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Uwe Heimowski: Mehr Anstand, bitte!

Kritik – ja, Beleidigungen – nein. Uwe Heimowski plädiert für eine wertschätzendere Diskussionskultur. Gerade unter Christen.

Zweimal im Jahr spreche ich Radioandachten beim MDR. Beim letzten Mal ging ich der Frage nach, ob man noch Urlaub auf einer griechischen Insel machen könne, wenn man an das Leid der Flüchtlinge denkt. Ich selber war erst auf Lesbos, um das Lager Moria zu besuchen, und dann im Familienurlaub auf Rhodos. Meine Feststellung: Es geht, und zwar gerade darum, weil ich es jedem anderen Menschen auch gönne, Urlaub zu machen, und weil es ja niemandem dadurch besser geht, dass wir nicht auch private Familienzeit genießen.

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Der Ton macht die Musik

Am nächsten Tag bekam ich diese E-Mail:

„Herr Pfarrer, erstens handelt es sich in Moria nicht um Flüchtlinge und man kann ihnen deshalb auch nicht sofort beheizte Hotels bauen. Anstelle unrealistische Dinge zu predigen, sollte Ihre Kirche davon ausgehen, dass Europa nicht die ganze Welt aufnehmen kann. Selbst der liebe Gott kann Ihre Vorstellungen da nicht erfüllen. Die Menschen, die den Versuch der illegalen Grenzüberschreitung unternehmen und teils noch in betrügerischer Absicht ohne Papiere kommen, wissen genau, dass sie ein Risiko für Leib und Leben eingehen. Wenn man sie dann noch aufnimmt und nicht zurückschickt, ist das schon eine humane Geste. Wenn man dann aber seine Unterkunft anzündet, um einen Weg auf das Festland und nach Deutschland zu erpressen, ist das eine Unverschämtheit. Predigen Sie Ihren Mist ruhig weiter, die Menschen hier sind zwar christlich, aber nicht blöd.“ 

Ich frage mich: Was passiert mit uns? Meine Sicht der Dinge muss der Schreiber nicht teilen. Zum Glück nicht. In Deutschland gibt es Meinungsfreiheit. Und die Frage danach, wie viele Flüchtlinge wir aufnehmen (können), ist politisch sehr umstritten. Bundespräsident Joachim Gauck hat dafür den Satz formuliert: „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Das war zwar gar nicht mein Thema, aber es hat wohl die Wortkombination „Flüchtling“ und „Moria“ gereicht, um den Schreiber auf die Palme zu bringen. Doch die eigentliche Frage, die mich umtreibt: Wieso meint dieser Mann, mich beschimpfen zu dürfen? Er kann mich kritisieren, jederzeit. Aber beleidigen? Freunde, so geht es nicht. Wir brauchen eine Wende zu mehr Anstand und zu einer neuen Debattenkultur, und dabei geht es nicht um mich persönlich, sondern um den generellen Umgang miteinander, im Besonderen gegenüber Verantwortungsträgern und Personen des öffentlichen Lebens.

Kein Nachplappern unbelegter Thesen

Mit einem zweiten Beispiel möchte ich zeigen, wie man es besser machen kann. Bei der Konferenz „Mut 2020“ hielt ich den Vortrag „So funktioniert Politik tatsächlich“. Hinterher wurden Fragen gestellt:

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„Sie loben den deutschen Staat sehr – müssen Sie wahrscheinlich. Aber dass wir gerade alle veräppelt werden und Corona nur als Vorwand genutzt wird, um eine Einheitsregierung zu etablieren, völlige Kontrolle einzuführen und die Maske das Sinnbild für den Maulkorb ist, der allen Deutschen von diesem Staat verpasst wird – das haben Sie nicht erwähnt. Haben Sie es bewusst verschwiegen oder einfach vergessen zu erwähnen?“ 

Meine Antwort: Solche Fragen kriegen Bundestagsabgeordnete, besonders die Christen im Bundestag, im Moment tausendfach. Die Christen, die solche E-Mails dorthin schicken – einfach kopiert von anderen –, brauchen zwei Sekunden, um die E-Mail weiterzuleiten, blockieren aber die Arbeit der Büros im Bundestag, die in Corona-Zeiten ohnehin nicht voll besetzt sind. Wenn Sie also wollen, dass Christen in der Politik eine gute Arbeit machen, hören Sie damit auf.

Zweitens, das hier sind ja keine Fragen, sondern Unterstellungen. Die erste Unterstellung ist: Ich würde den Staat loben müssen. Aber warum sollte ich das müssen? Ich bin ja nicht vom Bundestag bezahlt, sondern von Spendern. Und wenn ich jetzt andererseits nur das sagen würde, was die Spender fordern, dann wäre ich korrupt. Und korrupt zu sein – das geht gar nicht für einen Christen. Ist Ihnen bewusst, dass Sie gerade eben eine solch bösartige Unterstellung gegen mich geäußert haben? Das Zweite ist die Behauptung, es gäbe irgendwo eine Einheitsregierung. Das können Sie ja so sehen: Aber dass es klar wäre und für jeden offensichtlich und ich es bewusst und mutwillig verschwiegen hätte, ist eine Unterstellung. Damit wäre ich also nicht nur korrupt, sondern auch noch ein Lügner.

Ist das wirklich das, was Sie sagen wollen? Stellen Sie sich vor, die Frage hätte so gelautet:

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„Sehr geehrter Herr Heimowski, Sie sind ja als unabhängiger Beobachter beim Bundestag. Mir macht Corona gerade ganz große Mühe und ich habe das Gefühl, dass ich auf der Ebene von Weltgesundheitsbehörde und anderen Organisationen die Zusammenhänge nicht verstehe. In der Bibel steht ja was davon, dass es mal eine Einheitsregierung geben wird. Sehen Sie Anzeichen davon? Es macht mir wirklich Sorge, vielleicht können Sie mir weiterhelfen?

Dann wäre das eine ganz gute, vernünftige, nachvollziehbare Frage, und ich hätte Ihnen folgende Antwort gegeben:

„Ich kann Ihre Sorge verstehen, kann das aber so nicht erkennen. Wenn ich sehe, wie weltweit mit der Corona-Pandemie umgegangen wird, wild und unabgestimmt, dann kann man eigentlich nicht den Eindruck haben, dass da gerade eine konzertierte Aktion am Werk ist.“

Bitte mehr Wertschätzung

Wie wäre es, wenn wir zukünftig weniger unreflektierte Texte kopieren und weitersenden, sondern wertschätzend nachfragen, unseren Politikerinnen und Politikern gute Motive unterstellen und für sie in ihren herausfordernden Jobs beten?

Uwe Heimowski ist Beauftragter der Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung.


Diesen Artikel ist zuerst im Magazin MOVO erschienen. Das Männermagazin erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört. 

 

 

 

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