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„Herzschlag“: Kirche für Jugendliche – von Jugendlichen

Was tun, wenn Jugendliche immer weniger christlich sozialisiert sind und dadurch die traditionelle Jugendarbeit in den Gemeinden wegzubrechen droht? Der Evangelische Kirchenkreis Südharz investierte in ein Experiment: Die Jugendlichen sollten ihre „eigene Kirche“ bekommen. Mittlerweile habe sie sich zum „Herzschlag des Kirchenkreises“ entwickelt und gelte selbst in der Schule nicht als „uncool“. Simon Roppel, Gründer der neuen Kirche, stellt das Projekt „HERZSCHLAG Junge Kirche“ vor.

Die Situation ist prekär. In unserem Kirchenkreis ist es nicht mehr möglich, jeden Ort gleichermaßen mit Jugendangeboten zu „versorgen“. Die Anzahl der angestellten Mitarbeiter sinkt prozentual mit den abnehmenden Kirchenmitgliedern. Entgegen der ersten Vermutung sind es allerdings weniger die Kirchenaustritte, die so deutlich ins Gewicht fallen, sondern die Tatsache, dass sehr wenige Familien ihre Kinder taufen lassen. Viele Eltern argumentieren, dass ihr Kind später selbst entscheiden soll, ob es sich taufen lassen möchte oder nicht. Und junge Menschen ohne kirchliche Bindung und christliche Sozialisation in deren kompliziertesten Lebensphasen für den freiwilligen Konfirmationsunterricht zu gewinnen, ist ein schwieriges Unterfangen. So sind es in einem Dorf nur ein oder zwei Teenager, die sich zur Konfirmation anmelden. Christliche Jugendgruppen gab es 2012 in der ländlichen Region überhaupt nicht mehr.

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Der Neuanfang

Diese Lage zwang uns zum Umsteuern. Seit fünf Jahren wagen wir etwas Neues. Mit den Jugendlichen wurde begonnen, neue Gemeindekonzepte auszuprobieren. In der Stadt Nordhausen wurde dafür eine der baufälligen Kirchen des Reformationslandes komplett für die Entstehung einer neuen jungen Kirche zur Verfügung gestellt. Der verhältnismäßig kleine Kirchenkreis ging dafür finanziell und kräftemäßig an seine Grenzen, um die alte Kirche in der Innenstadt zu einem modernen Jugendzentrum mit Heizung, Toiletten, Cafeteria und Jugendraum umzubauen. Die Vision war, dass die Jugendlichen sich in ihrer eigenen Kirche als „Gemeinde“ frei entfalten können.

Das Projekt startete mit einer kleinen Gruppe von Jugendlichen. Schnell zeigte sich, dass jeder gebraucht wird und seine ganz individuellen Gaben einbringen kann. Aus dieser Wahrnehmung entstand ein Grundprinzip der Jungen Kirche. Schulfreunde wurden mitgebracht, weil sie ein Instrument spielten, sich mit Technik auskannten der Lust auf die entstandene Theatergruppe hatten. So wuchs unter dem Namen „HERZSCHLAG Junge Kirche“ eine neue Gemeinde aus Teenagern mit jugendlicher Sprache und Form sowie einem Fokus auf echter Beteiligung und geistlicher Gemeinschaft.

Bild: Simon Roppel

Natürlich war nicht jeder auf gleiche Weise an Glaube und Kirche interessiert. Für die Mitarbeit im Bistro oder der Technik beispielsweise sahen wir darin aber auch kein Problem. Wir vertrauen darauf, dass dort, wo wir gemeinsam Gottesdienst feiern und Gemeinschaft leben, sich Gott selbst offenbart und seine Botschaft ihre Kraft entfaltet. Ganz unaufdringlich, aber beständig erleben die jungen Leute, dass sie wichtig und wertvoll sind und in der Gemeinschaft herzlich willkommen.

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„So wie unser Herz Leben durch unseren ganzen Körper pumpt, so verstehen wir auch das Kirchengebäude als einen Ort, der ausstrahlt und die Fläche unseres Kirchenkreises mit Leben füllt“

Kirche für Jugendliche von Jugendlichen

Bild: Simon Roppel

„Jugendliche in Nordthüringen haben ein großes Interesse, ihr Umfeld aktiv mitzugestalten, und wünschen sich echte Beteiligungsmöglichkeiten. Sie wollen entsprechend ihrer Fähigkeiten ernst genommen und gefördert werden“, lautet die Quintessenz aus einer Schülerumfrage, die das Landratsamt Nordhausen 2017 in Auftrag gegeben hatte. Die öffentlichen Träger nehmen nun wahr, dass wir als evangelischer Jugendverband mit unserem Konzept von Kirche, welches ganz auf die Partizipation junger Ehrenamtlicher setzt, an den Bedürfnissen der Jugendlichen ausgerichtet sind. „HERZSCHLAG Junge Kirche“ ist inzwischen weit mehr als nur ein neues Zentrum in der Stadt Nordhausen. So wie unser Herz Leben durch unseren ganzen Körper pumpt, so verstehen wir auch das Kirchengebäude als einen Ort, der ausstrahlt und die Fläche unseres Kirchenkreises mit Leben füllt. Wir machen die Erfahrung, dass dort, wo positive Aufbrüche passieren, weitere kleinere Aufbrüche möglich werden. Motiviert durch die Ausstrahlung der Jugendgottesdienste und Konfirmanden events wuchs bei manchen Jugendlichen in der ländlichen Region ein Interesse an einer solchen Gemeinschaft. So entstanden mittlerweile sechs Kleingruppen, die sich in verschiedenen Pfarrhäusern auf dem Dorf einen Jugendraum eingerichtet haben und sich nun regelmäßig mit einem der hauptamtlichen Mitarbeiter treffen. Dabei haben diese Gruppen eine typische Struktur, wie man sie aus der christlichen Jugendarbeit kennt. Das Besondere dabei ist die enge Vernetzung und die regelmäßigen gemeinsamen Aktivitäten als „HERZSCHLAG Junge Kirche“. Diese Verbundenheit lässt aus den dezentralen Gruppen eine Gemeinde werden.

„Wir machen die Erfahrung, dass dort, wo positive Aufbrüche passieren, weitere kleinere Aufbrüche möglich werden“

Gemeinde, Ja oder Nein?

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland nennt solche neuen experimentellen Formen von Gemeinde einen Erprobungsraum. Dabei dürfen in großer Freiheit viele Fragen offenbleiben und auch Fehler gemacht werden. Wir führen keine eigenen Mitgliedsbücher, haben keinen offiziellen Einzugsbereich (Parochie) und taufen auch immer nur in Zusammenarbeit mit den lokalen Kirchengemeinden. Aber wenn Gemeinde dieser Teil unseres Lebens ist, in dem wir mit Gott in Kontakt kommen, regelmäßige christliche Gemeinschaft erleben und geistlich herausgefordert werden, dann sind wir als HERZSCHLAG bereits eine Gemeinde für die uns anvertrauten Jugendlichen.

„Jede Form, Gottesdienst zu feiern und Kirche zu gestalten,
ist eine gute Form“

Manchen aktiven Kirchenmitgliedern macht es Sorge, wenn sich das liebgewonnene und eigene Verständnis von Ortsgemeinde verändert. In den vielen notwendigen Gesprächen in solchen Veränderungsprozessen ist es wichtig, dass man „neu“ nicht als „besser“ missversteht. Jede Form, Gottesdienst zu feiern und Kirche zu gestalten, ist eine gute Form. 500 Jahre nach Luther gilt es, dem jungen Volk aufs Maul zu schauen und die Sprache der Kirche für sie zu übersetzen.

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Erfolge und Herausforderungen

Mittlerweile engagieren sich bei HERZSCHLAG über 40 Jugendliche aus der Stadt Nordhausen und den umliegenden Ortschaften. Sie alle schätzen die Möglichkeit, sich mit den eigenen Interessen einbringen zu können. Ohne die freiwilligen und motivierten Ehrenamtlichen wären die Jugendgottesdienste, Konfirmandenevents, Kulturveranstaltungen, Gebetsabende und Partys in unserer HERZSCHLAG-Kirche nicht möglich. Neben der großen Stärke liegt darin aber eine ebenso große Herausforderung. Es gibt kaum vergleichbare Orte, an denen Jugendliche unterschiedlicher Bildungsniveaus und Milieus in ihrer Freizeit zusammenkommen und an einem gemeinsamen Projekt arbeiten. Unsere Mitarbeiter kostet es viel Kraft und Geduld, die teilweise unüberwindbar scheinenden Milieugrenzen zu durchbrechen und die Jugendlichen im Blick auf die geistliche Gemeinschaft und das gemeinsame Ziel zu vereinen.

Erst vor Kurzem bekam ich ein starkes Feedback von einem Jugendlichen, der mir erklärte, HERZSCHLAG habe die Meinung über den Glauben unter den Jugendlichen verändert. Es sei nun in der Schule nicht mehr „uncool“, zur Kirche zu gehen und an Gott zu glauben. Auch wenn dies nur eine Momentaufnahme eines einzelnen Jugendlichen ist, macht es uns doch Mut, weiter Gemeinde zu bauen.


Simon Roppel (29) lebt und arbeitet seit 5 Jahren im Evangelischen Kirchenkreis Südharz. Er ist Gründer der jungen Kirche HERZSCHLAG.

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin 3E erschienen, das wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

Homepage: Herzschlag. Junge Kirche im Südharz

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