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„Gebet der Hände“: Geigenbauer Martin Schleske begegnet Gott im Klang

Aus aller Welt reisen Geiger nach Landsberg am Lech, um ein Instrument von Martin Schleske zu erstehen. Wie kaum ein anderer verbindet der Geigenbauer und Physikingenieur Glaube, Handwerk und Wissenschaft – auf der Suche nach dem vollkommenen Klang.

Ein dumpfer Duft von Holz hängt im Erdgeschoss des über 700 Jahre alten Hauses. Hinter der schaufensterähnlichen Scheibe posieren Geigen unter drei Glasglocken. Den Blick aber zieht unweigerlich ein Regal an der Rückwand des Raumes auf sich, in dem sich Holzstück an Holzstück reiht. Es sind Hunderte. Hier lagern einige der besten Klanghölzer der Welt, geschlagen aus „Sängerstämmen“.

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Es gibt nur einen Ort in Südtirol, an dem die Bäume stehen, die gut genug sind für die Instrumente aus diesem Haus: 50 Meter hohe Bergfichten, die an der Baumgrenze auf 1.800 Höhenmeter wachsen und einem rauen Klima trotzen. Doch selbst dort haben nur ein bis zwei von tausend Bäumen das Potenzial, eine Weltklasse-Geige hervorzubringen. Mehrmals im Jahr macht sich Geigenbauer Martin Schleske auf den Weg zu spezialisierten Holzhändlern der Gegend, um neue Rohdiamanten zu finden. Der 52-Jährige prüft 3.000 Hölzer auf ihren Klang, ihre Beschaffenheit, ihre Schallgeschwindigkeit, um dann vielleicht fünf für seine Arbeit auszuwählen.

Frühe Leidenschaft

Bereits mit sieben Jahren nahm Schleske die Geige regelmäßig zur Hand. Sein Lehrer hatte unter Herbert von Karajan und bei den Berliner Symphonikern als Solobratscher gespielt, bis ein Handbruch die Karriere beendete und er Dorfmusikschullehrer wurde. Ein Glücksfall für Martin Schleske. Von ihm lernte er Leidenschaft, Ehrfurcht und Wertschätzung gegenüber Klang und Musik.

Die Werkstatt

Auf einer großen gusseisernen Werkbank liegt im Licht einer alten OP-Lampe die Bratsche eines spanischen Geigers zur Inspektion. Bratschen baut Schleske nur selten, ab und zu auch mal ein Cello. Insgesamt haben bis heute über 250 Instrumente sein Atelier verlassen, in jedem stecken rund 200 Stunden Arbeit. Hier im ersten Stock gewinnt das Holz an Kontur. Schleskes Hand führt selbstgefertigte Wölbungshobel, Stemm- und Abstecheisen, Ziehklingen, Sägen, Bohrer, Zirkel sowie Feilen in allen Größen.

„Diese Art von Gottesbegegnung im Klang ist für mich die tiefste Form von Anbetung“

Zehntelmillimeter sind entscheidend für den Klang des Instruments. Unablässig ist es darum für Schleske, auf das Holz buchstäblich zu hören – „den freien Klang, das Rauschen, das Mächtige“. So gewinnt er einen Eindruck von der Klangbeschaffenheit. Stille ist darum oberstes Gebot in der Geigenwerkstatt.

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Von der unnachahmlichen Handschrift des Geigenbauers schwärmen weltweit renommierte Sologeiger in den höchsten Tönen: „Ich hatte mein ganzes Leben mit den berühmtesten Violinen von Stradivari bis Montagnana, Guadagnini und Guarneri zu tun! Aber was Sie da in einer vollkommenen Harmonie von Handwerk, Wissenschaft und dem Wesentlichsten, nämlich dem künstlerischen Wesen, geschaffen haben, ist für mich neu, noch nie da gewesen!“, sagt beispielsweise Mathias A. Freund, 1. Violine der Münchner Philharmoniker.

Handwerk statt Kopfarbeit

Der Weg zu dieser Exzellenz an Klang war ein Stück weit Rebellion. Der Vater Professor, die Mutter Lehrerin, war der Zehntklässler des verkopften Lebens seiner Familie müde und brach kurzerhand das Gymnasium ab, um sich für eine Ausbildung zum Geigenbauer zu bewerben. Nicht besonders aussichtsreich bei einer Bewerberzahl von 1.200 Leuten auf gerade einmal zwölf Plätze. Schleske schaffte es dennoch. Allerdings konnte ihm die Fragen, die ihm im Laufe der Ausbildung kamen, niemand beantworten: Wie baut man bessere Geigen als Stradivari? Und wenn das nicht möglich ist – warum nicht? Diese Fragen ließen dem jungen Mann keine Ruhe, sodass er das Abitur nachholte und Physik studierte. Schleske nutzte zudem die Gelegenheit, sechs Jahre lang im Akustikinstitut eines renommierten Klangforschers mitzuarbeiten, bevor er 1996 sein eigenes Meisteratelier für Geigenbau eröffnete.

Das Labor

Das Labor im zweiten Stock ist eingehüllt in eine dominante Wärme. Im Scheinwerferlicht von Wärmelampen drehen sich drei Geigen. Die Instrumente hängen hier Stunden oder sogar Tage zum Trocknen. Bis zu 15 Anstriche erhält eine Geige. Zahlreiche Apothekerfläschchen mit leicht vergilbten Etiketten stehen im Raum verteilt, gefüllt mit Lackharzen und anderen Chemikalien. Nachdem er über Jahre hinweg rund 300 verschiedene Rezepturen getestet hat, hat Schleske inzwischen seine perfekte Lackmischung gefunden – nach einem alten Rezept aus Myrrhe, Bernstein und Matrixharz. Beherzt betupft er eine Geige mit einem großen Rundpinsel. Die Kreisbewegung entlockt dem Korpus einen Klang, der an den eines Jazzbesens auf einer Snare erinnert, nur etwas hölzerner.

In dem Labor stehen aber auch Messinstrumente, etwa ein Oszilloskop, für Analysen bereit. In der Mitte des Raums hat Schleske eine Vorrichtung konstruiert, mit deren Hilfe er die Resonanzprofile der Geigen mit eigens entwickelten Computerprogrammen misst. Die Innovationsfreude, das Handwerk mit der Wissenschaft zu verbinden, stößt allerdings beim Verband Deutscher Geigenbauer und Bogenmacher auf deutliche Vorbehalte. „Es ist absurd, zu meinen, dass durch die Physik ersetzt werden könnte, was der Intuition vorbehalten ist und was Klang bedeutet“, hält Schleske den Kritikern entgegen. „Durch die Forschung ist meine Ehrfurcht vor dem Klang sogar gestiegen.“

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Der Klangraum

Eine Treppe führt hinauf ins offene Dachgeschoss. Wenn ein Instrument alle 150 Arbeitsschritte durchlaufen hat, wird es hier erstmals zum Klingen gebracht – durch den Meister selbst. „Es ist ein aufregender Moment, beinahe wie Geburtswehen“, sagt Schleske. „Ob es ein großes Glück wird oder eine Enttäuschung, ist vorher nie ganz klar. Aber wenn das Instrument gut ist, kann ich oft nicht mehr aufhören zu spielen – es macht süchtig.“

Wer eine Schleske-Geige sein Eigen nennen möchte, muss zuerst einmal nach Landsberg reisen und hier unter den freiliegenden Dachbalken vorspielen. Denn Martin Schleske bietet seine Instrumente nicht frei zum Verkauf an, er vergibt auch keine festen Zusagen für Aufträge. Aus dem Spiel des Musikers liest er vieles vom Charakter seiner Kunden, um zu entscheiden, welcher Interessent wirklich der richtige für ein Instrument ist. Im besten Fall soll das geschehen, was ihm eine Geigerin aus Frankfurt neulich schrieb: Es sei unbeschreiblich, welche persönliche Entwicklung sie durch den Klang des Instruments erlebe. Sie höre in ihm nicht nur ihre eigene, sondern sogar die Stimme Gottes. „Diese Art von Gottesbegegnung im Klang ist für mich die tiefste Form von Anbetung“, sagt Schleske.

Das Schreibatelier

Überhaupt sieht Schleske seine Arbeit am Instrument als „Gebet der Hände“. Spiritualität und Schaffen gehören für ihn untrennbar zusammen. Und Schaffen bedeutet bei Schleske auch Schreiben.

Auf einem Schreibtisch im Dachgeschoss liegt ein kleines Notizbuch. Hierin hält der Geigenbauer fast täglich Gedanken fest, die ihm bei der stillen Arbeit am Instrument kommen. „Es ist ein hörendes Schreiben, bei dem ich manchmal stocke, wenn nur noch Worte kommen wollen, die ich mir ausgedacht habe“, erläutert Schleske. „Dann sitze ich einfach und warte, was geschehen wird. Das ist die innigste Art zu beten.“ In mehreren Büchern hat Schleske Teile seiner spirituell- philosophischen Gedanken veröffentlicht – und landete damit auf der Bestsellerliste des „Spiegel“.

Von Zeit zu Zeit steigt Schleske vom Dachgeschoss noch eine gusseiserne Leiter empor, um in einer winzigen Gebetskammer in der Spitze des Giebels in die Stille einzutauchen und zu beten. Hier stehen eine Holzliege – nicht zu bequem, damit man es sich darauf nicht zu gemütlich macht – und ein kleines Gebetsbänkchen aus Burkina Faso.

Ein unablässig Suchender

Ruhe und Leidenschaft treiben Martin Schleske an auf seiner Suche nach dem vollkommenen Klang. Zufrieden gibt er sich nie. Doch er strebt nicht nach Perfektion, denn: „Der Perfektionist nimmt den Dingen das Leben, weil er es ihnen nicht erlaubt, zu wachsen.“ Schleske will sich vielmehr mit jedem neuen Instrument weiterentwickeln. Sein ehrgeiziger Charakter spiegelt sich auch in seinen Instrumenten wider. Sie hätten Tiefe und Ernsthaftigkeit, aber auch eine große Strahlkraft, so Schleske. Letztlich seien es Instrumente, die viel fordern und vor denen man auch Angst bekommen könnte. „Meine Geigen sind wie wilde Tiere, die man bändigen muss. Wer ein Hauskätzchen sucht, der ist bei mir falsch.“

Von Simon Jahn, Chefredakteur des gomagazins

Homepage: Mehr über Martin Schleske


Dieser Artikel ist im gomagazin und im Männermagazin MOVO erschienen. MOVO gehört wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag.

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