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Kirche muss Teil des Alltags werden

Dr. Michael Moynagh ist einer der führenden Köpfe hinter der kirchlichen Innovations-Bewegung Fresh X. Wie sein Bild von Kirche heute ist und wie Jesus sich seiner Meinung nach Kirche wünschen würde, verrät er im zweiten Teil des Interviews.

Sie sprachen von Liebe als praktisch gelebte Jüngerschaft und zeichneten dabei das Bild einer Familie, deren Liebe sich auch darin zeigt, dass sie das gemeinsame Alltagsleben organisieren. Was bedeutet das aber für Gemeinden? 

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Als Kirche können wir ganz praktisch in unserem direkten Umfeld etwas Brauchbares auf die Beine stellen. Wir müssen diese Wege herausfinden, wie die Liebe zu Menschen in unserem Umfeld ausgedrückt werden kann, wir dürfen Beziehungen aufbauen und unseren Glauben, die gute Botschaft teilen, und sie dann ermutigen, ihre Gemeinschaft in ihrem Lebenskontext aufzubauen und sich mit der Kirche als Ganzem zu ver­netzen. Wir müssen Jesus in die Ritzen der Ge­sellschaft folgen. Und wenn wir das tun, dann ist das wirklich ein Jüngerschaftsprogramm, das diesem Namen auch gerecht wird.

Lieben — wie kann das praktisch aussehen?

Sie könnten am Montagmorgen eine Tüte Croissants für Ihre Kollegen mitbringen, das könnten Sie gemeinsam mit einem Freund tun – das ist ein praktischer Liebesbeweis. Und dabei werden Sie vielleicht mit Ihren Kollegen ein paar Worte wechseln, und damit bauen Sie schon Beziehung. Im Kontext dieser Beziehungen können Sie dann auch Ihren Glauben thematisieren, Ihre Erfahrungen mit Jesus. Und wenn Leute sich mit Jesus auf den Weg machen, dann begleiten Sie die Gründung einer kleinen gottesdienstlichen Gemeinschaft vor Ort, am Arbeitsplatz, und die Anbindung an eine größere kirchliche Gemeinschaft. So etwas ist engagierte Jüngerschaft. Das ist Formung im christlichen Glauben für heute.

Was bedeutet das für die Kirche als Gemeinschaft?

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Es gibt auch im Alltag keinen direkteren Weg, als gemeinsam mit anderen Christen Mission zu betreiben. Das geistliche Wachstum kommt nicht davon, im Hauskreis zu sitzen, die Bibel zu studieren und das Erkannte dann nicht im aktiven Handeln auszudrücken.

Es stellt sich vielmehr ein, wenn du dich mit anderen Christen für eine Mission zusammentust, mit Jesus, in deinem Alltag. Wenn du das tust, dann wirst du für Leute beten. Du wirst nach praktischen Wegen suchen, sie zu lieben. Du wirst ihnen ganz praktisch helfen. Du wirst Geduld lernen müssen, und auch andere Früchte des Geistes wirst du kennenlernen, wenn du andere Leute liebst und ihnen dienst. Das ist dann geistliches Wachstum. Deswegen sage ich: Ja, die Zurückgezogenheit hat auch ihre Berechtigung, aber wir brauchen darüber hinaus auch den aktiven Weg, neue Jünger für Jesus zu gewinnen.

Sie haben ein Buch mit dem Titel „Church For Every Context“ geschrieben: „Kirche für jeden Kontext.“ Was bedeutet das? In welchem Teil der Gesellschaft wird die Kirche heute gebraucht?

Die Kirche hat das Problem, dass sie hauptsächlich ihren Fokus darauf hat, wo die Menschen wohnen, also im Sprengelprinzip eines Wohngebietes denkt. Als sich aber das Leben mehr auffächerte, blieb die Kirche sozusagen am örtlich umrissenen Sprengel hängen und kam nicht mit den Leuten auf die Arbeit, zu ihren Freizeitaktivitäten und so weiter, und bis auf ein paar Ausnahmen hat die Kirche bis heute in diesen Bereichen keine nennenswerte Präsenz. Wenn heute jemand eine Kirche am Arbeitsplatz startet, eine christliche Gemeinschaft für Radfahrer, für Fotografen, für Wohnungslose oder für Tafel-Besucher, dann bringt das die Kirche und damit Jesus zurück in diese Facetten des Alltagslebens. Wenn Jesus Herr von allem und allen ist, dann ist er doch auch Herr über alle Teile unseres alltäglichen Lebens. Und Fresh X versucht genau das sichtbar zu machen und bringt Kirche wieder in all diesen unterschiedlichen Teilen des Lebens ins Spiel.

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Dr. Michael Moynagh über seine Vision von Kirche – mit und mitten unter Menschen.

 

Theologisch bedeutet dies?

Es gibt keinen Aspekt der Welt, in dem Jesus nicht mit enthalten wäre. Und genauso gibt es keinen Teil der Lebenswelt, in dem die Kirche nicht irgendwie präsent sein kann. Und wenn wir in allen diesen Lebenswelten mit ihren vielen Facetten da sind, dann machen wir darin Jesus für die anderen Leute sichtbar. Wenn zwei oder drei Personen sich verbünden und beginnen, andere zu lieben, und meinetwegen einen Kurs für Fotografie anbieten, dann werden andere Leute uns Christen dabei sehen, und in uns können sie die Liebe Gottes sehen.

Was bedeutet das für die Kirche?

Theologen reden über die sichtbare und die unsichtbare Kirche und wenn sie über die unsichtbare Kirche reden, dann hört sich das manchmal so an, als ginge es um das Wirken von Gottes Heiligem Geist innerhalb der Kirche. Aber man kann das auch anders verstehen. Viele Christen leben verstreut ihr Alltagsleben, aber dabei handeln sie nicht koordiniert, sie lieben nicht gemeinsam, und damit sind sie unsichtbar. Die Kirche ist aber eben auch unsichtbare Kirche.

Wenn wir zusammenkommen und Liebe leben, Beziehungen zu anderen Menschen bauen, das Evangelium mit ihnen teilen, ihnen helfen, eine Gemeinschaft zu bilden und gemeinsam Gott zu feiern, dann wird eben diese unsichtbare Kirche des Alltagslebens sichtbar.

 

Wofür brauchen wir FFF — Fresh X For Future?

(lacht) Ja, das ist eine sehr gute Frage: Also, wir brauchen sie auf jeden Fall und das versuche ich ja verständlich zu machen, denn in der Fresh Expression For Future, in diesen kleinen christlichen Gemeinschaften, im alltäglichen Leute-Lieben, darin teilen wir das Evangelium. Und wenn jemandem der Einsatz für soziale Gerechtigkeit oder gegen den Klimawandel ein Herzensanliegen ist, dann kann eine kleine Gruppe von Christen mit diesem Anliegen sich mit anderen Christen zusammentun, die auch dieses Anliegen haben. Und dann kann man gemeinsam mehr fürs Klima tun. Wir hatten eine Kirche in Nordengland, die „Just Church“ (= „gerechte Kirche“).

Und wo?

In Bradford. Ich weiß gar nicht, ob es die noch gibt, aber jedenfalls haben sie als Teil ihrer Fürbitten Briefe an Amnesty International geschrieben. Und so kann es gehen, dass auch eine kleine Gemeinde ganz engagiert für soziale Gerechtigkeit oder gegen den Klimawandel arbeitet und dass das ein richtiger Schwerpunkt ihrer Arbeit ist, worüber sich die Leute zusammenfinden. Und das kann da entstehen, wo sich eine Gruppe von Christen mit diesem Anliegen mit anderen, „nichtkirchlichen” Leuten zusammentut – für ihre Aktionen, und dass sie mit ihnen zusammen eine Spiritualität erkunden, die diesem Einsatz für Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit ein Fundament gibt. Und wenn euch misshandelte Frauen oder Obdachlose oder psychisch Kranke am Herzen liegen, dann schaut, wie ihr mit ihnen in Kontakt treten könnt, zeigt ihnen eure Liebe auf praktische Art und baut Beziehung mit ihnen. Teilt mit ihnen das Evangelium und helft ihnen, da wo sie sind, so wie sie sind, eine gottesdienstliche Gemeinschaft zu haben. Wir haben auch Fresh Expressions bei Menschen mit psychischen Krankheiten. Und wenn ihr etwas mit jungen Menschen aufbauen wollt, dann tut genau das.

Was bedeutet das für die missionale Agenda?

Was auch immer auf eurer missionalen Agenda stehen mag, egal ob soziale Gerechtigkeit, Seelsorge, Klimaschutz, die Arbeitswelt, Gemeindewachstum, Evangelisation – einerlei, Fresh Expression unterstützt das. Fresh Expression will ein Möglichmacher der „Mission Impossible“ sein. Das kostbarste Geschenk, das die Kirche hat, ist doch das gemeinsame Leben mit Jesus in der Mitte. Das ist doch das Herz der kirchlichen Identität. Wenn wir also unser gemeinsames Leben mit Jesus in der Mitte mit anderen teilen, dann teilen wir das Wertvollste, was wir haben – das Herzstück unserer eigenen Identität. Und wenn wir ein wertvolles Geschenk teilen, dann zeigen wir ja der anderen Person damit unsere Liebe.

Vielen Dank für das Interview! 

Den ersten Teil des Interviews mit Dr. Michael Moynagh können Sie hier nachlesen. 


Ulrich Mang führte dieses Interview mit Dr. Michael Moynagh bei einer Tasse Tee in Oxford. Veröffentlicht wurde es zuerst im Ideenmagazin der Kirche, 3E. 3E erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört. 

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