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„Heimat ist kostbar, es lohnt sich, darüber zu streiten“

Der Begriff „Heimat“ ist in aller Munde. Er ist Thema in Talkshows, Leitartikeln und den Sozialen Medien. Und wir merken: Der Begriff polarisiert. Was macht „Heimat“ aus? Und, um eine bekannte Streitfrage aufzugreifen: Gehört der Islam zu Deutschland? Eine Einordnung von Ansgar Hörsting, Präses im Bund Freier evangelischer Gemeinden (FeG).

Was ist Heimat für dich?“, fragt der Kabarettist Torsten Sträter in seinen Shows jeden seiner Gäste. Und die Gäste sind nicht um eine Antwort verlegen. Denn Heimat ist nötig und schön. Heimat, das ist der Ort, an dem ich mich auskenne. Ich kenne die Leute, kenne die schönen und die gefährlichen Ecken. Ich kann mich verständigen, mit Sprache und auch ohne, wenn es sein muss. Ich verstehe die Witze und Regeln. Heimat ist vertraut. Hier habe ich meine Wurzeln.

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Ich persönlich verbinde mit Heimat manchmal etwas, das mich einengt oder langweilt. Doch nach langen Reisen freue ich mich wieder auf zu Hause und auf dieses Gefühl der Vertrautheit.

Manche verbinden mit Heimat eine bestimmte Region: ein Dorf, eine Stadt, weil sie dort geboren und aufgewachsen sind. Sie wissen, wohin sie gehören. Manchmal bin ich neidisch auf sie, denn ich habe das so nie kennengelernt. Als ich fünf Jahre alt war, war ich bereits dreimal umgezogen, und lebte nie dort, wo meine Eltern geboren und aufgewachsen sind. Das hat mich geprägt. Jetzt lebe ich seit zehn Jahren in Witten an der Ruhr und ganz langsam wachsen Heimatgefühle. So wie man einen Baum umpflanzen kann, kann man es auch mit Menschen tun. Mancher Baum geht dabei ein, denn es heißt ja: Einen alten Baum verpflanzt man nicht.

FeG-Präses Ansgar Hörsting

Manche Deutschen fühlen sich in Deutschland zu Hause. Andere fremdeln und wandern aus. Umgekehrt kommen viele aus dem Ausland hierher. Sie suchen Arbeit oder einen Unterschlupf – und finden Heimat.

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Viele Einwanderer können sich nicht entscheiden, ob ihre Heimat in Ingolstadt oder Istanbul, Bayern oder Benin ist. Sie sind sowohl dort als auch hier zu Hause. Genauso geht es vielen Missionarskindern, die man „Third Culture Kids“ nennt: „Dritte-Kultur-Kinder“. Sie sind überall fremd und überall zu Hause.

Heimat ist notwendig

Je entwurzelter wir uns fühlen, desto wichtiger wird die Heimat. Doch woher kommt eigentlich der Eindruck des Heimatverlustes?

  1. Die Europäische Union prägt unser Leben. Viele verlieren durch diese Entwicklung ihr Heimatgefühl: Wir haben nicht mehr die D-Mark, Lire und Francs in der Hand, sondern den Euro. Viele Brüsseler Richtlinien bestimmen unser Leben. Manchmal gefällt uns das, manchmal nicht. Doch führt es dazu, dass Menschen das Gefühl haben, ihre Heimat zu verlieren. Manche separatistischen Bewegungen schöpfen genau daraus ihre Kraft.
  2. Die Globalisierung trägt zu dem Gefühl bei, die Heimat zu verlieren. Facebook, Google, weltweite Wirtschaftsflüsse, „Made in China“ oder die enormen Einwanderungsbewegungen führen dazu, dass wir uns nicht mehr auskennen. Als ich neulich im Wittener Zentrum einkaufen war, ähnelte manches einem orientalischen Basar. Ich fand es gut, weil die Syrer den besseren Koriander haben. Aber Heimat fühlt sich zunächst anders an.
  3. Durch schnelle Entwicklung im Beruf oder in unseren Städten kommen wir manchmal nicht mehr mit, kennen uns nicht mehr aus. Alte Regeln verlieren ihre Gültigkeit: Kondolieren per Facebook oder die Auflösung des Krawattenzwangs sind dabei nur harmlose Begleiterscheinungen.

Wir Menschen brauchen etwas, wo wir uns zu Hause fühlen. Wenn der Eindruck, dass wir unsere Heimat verlieren, überhandnimmt, kann das in Nationalismus umschlagen. Und so verbinden manche ihre Heimat allein mit der Nation. Heimat wird dann zu „Blut und Boden“, nationalistisch oder sogar rassistisch, was natürlich Unsinn ist. Unsere deutsche Geschichte lehrt uns, dass Menschenmassen diesen gefährlichen Unfug glauben können. Umgekehrt fällt einem Teil von uns Deutschen ein gesunder Bezug zur Heimat wegen unserer Vergangenheit schwer.

Heimat für Andere

„Gehört der Islam zu Deutschland?“ Mit dieser besonderen Heimatfrage werden wir seit Wochen konfrontiert. Dabei ist klar, dass man das nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Es kommt darauf an, was man meint. Soll die Antwort eine Feststellung oder ein Wunsch sein? Wenn ich von einem „christlichen Abendland“ spreche, gehört der Islam nicht zu Deutschland.

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Wenn ich den Islam als prinzipiell demokratieuntauglich betrachte, sage ich: Nein. Wenn Heimat etwas mit Wurzeln zu tun hat, dann muss man sicherlich feststellen: Deutschland hat seine geschichtlichen Wurzeln nicht im Islam. Bestimmte Lesarten wie zum Beispiel der politische Salafismus oder eben der Islamismus sollten auf keinen Fall zu Deutschland gehören. Sie sollten nirgendwohin gehören.

pixabay

Doch je mehr Muslime hier leben, desto mehr werden sie Wurzeln schlagen. Wenn ich die meisten gemäßigten Muslime sehe, sage ich: Sie – und mit ihnen auch der Islam – gehören zu Deutschland. Wer das verneint, sagt eigentlich: alle Muslime raus. Wenn ich meinen Dönerverkäufer meine, der wie selbstverständlich mit seinen Kindern zum Einschulungsgottesdienst in die Kirche geht und dankbar dafür ist, dass überhaupt noch jemand an Gott glaubt, dann sage ich: Ja. Wenn sich dieser Islam als demokratietauglich erweist, dann sage ich: Ja. Findet der Islam Heimat in Deutschland? Das hängt von den Muslimen und dem organisierten Islam ab. Und es hängt von uns ab, den Leuten der Mehrheitsgesellschaft.

Ich will hier ganz bewusst keine einfache und auch keine umfassende Antwort geben. Wenn man sich im Frühjahr 2018 über „Heimat“ Gedanken macht, will ich diese Frage streifen, die uns in den nächsten Jahrzehnten weiter beschäftigen wird.

„Freikirchler machten sich stark für eine plurale Gesellschaft, in der nicht nur die ‚Staatskirchen‘ Rechte hatten, sondern auch Muslime, Juden und Christen unterschiedlicher Konfessionen“

Heimat durch Leitkultur

Ich wundere mich über die Allergie der Medien, über die „Leitkultur“ zu diskutieren. Ich erwarte von einer solchen Debatte nicht, dass dann ein Kanon entsteht, den jeder unterschreiben muss. Aber ich erwarte davon, dass man sich ernsthaft damit auseinandersetzt, was gelten soll und wie wir leben wollen. Wer das verhindert, verhindert auch das gute Gefühl, irgendwo dazuzugehören. Und er fördert diejenigen, die die Debatte dann auf niedrigstem Niveau führen. Heimat ist kostbar, es lohnt sich, darüber zu streiten.

Als die Freien evangelischen Gemeinden entstanden, zählten Freikirchen nicht zur Mehrheitsgesellschaft. Sie waren fremd und galten oft als Sekten. Heimat war für sie nicht in dieser Welt. Freikirchler machten sich stark für eine plurale Gesellschaft, in der nicht nur die „Staatskirchen“ Rechte hatten, sondern auch Muslime, Juden und Christen unterschiedlicher Konfessionen.

Heimat ist mehr als das „Hier und Jetzt“

Ich bin froh über Heimatgefühle. Jeder Mensch braucht sie und ich habe Respekt vor Heimatpflege, Heimatliebe und den Heimatvereinen. Aber ich warne davor, zu erwarten, dass wir Menschen uns hier auf dieser Erde ganz zu Hause fühlen werden. Denn dann fangen wir an, doch wieder bestimmte Ansichten als absolut zu verteidigen. Dann kann Heimat starr und einengend werden. Heimat ist schön, aber Heimat verändert sich auch – immer! So wie sich Sprache und Kultur ständig verändern. Wer das nicht will, will nicht leben. Heimat ist schön und doch nicht alles.

Ich kann als Christ nicht über „Heimat“ reden, ohne davon zu sprechen, dass ich bei Gott ein Zuhause habe. Jesus Christus wohnt in mir und ich in ihm. Diese Heimat in Gott ist kostbarer als jede hier auf Erden. Meine letzte und höchste Identität ist es, Jesus zu gehören. Als solcher bin ich auch Nordrhein-Westfale, Deutscher, Europäer. Aber ich bin durch ihn auch Welt- und sogar Himmelsbürger.

Foto: Pixabay

Im Hebräerbrief heißt es: „Wir haben hier keine bleiben-de Stadt, sondern die zukünftige suchen (ersehnen) wir.“ (Hebräer 13,14). Ich schäme mich nicht für diese Sehn-sucht nach einer Heimat, die bei Gott ist. Im Gegenteil: Sie gehört zu diesem Leben dazu. Der Siegerländer Arzt und Lehrer Jung-Stilling sagte: „Selig, die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen.“ Diese Sehnsucht ist ein Heimweh nach Gott, nach seinem Reich.

Meine Überzeugung ist, dass mich diese letzte Heimat frei macht, in diesem Leben Heimat zu gestalten und zu genießen ohne die Illusion, das Paradies auf Erden zu finden. Heimat: ein schillerndes, spannendes und für mich ein schönes Wort.

Von Ansgar Hörsting, Präses des Bundes FeG


Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin Christsein heute erschienen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

 

 

Ansgar Hörsting (zum Thema „Heimat“ Video FeG)

Ansgar Hörsting im Video über den Begriff „Heimat“ (Link).

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