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Ist die Zukunft von Kirchen und Gemeinden hybrid?

Gemeinde Jesu Christi sammelt Menschen und lädt zum Glauben ein – seit Corona vor allem digital. Dagmar Hees nennt Vorzüge und Chancen, die digitale Gemeindeveranstaltungen auch über die Pandemiezeit hinaus haben können.

Herbst 2019: Redaktionstreffen für das „Ökumenische Gebet im Advent“. Ein erkrankter Kollege möchte unbedingt dabei sein und schlägt vor, per Zoom teilzunehmen. Sie hätten das in seiner Kirche gerade ausprobiert und er habe Zugang dazu. Wir anderen sind eher skeptisch. Niemand von uns hat bisher Erfahrung damit. Ob das wirklich klappt, wie der Kollege sich das vorstellt?!

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Gut anderthalb Jahre und unzählige digitale Treffen und Sitzungen später muss ich bei der Erinnerung schmunzeln. Ein kleines Virus hat die Art, wie ich Beziehungen pflege und Gemeinde lebe und arbeite, infrage gestellt und tiefgreifende Veränderungen angestoßen. Veränderungen, die mich zeitweise tief verunsichert und schmerzhafte Anpassungen erfordert haben – und die mich gleichzeitig staunen lassen und mit Freude und Zuversicht erfüllen.

Anknüpfungspunkt online

Petra ist schon lange auf der Suche nach Heilung, Halt und Sinn für ihr Leben. Weder eine Ausbildung zur psychologischen Beraterin noch verschiedene esoterische Praktiken, die sie ausprobiert hat, können ihre Sehnsucht nach innerem Frieden erfüllen. Sie weiß selbst nicht, warum sie eines Tages zu Jesus betet – der christliche Glaube hat bisher keine Rolle in ihrem Leben gespielt. Als sie an diesem Tag im Internet nach Informationen über esoterische Praktiken sucht, schlägt ihr der Browser keine einschlägigen Kanäle vor, sondern Beiträge von Christen, die selbst in der Esoterik unterwegs waren und sich nun kritisch mit diesen Praktiken auseinandersetzen.

Die Tür zu einer völlig neuen Welt öffnet sich für Petra: Durch Videos und Predigten im Internet findet sie zu Jesus und vertraut ihm ihr Leben an. Sie fängt an, Bibel zu lesen. Als sie auf das Thema Taufe stößt, sucht sie nach einer Kirche, in der sie sich taufen lassen kann. Wieder wird Petra im Internet fündig.

Digital ist der neue Alltag

Digitale Kommunikationsplattformen, der Livestream im Internet, digitale Werkzeuge zur Zusammenarbeit – sie gehören für viele inzwischen zum beruflichen Alltag. Ohne die Möglichkeit, sich digital zu treffen, wären viele Sitzungen, Seminare und Besprechungen nicht möglich gewesen in den Monaten mit Kontaktbeschränkungen.

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Aber auch im privaten und gemeindlichen Bereich wäre vieles kaum oder gar nicht mehr möglich: Gottesdienste, Gebetsabende, Hauskreise, Spieleabende unter Freunden und gemeinsames Geburtstagskaffeetrinken mit weit verstreuten Familienmitgliedern – die Palette an Veranstaltungen und Treffen, die inzwischen ihre virtuelle Entsprechung im digitalen Raum gefunden haben, ist breit und bunt. Was vor zwei Jahren noch Kopfschütteln ausgelöst hat und eher etwas für Technik-Freaks war, gehört heute für viele zum Alltag. Das gilt auch für die meisten unserer Gemeinden. Fast alle haben inzwischen notgedrungen zumindest Teile des Gemeindeprogramms in den digitalen Raum verlegt.
Aber gerade in Bezug auf das Gemeindeleben habe ich den Eindruck, dass es uns ziemlich schwerfällt, diese Entwicklung anzunehmen. Meiner Beobachtung nach gilt das über alle Altersstufen und Gesellschaftsgruppen hinweg. Während die einen sich die digitalen Räume mehr oder weniger forsch erobern und kreative Wege suchen, um Begegnung und Gemeinschaft in Zeiten der Kontaktbeschränkungen zu ermöglichen, nehmen andere diese Angebote nur zögerlich wahr oder lehnen sie ganz ab. Die Ablehnung hat sehr unterschiedliche Gründe. Die Begründung, die ich persönlich am häufigsten höre: Virtuelle Treffen sind nicht mit „echten“ (sprich analogen) Treffen vergleichbar. Es fühlt sich anders an, ist nicht so vertraut, es kommt kein echtes Gemeinschaftsgefühl auf.

Heilige Momente im digitalen Raum

Virtuelle Treffen fühlen sich nicht wie analoge Treffen an. Dem kann ich zustimmen. Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die Begegnungen und eine gute Verständigung im virtuellen Raum erschweren. Das fängt bei den technischen Faktoren an, wenn z. B. Ton und Bild nicht synchron sind oder bei einer schlechten Internetverbindung Übertragungspausen eintreten. Das irritiert und kann schlimmstenfalls die Verständigung nicht nur erschweren, sondern unmöglich machen. Ist ein Gesicht unzureichend ausgeleuchtet oder die Kamera schlecht, fällt es schwer, die Mimik zu deuten. Durch die Verzögerungen bei der Übertragung entstehen merkwürdige Pausen oder man fällt sich gegenseitig ins Wort – auch das kann Gespräche mit mehreren Personen mühsam und ermüdend machen. Weniger offensichtlich, aber nicht zu unterschätzen: das Fehlen von Gerüchen und der physischen Resonanz, die mit der Gegenwart einer Person im gleichen Raum einhergeht. Das Fehlen dieser Wahrnehmungen ist uns zwar weniger bewusst, hat aber Einfluss auf unsere Gefühle und wie wir unser Gegenüber einschätzen.

Manches davon kann durch Ausrüstung, Ausprobieren, Geduld und erhöhte Achtsamkeit ausgeglichen werden. Manches bleibt unbequem und mühsam. Trotzdem erlebe ich: Im digitalen Raum ereignen sich heilige Momente. Momente, in denen ich große Nähe und Verbundenheit mit anderen Menschen erlebe, obwohl wir uns nicht im gleichen Raum befinden. Ich erlebe intensive Gebetsgemeinschaften im Frauenbibelkreis per Zoom und wir spüren alle: Jesus ist mitten unter uns, wie er es in seinem Wort versprochen hat. Der Austausch ist sogar persönlicher geworden, weil wir uns nicht mehr mit allen Teilnehmerinnen gleichzeitig treffen, sondern die Gruppe aus praktischen Gründen aufgeteilt haben. Nun kommen auch diejenigen eher zu Wort, die das Gespräch sonst gerne den Wortführerinnen überlassen. Da wir uns virtuell treffen, kann jetzt auch die alleinerziehende Mutter dabei sein, weil sie ihre Kinder nicht alleine lassen muss, um in den Hauskreis zu gehen.
Mich begeistert, dass wir uns für digitale Seminare und „Learning Communities“ aus dem ganzen Bundesgebiet treffen. Nun ist es möglich, dass wir uns mitten in der Woche abends treffen, um miteinander zu lernen und uns auszutauschen. Zwischen den Teilnehmerinnen wachsen Beziehungen. Sie fangen an, Kontaktdaten auszutauschen und sich für das nächste Seminar zu verabreden.

Herausforderung: Nähe und Vertrautheit

Es ist sicherlich einfacher, Nähe und Vertrautheit bei virtuellen Treffen zu erleben, wenn es zuvor schon Begegnungen in Präsenz gab, bei denen Vertrauen aufgebaut werden konnte. Aber – ein gemeinsames Interesse und eine gewisse Offenheit vorausgesetzt – Gemeinschaft und Vertrauen können auch im digitalen Raum wachsen. Es kann sogar von Vorteil sein, sich virtuell zu begegnen: So berichtet ein Jugendleiter, dass sich die Teens bei den Zoom-Treffen stärker öffnen als bei Treffen in Präsenz. Sie trauen sich eher, echt zu sein. Gleichzeitig höre ich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass es mitunter schwierig ist, Kinder und Jugendliche nach dem Online-Unterricht auch noch für virtuelle Treffen zu gewinnen. Diese Spannung erlebe ich auch in anderen Altersgruppen: Menschen im digitalen Raum zu sammeln und Beziehungen aufzubauen ist kein Selbstläufer. Manchmal ist das sogar richtig mühsam.

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Gemeinde ist für mich trotzdem nicht als rein virtuelle Gemeinschaft im digitalen Raum denkbar. Leibliche Menschen brauchen die leibhaftige Begegnung vor Ort. Ich sehne mich danach, Abendmahl gemeinsam im Gottesdienst zu feiern. Ich sehne mich nach dem gemeinsamen Mittagessen, mit dem wir Taufen feiern. Mir fehlen die „zufälligen“ Begegnungen, die sich vor und nach Veranstaltungen ereignen.

Hybrid um der Menschen willen

Die Zukunft bleibt für mich hybrid, nicht weil ich den digitalen Raum für das Nonplusultra halte, sondern um der Menschen willen: Weil es eine wichtige Möglichkeit ist, die Menschen zu erreichen und mit ihnen Gemeinde zu bauen, die wir vor Corona nicht erreicht haben oder die aus verschiedenen Gründen vom Gemeindeleben ausgeschlossen waren und sind. Ich halte es für unerlässlich, das Gute festzuhalten und auszubauen, das wir in den vergangenen Monaten gelernt und entwickelt haben.

Gerade entsteht ein neuer Hauskreis. Er wird wahrscheinlich digital bleiben, selbst wenn Treffen in Präsenz wieder möglich sind, denn für die Teilnehmerinnen mit ihren unterschiedlichen Lebenssituationen ist der digitale Raum die beste Möglichkeit, sich zu treffen, um Glauben zu teilen und Gemeinschaft zu erleben.


Diesen Artikel schrieb Dagmar Hees, Teil der FeG-Bundesleitung zuerst für das Magazin Christsein Heute. Christsein Heute ist ein Produkt des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört. 

 

 

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