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Klima-Experte warnt: „Ich fürchte, uns läuft die Zeit davon!“

Der Klima-Ökonom und engagierte Christ Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (56) im Interview mit unseren Kollegen vom Magazin lebenslust über Möglichkeiten, dem Klimawandel entgegenzuwirken und Verantwortung der Schöpfung gegenüber.

Herr Edenhofer, Sie waren zum Jahresbeginn auf ungeplanter Dienstreise. Was war das Ziel?

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Ottmar Edenhofer: Ich habe zwei Tage im Vatikan verbracht. Ich kann dazu nicht viel sagen, nur so viel: Es ging um die Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus und um Klimawandel.

Was müsste sich politisch ändern, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?

Die Preise für den Ausstoß von CO² müssen die soziale, die ökologische und die wirtschaftliche Wahrheit ausdrücken. Nur wenn die Preise steigen, zum Beispiel bei Kohlestrom, wird sich etwas ändern. Ethische Motive allein reichen meist nicht aus.

Das Thema „Kosten“ ist interessant: Sie sind Klima-Ökonom, also ein Mensch, der sagt: „Umsteuern rechnet sich“?

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Ja, Umsteuern ist auf jeden Fall billiger, als den gefährlichen Klimawandel in Kauf zu nehmen.

Und wie steuert man praktisch um?

Wir haben drei große Optionen. Erstens: den Ausbau der erneuerbaren Energien. Zweitens: eine Effizienz-Strategie. Unter dem Stichwort „Smart Home“ gibt es große Effizienz-Potenziale: Dass zum Beispiel automatisch das Licht ausgeschaltet wird, wenn niemand mehr im Raum ist. Und drittens: die sogenannten negativen Emissionen. Diese sollten der Atmosphäre wieder CO2 entziehen. Eine relativ simple Option sind Aufforstungsprogramme. Und das Portfolio der Technologien bietet viele weitere Möglichkeiten.

Ottmar Edenhofer (Thomas Trutschel/ photothek.net)

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Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren beruflich mit dem Thema Klimawandel. Wie ist es zu Ihrem „Herzensanliegen“ geworden?

Hätten Sie mich vor 25 Jahren gefragt, ob ich Klima-Ökonom werden will, hätte ich wahrscheinlich Nein gesagt. Als ich dann meine Doktorarbeit abgeschlossen hatte, bekam ich das Angebot, am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu beginnen. Und je mehr ich mich dort wissenschaftlich mit diesem Thema beschäftigt habe – und je mehr ich gesehen habe, dass wir mit dem Klimawandel irreversible Prozesse auslösen –, desto stärker war ich davon überzeugt, dass man hier umsteuern muss! Ich habe früh kapiert, dass es sich hier nicht etwa um lokale Umweltprobleme handelt.

Sind Sie nicht manchmal frustriert, weil Sie etwas bewegen möchten, aber nur so wenige ziehen mit?

Ja, schon. Mir geht alles viel zu langsam! Allerdings: Noch im Jahr 2000 hat kaum jemand vom Klimawandel Notiz genommen. Nun habe ich im letzten Jahr zusammen mit dem Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und einem Kollegen einen Bericht zur CO²-Bepreisung veröffentlicht. Daraufhin hat die Weltbank deutlich gemacht: Wir werden keine Kohlekraftwerke mehr finanzieren. Ich finde es motivierend, dass es gelungen ist, dieses Thema in großen internationalen Organisationen zu verankern. Als ich 2008 im Vatikan das erste Mal Beratungsgespräche geführt habe, war die Reaktion auf das Stichwort Klimawandel geradezu feindlich! Und wenige Jahre später schreibt der Papst eine Umwelt-Enzyklika. Ich habe ihn mehrmals in der Frage beraten. Also: Wir haben eine Wirkung! Es geht aber alles zu langsam voran. Und ich fürchte, uns läuft die Zeit davon.

Sie haben vom Papst gesprochen. Ist aus Ihrer Sicht Klimaschutz auch eine christliche Frage oder vielleicht sogar gerade eine christliche Frage?

Ich denke, für uns Christen ist das Entscheidende, dass es eine Schöpfung gibt, die nicht wir gemacht haben. Trotzdem heißt das auch, dass wir für die Schöpfung eine Verantwortung tragen. Der Papst spricht in seiner Enzyklika davon, dass wir nicht aus Blindheit, Gier oder Verantwortungslosigkeit unser „gemeinsames Haus“ ruinieren dürfen. Er mahnt mit Recht: Wir könnten als die verantwortungsloseste Generation in die Geschichte eingehen! Dagegen hoffe ich, dass wir die Generation werden, der es gelingt, das Steuer noch einmal herumzureißen.

Wo sehen Sie denn bei den Kirchen besondere Chancen, wo können gerade Kirche und Christen etwas beitragen zum Klimaschutz?

Viele verbinden Klima- und Umweltschutz mit der Vorstellung: „Wir müssen gucken, dass der Müll weggeräumt ist.“ Aber es geht nicht bloß um Müll, es geht um die Gestaltung des ganzen „Hauses“, aller Menschen. Um das Zusammenleben. Wir brauchen für dieses „gemeinsame Haus“ eine gemeinsame Vorstellung davon, was Gerechtigkeit bedeutet. Klimaschutz betrifft zentrale Werte und Bezugspunkte für Christen: „Wie ist unser Verhältnis zu Gott?“, „Wie das Verhältnis zum Nächsten?“, „Wie wollen wir eigentlich leben? Wie mit Mitgeschöpfen umgehen?“ Wir müssen begreifen, dass wir die Grundfesten, die Beziehungen der Menschen im Haus erneuern müssen.

Im Frühjahr wirken Sie mit bei der „proChrist“-Veranstaltung. Sie haben die Grundhaltung erwähnt: Die göttliche Schöpfung ist uns Menschen anvertraut. Welche Gedanken möchten Sie den Menschen vermitteln?

Klimaschutz ist nicht etwas, das man tun, aber auch lassen kann, sondern eine ganz zentrale Aufgabe. Ich glaube, Christen haben heute eigentlich zwei simple Aufgaben, oder vielleicht drei. Die erste: Christen betonen, dass alle Menschen die gleiche Würde haben, weil wir alle Kinder Gottes sind. Das zweite Thema: die Beziehungen zwischen Menschen. Man kann sie nur sinnvoll denken, wenn man wirklich die Auffassung teilt – und lebt: Wir stehen alle in dem gleichen Verhältnis zu dem einen Gott. Daran schließt sich an: Die Beziehung zwischen Menschen lässt sich nur unter Berücksichtigung der Schöpfung, der Natur richtig ordnen. Wir können uns nicht als Menschen von der Natur abkoppeln. Diese gesamtheitliche Sicht muss im Zentrum stehen. Das zu vermitteln, scheint mir eine wichtige Aufgabe.

Wir kommen gerade aus dem „Lutherjahr“. Martin Luther wird das Zitat zugeschrieben: „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Was würden Sie dann noch machen?

(überlegt) Ich weiß es nicht genau. Vielleicht würde ich in der Verzweiflung auch einen Apfelbaum pflanzen. Aber ich würde noch eher beten, glaube ich.

Und was?

(lacht) Wenn morgen wirklich die Welt unterginge, würde ich um Gnade und Vergebung bitten. Denn im christlichen Glauben geht es wesentlich um Versöhnung: zwischen Menschen, aber auch zwischen Gott und Mensch. Aber weil ich glaube, dass Gott mit uns einen Heilsplan hat, bin ich relativ sicher, dass morgen die Welt nicht untergeht; dass wir eine Chance haben, uns als verantwortungsbewusst zu erweisen. Und ich glaube, wir haben auf dieser Welt noch einige Aufgaben vor uns. Und beten können wir ja trotzdem. Nicht trotzdem! Sondern das ist die unbedingte Voraussetzung für alles andere.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Lydia Rieß, Jörg Podworny


Bild: Thomas Trutschel/ photothek.net

Der Klima-Ökonom Prof. Dr. Ottmar Edenhofer (56) leitet das „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ in Berlin, hat den Papst, die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission in Klimafragen beraten. Er war im Führungskreis des Weltklimarats. Und: Vor seiner Karriere als Wirtschaftswissenschaftler hat er katholische Theologie studiert und war Mitglied des Jesuitenordens. Im März diesen Jahres ist er an der christlichen Großveranstaltung „proChrist“ beteiligt.

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