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Managermethoden: Pfarrerauslese in Hessen-Nassau ist umstritten

Mit Persönlichkeitstests versucht die hessen-nassauische Landeskirche herauszufinden, ob Theologiestudenten für das Pfarramt geeignet sind. Gegen das aus der Welt der Wirtschaft abgeschaute Verfahren gibt es allerdings erhebliche Vorbehalte.

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Sie müssen einen fiktiven Konflikt schlichten, unter Zeitdruck einen Haufen von Aufgaben auf die jeweils zuständigen Mitarbeiter verteilen und stehen dabei zwei Tage lang permanent unter Beobachtung: Wer Pfarrer in der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN) werden will, muss zuvor nachweisen, dass er oder sie auch als Persönlichkeit dafür infrage kommt. Das Verfahren ist bei vielen Theologiestudenten in Mainz, Marburg oder Frankfurt umstritten und teils gefürchtet. Zehn Jahre nach der Einführung hat die Kirche nun eine Evaluation der sogenannten Potenzialanalyse angekündigt.

 Bei der jüngsten Runde im Sommer 2013 bescheinigten die Assessoren immerhin einem Viertel der angehenden Theologen, nämlich vier von 16, sie seien nicht für das Pfarramt geeignet. Die Landeskirche hält das für einen extremen Ausreißer: Bislang seien von insgesamt 250 Kandidaten nur 30 beim ersten und nur drei auch beim zweiten Anlauf nicht erfolgreich gewesen.

 In der Kritik stehen sowohl der Zeitpunkt der Potenzialanalyse ganz am Ende des Studiums, als auch die für Außenstehende schwer nachvollziehbaren Bewertungskriterien. Außerdem bestehen grundsätzliche Vorbehalte dagegen, dass die Kirche sich wie ein gewöhnlicher Wirtschaftskonzern verhält. Sie sei noch immer erschrocken darüber, wie emotionslos die Kirche mit Menschen umgehe, heißt es im "Brandbrief" einer Studentin an das Landeskirchenamt, der dem Evangelischen Pressedienst vorliegt: "Ich selbst kann sagen, dass ich mich verraten fühle."

 Einzelne Teilnehmer berichten von intimen und "grenzüberschreitenden" persönlichen Fragen. "Der Druck, in jeder Übung alles zu geben und sich als möglichst pfarrkompatibel zu präsentieren, war so groß, dass ich in keiner Nacht länger als zwei Stunden schlafen konnte und mich körperlich immer schlechter fühlte", beschreibt eine andere – erfolgreiche -Teilnehmerin ihre Erfahrungen.
 Das theologische Examen an der Universität sei viel anstrengender gewesen als die Potenzialanalyse, meint hingegen der junge Hachenburger Pfarrer Benjamin Schiwietz. Für die Potenzialanalyse trainieren könne man ohnehin kaum: «Einige haben es mit einem Vorbereitungskurs für Wirtschaftsjobs versucht und sind richtig auf die Nase gefallen.» An der Aussagekraft der Übungen habe aber auch er seine Zweifel.

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 Dass für Seelsorge und die Leitung einer Gemeinde außer der Examensnote auch andere Qualitäten wichtig sind, wird ernsthaft von niemandem bestritten. 1997, in einer Zeit, in der es viel mehr Nachwuchstheologen als freie Stellen gab, führte die EKHN ein Assessment Center für angehende Vikare ein. Später wurde das Verfahren in Potenzialanalyse umbenannt.

 Seither geht es nicht mehr darum, die besten Kandidaten auszusieben. "Die Kirche freut sich, wenn möglichst alle Bewerber und Bewerberinnen für das Pfarramt geeignet sind", versichert der für das Theologiestudium zuständige Darmstädter Oberkirchenrat Jens Böhm.

 Am Ende der Potentialanalyse erhalten alle Teilnehmer ein Stärkenprofil, in dem Bereiche wie Teamfähigkeit, Belastbarkeit oder die "Fähigkeit zur glaubwürdigen Vertretung des eigenen Zeugnissen des christlichen Glaubens" mit Werten zwischen 1 und 9 benotet werden. Ein Durchschnitt von 5,0 Punkten ist nötig, um ein Vikariat und damit den praktischen Teil der Ausbildung zu beginnen. "Die Kriterien sind in allen Kirchen der EKD vergleichbar, es unterscheiden sich aber die Verfahren", sagt Böhm.

 Andere Landeskirchen schieben die Beurteilung der Pfarramts-Anwärter auf das Ende des Vikariats. Im pfälzischen Landeskirchenrat hält man das Vorgehen der EKHN für "eine merkwürdige Methode", dort ist vor dem Vikariat lediglich ein Gespräch der Kandidaten mit dem Kirchenpräsidenten vorgesehen. In der bayerischen Landeskirche wiederum existiert ein studienbegleitendes Mentorenprogramm, das auch der hessen-nassauische Studierendenrat für vorbildlich hält. Dieses Modell hat allerdings den Haken, dass Bayern derzeit im Gegensatz zur EKHN nur Landeskinder zu Vikaren macht.

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(Quelle: epd)

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