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Jesus, der Religionskritiker

Jesus ist Gottes Sohn – und Religionskritiker. Wie das zusammenpasst, erklärt der Berliner Gemeindegründer Oleg Dik. Er glaubt, dass diese Erkenntnis auch im Dialog mit Muslimen nützlich sein kann.

Ali schaute mich mit seinen großen, runden, braunen Augen an und fragte: „Oleg, sind die IS-Kämpfer auch Muslime?“ – „Warum willst du das wissen?“, fragte ich zurück. Ali schaute mich direkt an und antwortete: „Du erzählst uns von Jesus und Liebe. Aber was sollen wir machen, wenn der IS uns Kurden abschlachtet? Wenn sie Frauen und Kindern die Köpfe abschneiden?“ Im ersten Moment war ich sprachlos und rettete mich mit einem: „Was denkst du denn?“ Ali schien sich trotz seiner erst 12 Jahre darüber Gedanken gemacht zu haben und meinte: „Es ist richtig, dass wir den IS mit Waffen stoppen. Aber wenn wir ihnen auch die Köpfe abschneiden, dann werden wir auch so wie sie.“

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Vor vier Jahren startete ich eine Jugendgruppe in Berlin-Wedding in einem ehemaligen Hip-Hop-Klamotten-Laden. Es kamen regelmäßig 5-8 Jugendliche aus der Nachbarschaft, die Mehrheit aus muslimischen Familien. Wir machten Sport, kochten Spaghetti, hörten Rap und redeten über Jesus. Es war von Anfang an klar, dass für mich Jesus zentral ist. Eine arabische Mutter meinte zu mir: „Es ist besser, mein Sohn kommt zu dir als zu den Salafisten.“

Ich vermied jede Diskussion über Religion, sondern nutzte die Vorlagen von Bushido, um auf Jesus zu sprechen zu kommen. Das lief ganz gut – bis zur direkten Frage von Ali, die mich vor ein Dilemma stellte: Sollte ich mich auf das Glatteis begeben und guten vom schlechten Islam unterscheiden? Und das als Christ? Ist es meine Aufgabe, dieses Spiel mitzumachen? Oder muss ich die Regeln dieses Diskurses ändern?

Jesus war auffällig religionskritisch

Religion polarisiert und vertieft die Gräben in unserer Gesellschaft. Apologeten der Religion streiten mit ihren Verächtern. Hieß es früher Christentum versus Atheismus, ist jetzt noch der Islam mit in den Ring gestiegen. Als Christen können wir das Spiel mitspielen – oder versuchen, die Regeln zu verändern. Anstatt unsere Religion zu verteidigen, ist es hilfreicher, in die Bibel zu schauen, und zwar wie die alttestamentlichen Propheten, Jesus und Paulus religiöse Praktiken und Einstellungen kritisierten. Es gibt also nicht die gute oder schlechte Religion. Doch es gibt viele Taten und Meinungen, die religiös begründet werden und den Menschen zum Bösen bewegen. Ich greife nur drei Punkte heraus, die in der Bibel kritisiert werden:

  1. Der Bezug auf höhere Macht und religiös legitimierte Moral diente oft zur Durchsetzung der eigenen Macht, um die Menschen zu unterdrücken und die gesellschaftliche Ungerechtigkeit zu zementieren.
  2. Religiöse Praktiken verdeckten als Schein oft die innere Fäulnis. Dies führte zur Heuchelei und zum inneren und gesellschaftlichen Verfall.
  3. Das Gottesbild der falschen Propheten im AT war oft nichts anderes als Projektion der eigenen frommen Wünsche. Es war eine Form des kontinuierlichen Selbstbetruges.

Jesus und der Apostel Paulus setzten diese alttestamentliche Kritik des Religiösen fort. Jesus hielt den Pharisäern einen Spiegel vor und entlarvte ihre Heuchelei, Profitgier und Machtgeilheit. Die schärfsten Worte (Gräber und Hunde) gebrauchten Jesus und Paulus im Zusammenhang mit religiösen Menschen, die Gott dazu gebrauchen, um ihre Macht zu legitimieren, Arme zu unterdrücken und gleichzeitig ihr eigenes faules Inneres zu kaschieren (siehe z. B. Lukas 11,37–54).

Heute würde Jesus wohl ohne Zögern „Fuck Religion“ ausrufen. Übrigens: In diesem Sinne ist es schwer zu sagen, ob die modernen Philosophen Jesus oder Religion kritisierten. Ihre Kritik ähnelt sehr der biblischen Kritik. Karl Marx kritisiert Religion als „Opium des Volkes“. Weil er beobachtete, dass Religion die Menschen ruhig stellt und sie blind macht gegenüber ungerechter Ausbeutung und Unterdrückung. Ludwig Feuerbach kritisierte die Religion als menschliche Projektion und Friedrich Nietzsche beschrieb trefflich die Heuchelei der religiösen Praxis und die eiternden Ressentiments, die unter der polierten Oberfläche des religiösen Anstandes brodelten.

„Die alttestamentlichen Propheten und Jesus
kritisieren ihre eigene, die jüdische Religion“

Wir können also mit großem Gewinn auch die Religionskritiker lesen in einer Reihe mit Propheten und Jesus. Ich sehe in der Bibel nirgendwo den Auftrag, die Religion, egal welche, ob christliche oder muslimische, zu verteidigen. Es gibt keine gute Religion, die irgendwie durch die Politik verunreinigt wurde. Es gibt falsche Glaubenssätze über Gott und religiös legitimierte Taten, die zum Bösen führen.

Und nebenbei: Auch die Politik bedient sich gerne religiöser Moral, um Menschen zu manipulieren. In der Flüchtlingskrise wurde die Geschichte vom barmherzigen Samariter bei den Politikern beliebt. Natürlich wissen wir, dass der Samariter die Kosten für seine Moral selbst getragen hat und niemanden gezwungen hat, es ihm gleichzutun. Menschen, die die Kosten ihrer Moral auf andere Menschen abwälzen, nennt Jesus Pharisäer. Aber in Zeiten sozialer Medien driften Meinungen und Taten weit auseinander: Es ist so leicht, moralische Signale zu senden durch das Klicken eines „Like“-Buttons.

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Die alttestamentlichen Propheten und Jesus kritisieren ihre eigene, die jüdische Religion. Paulus kritisierte die religiöse Pervertierung der neuentstehenden christlichen Bewegung. Anstatt also von einer bestimmten Religion zu reden, scheint es, dass die religiöse Haltung, das religiös-getarnte Böse durch ein jedes Herz geht und ein jedes Herz befällt. Wenn wir begreifen, dass jeder Mensch dazu neigt, Gott zu instrumentalisieren, um das Böse zu erschaffen, so sehen wir den Feind nicht nur außen, sondern rufen in Verzweiflung in Bezug auf uns selbst: „Fuck Religion!“ Wie komme ich aus dieser Falle heraus? Wie enttarne ich den unbewussten Selbstbetrug? Jesus erwähnt Menschen, die voller Überzeugung im Namen Gottes handeln, nur um dann von Gott vor dem Richterstuhl Christi gesagt zu bekommen, dass er sie nie gekannt hat.

Warum gute Taten nicht gegen Stolz helfen

Muhammad, mein salafistischer Nachbar, erzählte mir mal eine Geschichte von einem sehr berühmten Imam in ihrer Moschee. Er kam zu Besuch als Gastprediger. Mitten in der Predigt unterbrach er jedoch seine Rede und verschwand. Alle Anwesenden fingen an, ihn zu suchen und fanden ihn dabei, wie er Toiletten putzte. Auf die verwunderte Frage, warum er das tue, antwortete er: „Ich verspürte die Versuchung des Teufels, weil mein Herz voll von Stolz war.“

„Religiösen Stolz mit guten Taten zu bekämpfen,
ist wie Feuer mit Benzin zu löschen“

Ich habe großen Respekt vor diesem salafistischen Imam, denn seine Ahnung von der Sünde des Stolzes war aufrichtig. Diese Demut fehlt mir häufig. Es bleibt jedoch die Frage: Kann religiöser Stolz durch gute Taten bekämpft werden? Ich denke, dass in dem Moment, in dem mich alle Gläubigen mit meiner Toilettenbürste in der Hand bewundern, eine noch größere Welle des Stolzes über mich schwappen würde. Religiösen Stolz mit guten Taten zu bekämpfen, ist wie Feuer mit Benzin zu löschen. Religion ist die perfekte Tarnung des Bösen.

Was habe ich Ali geantwortet? Es ging ungefähr in die Richtung: „Ali, die IS-Kämpfer morden, weil sie sich überlegen fühlen und alle anderen als minderwertig ansehen. Ich schlachte zwar keinen ab, aber oft schleicht sich in mein Herz die gleiche Haltung ein, das gleiche Gift: „Ich bin besser als die Anderen, weil ich bete und versuche alles einzuhalten, was Gott mir sagt.“ Es ist diese religiöse Haltung, die letztendlich wächst und mich von innen zerstört und mich von Gott und vom Mitmenschen entfremdet. Aber die Vergebung und die Liebe, nach der wir uns so sehr sehnen: Sie ist Gottes Geschenk. Ein sehr teures Geschenk, denn es hat Gott alles gekostet. Er hat sich durch Jesus hingegeben. Ich kann nicht stolz sein. Die Tatsache der Gnade bringt mich auf den Boden und erhebt mich zugleich. Wenn jeder nur diese Message hört und annimmt, dann gibt es keinen religiösen Hass mehr.“

Das hört sich für manch einen naiv an. Deutlich naiver ist es, das religiös Böse mit Waffen vernichten zu wollen, denn es nistet sich in unseren Köpfen und Herzen ein und muss daher auch mit Gedanken und Ideen bekämpft werden. Nur Jesus ist die Lösung für das Böse, das durch Religionen an Macht gewinnt.

  1. Die Erfahrung der Liebe und der Befreiung von Schuld schmilzt meinen Hunger nach Macht, denn ich bin erfüllt und gebrauche nicht mehr die Menschen um mich herum.
  2. Jesus seziert mein Herz und zeigt mir mein faules Herz. Doch ich verzweifle nicht, denn er verwandelt mich in sein Ebenbild.
  3. Jesus ist das wahre Abbild Gottes. Er bewahrt uns vor unserem eigenen Wunschdenken.

Die Macht des Bösen ist real. Sie nimmt religiöse Tarnung an und tötet die Menschen. Es gibt nur eine Lösung dagegen: Ich liefere mich aus an Jesus, mit Haut und Haaren, und bezeuge Jesus durch meine Worte und Taten.

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Dieser Artikel ist zuerst im Magazin DRAN erschienen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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