher sein, bevor sie nicht wirklich stattgefunden hat. Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich sämtliche Termine wegen Krankheit und Trauer streichen musste, als das, was gerade anstand, alles andere weniger wichtig machte. Zuweilen denke ich: Wenn man von manchen Jahren gewusst hätte, was sie einem bringen, hätte man auf der Schwelle kehrtgemacht. Aber diese Möglichkeit ist uns ja nicht gegeben. Stattdessen ist es mit dem neuen Jahr wie mit jedem neuen Tag: Man muss sich ihm entgegenwerfen und hoffen, dass man aufgefangen wird.

Ein Abbild des Lebens?

Einer meiner wichtigsten Vorbilder ist der kanadische Theologe Henri Nouwen. Neben der Theologie kannte er nur ein großes Interesse: den Zirkus. Eines Sommers mietete er ein Wohnmobil und begleitete eine Zirkustruppe. Das erlaubte ihm, aus größter Nähe sozusagen ein Spezialstudium der Trapezkünstler „The Flying Rodleighs“ zu betreiben. Er beobachtete ihre Art zu arbeiten, ihre Disziplin, das Spiel ihrer Körper, die Angst, den Applaus, die Misserfolge. Ihre Art, sich in der Luft zu bewegen, schien ihm ein Bild des menschlichen Lebens zu sein, und er meinte darin immer dieselbe Botschaft zu erkennen: Es geht um das Loslassen und Aufgefangenwerden. „Um Tod und Auferstehung“, wie er es ausdrückte.

In einem seiner Bücher berichtet Nouwen von einem Gespräch, das er im Wohnwagen des Leiters der Trapezkünstler führen durfte: „Als Springer muss ich vollkommenes Vertrauen in meinen Fänger haben. Das Publikum mag denken, dass ich der große Star des Trapezes bin, aber der eigentliche Star ist Joe, mein Fänger. Er muss für mich da sein mit der Präzision des Bruchteils einer Sekunde und mich aus der Luft heraus packen, wenn ich beim langen Sprung auf ihn zukomme.“ „Wie geht das?“, fragte ich.

Das Geheimnis: nichts tun

„Das Geheimnis besteht darin“, sagte Rodleigh, „dass der Springer nichts tut, und der Fänger tut alles. Wenn ich auf Joe zufliege, muss ich lediglich meine Arme und Hände ausstrecken und darauf warten, dass er mich fängt …“

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„Du tust nichts?“, sagte ich voller Überraschung. „Nichts“, antwortete er. „Das Schlimmste, was der, der springt, tun kann, ist, zu versuchen, den Fänger zu erhaschen. Meine Aufgabe ist es nicht, Joe zu erhaschen. Es ist seine Aufgabe, mich zu fangen. Würde ich Joes Handgelenke ergreifen, könnte ich sie brechen, und das wäre das Ende von uns beiden. Ein Springer muss fliegen, und ein Fänger muss fangen – und der Springer muss mit ausgestreckten Armen darauf vertrauen, dass ein Fänger da sein wird für ihn.“

So versuche ich zu leben. Ich behaupte nicht, dass es mir gelingt, aber ich versuche es. Ich strecke meine Arme aus in Richtung Zukunft – was auch immer mir dort begegnen wird –, zum Gott des Lebens, und bete darum, aufgefangen zu werden.


Cover

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch

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Tomas Sjödin, Hanna Schott: Es gibt so viel, was man nicht muss

Verlag: SCM R. Brockhaus

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