Landesbischof Meister: Kirche soll am Mittwoch tun, was sie am Sonntag sagt

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Die nicht abreißenden Flüchtlingsströme bescheren den Kirchen zahlreiche Menschen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Was das für die Kirche bedeutet und welche Chancen dies für die Zukunft eröffnet, hat Welt-Redakteur Matthias Kamann beleuchtet.

Etwa 200.000 Menschen engagieren sich mittlerweile in der Flüchtlingshilfe: sie lernen mit den Flüchtlingen Deutsch, richten Räume für sie her oder unterstützen sie bei Behördengängen. Dies hilft vielen Gemeinden und ihren Mitgliedern, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Für den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister ist das große Plus der Kirche „eine gemeinsame Grundüberzeugung von der Notwendigkeit Gemeinwohl orientierter Arbeit“. Die Gemeinden hätten intakte Netzwerke, Räume und im besten Fall die Hilfe durch Hauptamtliche.

Anlaufstelle, ohne gleich Glaubensbekenntnisse abzulegen

Auch bisher konnte sich die Kirche auf eine Vielzahl von Ehrenamtlichen verlassen. Bisher fand die Arbeit meistens im engeren kirchlichen Rahmen statt und beschränkte sich auf Besuchsdienste oder die Arbeit mit gemeindeeigenen Kindern. Laut einer Umfrage der Fachhochschule Bochum hatte nur ein Viertel der befragten Gemeinden „Nachbarschaftshilfe“ für Kirchenferne angeboten. „Dabei können Gemeinden nur dann wachsen, wenn sie zu Anlaufstellen für Normalbürger werden, die Sinnvolles und Gutes tun wollen, ohne gleich Glaubensbekenntnisse abzulegen“, schreibt Kamann.

Viele Menschen erwarteten von der Kirche soziales Engagement. Häufig werde dieses von den professionellen Wohlfahrtsverbänden betrieben und finanziert und so gar nicht mehr mit der kirchlichen Basis und dem Gemeindealltag assoziiert. Im Zuge der Flüchtlingskrise gelinge das Zusammenspiel zwischen professionellen Wohlfahrtsverbänden und den Ehrenamtlichen wieder besser.

Zeugnis für den Glauben

„Kirche wird daran gemessen, dass sie am Mittwoch tut, was sie am Sonntag sagt“, zitiert die Welt den Präsidenten der Diakonie in Deutschland, Ulrich Lilie. Kirche müsse ein Zeugnis für den Glauben sein und „dies die Menschen auch spüren“. Auch Behinderte sollten nicht vorrangig in großen Einrichtungen leben, sondern in dezentralen Wohngruppen auf dem Gemeindegebiet. Hier könnte Kirche ihr soziales Profil schärfen: „Damit wird für die Menschen vor Ort konkret erfahrbar, wofür es die Kirche gibt und was sie an ihr haben.“

Für die Flüchtlingshilfe sei das Zusammenspiel von professionellen diakonischen Mitarbeitern und den Ehrenamtlichen an der Basis unverzichtbar. Die Profis sind aus der Sicht von Ralf Meister deswegen so unverzichtbar, weil keiner wisse, wie stabil das Engagement der Ehrenamtlichen auf Dauer sei.