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Integrationsprojekt: Auf Hoffnung gebaut

In die Hoffnungshäuser in Esslingen und Bad Liebenzell sind in den letzten Monaten Menschen mit Fluchterfahrung und Einheimische eingezogen, um ein Leben unter einem Dach zu wagen. DRAN NEXT-Autorin Doro Mandler hat sich bei den neuen Nachbarn zum Besuch angemeldet.

Sieben Quadratmeter – so viel Platz zum Ankommen gönnt Baden-Württemberg Menschen mit Bleibeperspektive, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind und von ihrem Leben nicht mehr übrig behalten haben als ein paar Fotos auf dem Smartphone. Die Gemeinschaftsfläche mit einberechnet. Sieben Quadratmeter Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Freiheit, wie wir es ganz selbstverständlich leben.

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Sieben Quadratmeter – auch wenn das so gar nicht luxuriös klingt: Die Kommunen überfordert diese Vorgabe, die seit Anfang 2018 gilt. In Ballungsgebieten wie Stuttgart, wo bezahlbarer Wohnraum schon vor 2015 Mangelware war, fehlt der Platz, um Flüchtlingen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Die Städte sind froh über jeden Träger, der Wohnraum schaffen kann. Träger wie die Hoffnungsträger Stiftung mit ihren Hoffnungshäusern. Nach dem Motto „Nicht nur labern. Machen“ baut sie städtisch geförderte Häuser, in denen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund gemeinsam wohnen.

Das Hoffnungshaus in Esslingen (Bild: Hoffnungsträger)

Eins davon steht im Esslinger Stadtteil Berkheim. Wellenförmige Balkone, die mit Holzlamellen verkleidet sind, umrunden den in Holzbauweise entstandenen Neubau; seine „runden Ecken“ erinnern an die fürsorglich umgreifenden Hände bei einer Umarmung. Im Haus gibt es insgesamt sechs Wohneinheiten. Zwei davon sind für einheimische Familien reserviert. Eine Wohneinheit steht für eine geflüchtete Familie zur Verfügung, drei weitere als Wohngemeinschaften für Geflüchtete. Insgesamt bietet es Platz für bis zu 35 Personen. An einem der Balkone haben die ersten Bewohner das Wort „Hope“ aufgehängt. Es leuchtet im Dunkeln. Entstanden ist das Werk in einer gemeinsamen Aktion der Hausbewohner in der Adventszeit. Man hat sich also an die Arbeit gemacht: Hoffnung ist hier Programm.

„Frag nicht, wie sie hergekommen sind“

Anthea Roth (Bild: Hoffnungsträger)

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Ich bin verabredet mit Anthea Roth. Sie ist als Sozialarbeiterin beim CVJM Esslingen für die Bewohner in den aktuell zwei Esslinger Hoffnungshäusern zuständig und begleitet mich hinein ins Hoffnungshaus. Auf der Fahrt vom Esslinger Bahnhof nach Berkheim hat sie mir einen Rat gegeben: „Frag die Geflüchteten nicht danach, wie sie hierhergekommen sind.“ Wahrscheinlich ahne ich noch nicht einmal, was manche erlebt haben, um es bis nach Deutschland zu schaffen.

In der ersten Wohnung, die ich betrete, warten Hamid, 27, und Sohrab, 26, auf mich, beide kommen aus dem Iran. Freundlich bitten sie Anthea und mich ins Wohnzimmer. In der Luft liegt ein Hauch von Skepsis, eine Vorsicht, die nur verständlich ist. Gerade mal zwei Monate leben sie jetzt hier, da darf man nicht erwarten, dass sie schon angekommen sind in ihrer neuen WG in dieser fremden Stadt. Kaum ist die Küche eingeräumt, da kommt auch schon die Presse und stellt Fragen und die Jungs spüren: Sie sollten jetzt begeistert sein, so weit der Weg zum Vorzeigeintegrationsprojekt auch noch sein mag. „Gut“, sagen die beiden, als ich sie frage, wie es hier im Hoffnungshaus so ist. „Besser als in den Unterkünften davor“, meint Hamid, besonders die Küche und die modernen Bäder gefallen. Hier im Gemeinschaftsraum ist der Platz großzügig bemessen, die Küchenzeile wirkt in cleanem Weiß minimalistisch und ist mit hochwertigen Geräten ausgestattet. Da können gut auch mal mehrere Leute gleichzeitig kochen.

Sohrab musste häufig umziehen, einmal hat er für fünf Monate in einer Zeltunterkunft gelebt. Jetzt wünscht er sich eine eigene Wohnung und eine gute Arbeit. „In Ruhe besser Deutsch lernen wäre schön.“ Mit der Ruhe ist das so eine Sache in den Wohngemeinschaften: Die Geflüchteten teilen sich die Zimmer zu zweit, die Rückzugsmöglichkeiten sind rar. „Wir haben hier keine Ruhe“, findet Sohrab. Gerade wenn er lernen möchte, sei das manchmal ein Problem, sagt er.

Ruhe, Durchatmen, Ankommen – Hamid und Sohrab wirken noch immer geschafft von dem Weg, der hinter ihnen liegt. Aber auch von dem, der noch vor ihnen liegt. Viel wird es auf Menschen wie Anthea Roth und die beiden deutschen Familien im Haus ankommen, die nicht nur viel Zeit mit den Geflüchteten verbringen, sondern ihnen im Alltag immer wieder Unterstützung und Ermutigung anbieten.

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Ein Deutschkurs der Hoffnungsträger im Hauptsitz Leonberg (Bild: Hoffnungsträger)

Aus einem bunten Haufen eine gut funktionierende Hausgemeinschaft machen

In Bad Liebenzell, eine gute Autostunde von Esslingen entfernt, stellt sich die Situation wesentlich entspannter dar. Das mag auch ein Stück weit der Ruhe geschuldet sein, welche die idyllisch im Nordschwarzwald gelegene Stadt ausstrahlt. In den beiden Hoffnungshäusern jedenfalls ist von Enge nichts zu spüren. 43 Leute aus sechs Nationen sind dort im Laufe des Februars eingezogen. Es handelt sich um Studierende der Internationalen Theologischen Hochschule und der Interkulturellen Theologischen Akademie sowie Frauen, Männer und Kinder aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Pakistan und Somalia. Elf Wohnungen gibt es insgesamt in den zwei Hoffnungshäusern.

Das Ehepaar Tobias und Sarah Zinser bringt sich mit der Erfahrung eines längeren Afghanistan-Aufenthalts in das studentische Wohnprojekt in Bad Liebenzell ein (Bild: Hoffnungsträger)

Sarah und Tobias Zinser leiten das Hoffnungshaus-Projekt in Bad Liebenzell, das Hoffnungsträger in Kooperation mit der Liebenzeller Mission betreibt. Sie sind seit 2008 verheiratet und haben vier Kinder. Die Zinsers leben ebenfalls in einer Hoffnungshaus-Wohnung. Ihr wichtigstes Anliegen in der Anfangszeit ist vor allem, aus dem bunten Haufen eine gut funktionierende Hausgemeinschaft aufzubauen. „Erste tolle Aktionen gab es schon. Studentinnen haben Flüchtlinge mit selbst gebackenem Kuchen begrüßt. Und beim Aufbau der Möbel haben alle, die da waren, zusammen angepackt. Das hat großen Spaß gemacht“, erzählt Tobias Zinser. Er hat mit seiner Familie einige Zeit in Afghanistan gelebt und weiß, wie man sich sicher im interkulturellen Umfeld bewegt. An diesem Nachmittag will er sich bei einer Familie umsehen und heraushören, wie es ihr im neuen Zuhause ergeht.

Hufania*, eine junge Frau aus dem Jemen, freut sich über den spontanen Besuch. Auf dem Arm hält sie ihre einjährige Tochter Alia. Ihr Mann Sharif sei leider nicht da, lässt sie Tobias Zinser entschuldigend wissen. Er müsse etwas Dringendes auf dem Amt erledigen. Bei einer Tasse Tee beginnt die junge Frau zu erzählen. Von ihrer Flucht vor der Gewalt im Jemen und in Somalia, von der monatelangen Odyssee zu Fuß über Äthiopien nach Libyen, wo die geplante Weiterreise nach Europa jäh gestoppt wird. Weil das Geld nicht reicht, lassen die Schlepper nur die zu diesem Zeitpunkt hochschwangere Hufania auf eines der Flüchtlingsboote. Sharif muss bleiben. „Die Trennung von meinem Mann war einfach schrecklich“, sagt sie mit leiser Stimme.

Die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer verläuft Gott sei Dank ohne Zwischenfälle. Nach einem kurzen Aufenthalt in Italien zieht Hufania weiter nach Deutschland und landet schließlich in Böblingen, wo sie ihre Tochter zur Welt bringt. In der Zwischenzeit hat sich auch Sharif auf den Weg gemacht, um seine Frau und das Kind zu suchen. Nach einem Jahr liegen sich die drei in den Armen. Im Hoffnungshaus versuchen sie jetzt erst einmal, zur Ruhe zu kommen und sich ein neues, kleines Familienglück in Deutschland aufbauen. „Wir werden ihnen dabei helfen“, verspricht Tobias Zinser.

Von Doro Mandler


Das komplette Porträt könnt ihr in der aktuellen Ausgabe des Magazins DRAN NEXT (3 / 2018) lesen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

 

 

Die Hoffnungsträger Stiftung ist ein anerkanntes Spendenwerk mit Sitz in Leonberg. International setzt sich die Stiftung für die Versöhnung von Straftätern und ihren Opfern ein und vermittelt Patenschaften für Kinder, deren Väter einsitzen.

                                              Zur Homepage der Hoffnungsträger

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