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Mordprozess: Heilungsgebet auf der Anklagebank

Ein ungewöhnlicher Mordprozess, der zurzeit am Limburger Landgericht verhandelt wird, wirft Fragen nach dem angemessenen Zusammenwirken von Seelsorge und Psychiatrie auf. Konkret geht es darum, inwieweit Christen darauf vertrauen dürfen, dass psychische Erkrankungen allein durch Gebet geheilt werden können.

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Das Gericht befasst sich mit einer Bluttat, die sich am 6. April in Herborn zugetragen hat. Ein 39-jähriger Mann hatte sich auf Geheiß einer inneren Stimme, die ihm einredete, er sei Jesus Christus, nackt ausgezogen und einen 67-jährigen Pförtner des Rittal-Werkes mit einem Feuerlöscher erschlagen. Der Täter wurde bald darauf festgenommen und in die Psychiatrie eingeliefert. In den Monaten vor der Tat stand er in Kontakt mit dem Christlichen Zentrum Herborn (CZH) – einer Gemeinde im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) – sowie dem christlichen Verein "Heilungsgebet" in Wetzlar, der Fürbitte für Kranke leistet. In der pfingstkirchlichen und der charismatischen Bewegung werden übernatürliche Gaben des Heiligen Geistes wie etwa Prophetie und Krankenheilung praktiziert.

Tragen Beter eine Mitschuld?

Ein Verantwortlicher aus dem CZH wurde als Zeuge vor Gericht geladen. Richterin Katrin Walter fragte ihn unter anderem, ob nicht zu bemerken gewesen sei, dass der Angeklagte unter Schizophrenie leide, und ob sich die Gemeindeverantwortlichen mitschuldig fühlten, weil sie den Betroffenen nicht an einen Psychiater verwiesen hätten. Man habe für ihn gebetet und ihm unter anderem geraten, der Stimme Satans keinesfalls zu folgen, erklärte der Zeuge. Die Richterin zeigte sich erschüttert, dass medizinische Laien so handeln.

Psychiater: Psychologische Schulung nötig

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Der Chefarzt für Psychotherapie und Psychosomatik an der Klinik Hohe Mark, Martin Grabe, sagte auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, es sei zwar immer richtig, für Menschen zu beten. Wenn aber Psychosen zutage träten, sei es blauäugig und unverantwortlich, ohne psychologische Kompetenz Seelsorge zu üben. Hier seien entsprechende Schulungen unbedingt erforderlich. Nötig sei ferner die "Gabe der Geisterunterscheidung". Eine Heilung von psychischen Erkrankungen durch Gebet schließt Grabe zwar nicht aus, aber ein solches "Wunder" sei immer die große Ausnahme. In charismatischen Kreisen bestehe die Gefahr, dass Wunder zur Norm erklärt würden.

BFP: Verzicht auf Psychiatrie unverantwortlich

Der Vizepräses des BFP, Frank Uphoff, betonte gegenüber idea, dass seine Freikirche zwar einerseits dem Gebet einen hohen Stellenwert einräume und auch mit dem übernatürlichen Wirken Gottes rechne; andererseits sei es in der Seelsorge an psychisch gestörten Menschen unerlässlich, Fachkompetenz in Anspruch zu nehmen. Er halte es für unverantwortlich, etwa bei religiösem Wahn auf psychiatrische Behandlung zu verzichten. Die Schwierigkeit bestehe darin, diese Störungen richtig einzuschätzen. Im BFP arbeite man eng mit Fachkliniken wie etwa Hohe Mark oder de’Ignis zusammen. Auch bei der Ausbildung von ehrenamtlichen Gemeindeseelsorgern greife man auf Fachleute aus der Psychiatrie zurück. In München könnten die BFP-Gemeinden ferner ein Netzwerk von Fachberatern nutzen. Zum BFP gehören 785 Gemeinden mit rund 49.000 Mitgliedern.

Psychologieprofessor: Seelsorge und Medizin gehören zusammen

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Ähnlich wie Grabe und Uphoff äußerte sich der Dozent für Psychologie und Beratung an der Internationalen Hochschule Liebenzell, Prof. Ulrich Giesekus. Gegenüber idea warnte er vor Heilungsversprechen allein durch Gebet, besonders wenn eine medizinische Behandlung, etwa durch Medikamente, als Zeichen des Unglaubens abgelehnt werde. Aus theologischer Sicht müsse man zwischen Transzendenz und Schöpfung unterscheiden, "und der Gehirnstoffwechsel gehört eindeutig zur Schöpfung". Es könne deshalb tragischen Folgen haben, etwa Suizidversuche, wenn man psychisch Kranken rate, auf Medikamente zu verzichten. In einem biblisch ganzheitlichen Ansatz gehörten Seelsorge und medizinische Behandlung gleichberechtigt zusammen, so Giesekus.

(Quelle: Idea.de)

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