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Maria bestätigt: Ich war noch Jungfrau!

Niemand war näher an der Geburt Jesu dran als seine Mutter Maria. In einem fiktiven Gespräch äußert sie sich dazu, ob die Weihnachtsgeschichte wirklich so passiert ist, wie sie in der Bibel steht – oder nicht.

Der Schweizer Journalist und Satiriker Willi Näf führt in seinem Buch „Seit ich tot bin, kann ich damit leben“ fiktive Gespräche mit bereits verstorbenen Persönlichkeiten, darunter Winston Churchill und Lutz Baumgartner, dem Henker Dietrich Bonhoeffers. Vor jedem Gespräch steht ein nicht-fiktives Porträt der jeweiligen Person. Hier ein gekürzter und leicht redaktionell bearbeiteter Auszug des Gesprächs mit Maria, der Mutter Jesu:

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Heilige Mutter Gottes, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklär …

… du liebe Güte. Ich heiße Maria, und du darfst mich duzen. Bist du katholisch?

Nein, nur höflich.

Gut, das weiß ich zu schätzen. Respekt habe ich durchaus verdient, wie jede Mutter. Und wie jede Frau, jeder Mensch und jedes Geschöpf. Aber die Marienverehrung darfst du den Orthodoxen und Katholiken überlassen. Sie ist nicht so meins, auch wenn ich Verständnis habe.

Für die Marienverehrung?

Ja. Menschenkinder brauchen Mütter, aber das Christentum bietet ja keine. Gott, Jesus, Jünger, Priester, Patriarchen, Päpste, alles Männer. Furchtbar.

Wen wundert’s, dass die Leute irgendwann begonnen haben, sich an mich zu wenden, es gibt in Gottes Namen Dinge, die man lieber einer Frau anvertraut. So verkörpere nun eben ich Gottes mütterliche Seite. Das ist ja eigentlich schön, Mutter war ich immer gern.

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Wenn ich bei diesem Thema grad einhaken dürfte: Wir feiern ja jedes Jahr wieder die Geburt deines Sohnes.

Mit einem Weihnachtsbraten.

Höre ich da leise Ironie?

Was gibt’s denn jeweils bei euch daheim?

„Wer wie ich der Menschheit ein paar Epochen lang beim Werden zusieht, lernt Ironie zu schätzen.“

Einen Weihnachtsbraten.

Dann ist es keine Ironie, sondern Prophetie. Aber du hast natürlich recht: Wer wie ich der Menschheit ein paar Epochen lang beim Werden zusieht, lernt Ironie zu schätzen.

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Liebe Mutter Gottes, ich habe mir dich ernster vorgestellt.

Du kennst mich auch nur von traurigen Madonnen und trüben Ikonen. Und viel zu lachen hatte ich zu Lebzeiten tatsächlich nicht.

Und heute?

Die Ernsthaftigkeit ist schon längst einem Schmunzeln gewichen. Ich habe gelernt, über vermeintlich Großes zu lächeln und mit vermeintlich Kleinen zu lachen.

Was mich interessiert: Was geschah denn wirklich, damals in Bethlehem?

Ich erzähle dir was. Wenn du in einem kleinen Bergdorf in Obergaliläa mit wenigen Familien aufwächst und mit siebzehn und unverheiratet schwanger wirst, lernst du als Erstes, wie schnell das Lächeln von Menschen einfrieren kann. So schnell, dass dich fröstelt.

Wäre ich nicht schon verlobt gewesen mit Josef, dann hätten unsere untadeligen Mitmenschen auch noch tuscheln müssen, von wem ich mich wohl habe schwängern lassen. Du weißt ja, die Schlampe ist immer die Frau, Männer sind nie beteiligt.

Josef war wohl der einzige Mann, der tatsächlich nicht beteiligt war. Und er wusste das. Er sah meinen Bauch wachsen und wusste, er war es nicht gewesen. Da zerbricht eine Menge in einem Menschen.

Wie ging es weiter?

Ich wusste, ein anderer war es auch nicht gewesen. Und weil ich nicht gut log, sagte ich die Wahrheit. Dass ein Engel mich besucht und gesagt hatte, ich würde schwanger, und das Kind sei von Gott. So etwas ist eine schallende Ohrfeige für jeden gesunden Menschenverstand, also auch für Josef.

„Mich hat die Einsamkeit mit einer solchen Wucht erfasst, dass ich mich erbrochen habe.“

Mein Titel für dieses Interview steht. „Maria bestätigt: Ich war noch Jungfrau.“ Nahm Josef dir die Engelsgeschichte ab?

Er hat bissig gefragt, ob der Engel aus dem Dorf komme und ob er ihn kenne, und ist mit zusammengepressten Lippen abmarschiert. Mich hat die Einsamkeit mit einer solchen Wucht erfasst, dass ich mich erbrochen habe.

Wann kam Josef zurück?

Nach ein paar Tagen. Es waren die längsten meines Lebens.

Und warum kam er zurück?

Weil Wunder damals noch realistischer waren, im Gegensatz zu heute, wo das moderne Denken kaum mehr Wunder zulässt. Josef war extrem zerrissen, aber es war damals trotzdem einfacher, in Betracht zu ziehen, dass meine Engelsgeschichte stimmte.

Vor allem kannten wir uns von klein auf, und er sah, dass meine Verwirrtheit und Verzweiflung echt waren. Außerdem hatte ich schöne große Augen und einen unschuldigen Blick. Das klingt nun etwas profan. Männer funktionieren profan.

Danke.

Immer gern.

Schwanger zu Fuß von Berlin nach Magdeburg

Erzählst du mir von Bethlehem?

Also gut, aber nur kurz. Von Nazareth nach Bethlehem sind es 157 Kilometer. Das ist gleich weit wie von Berlin nach Magdeburg. Wir waren zu Fuß, ich war hochschwanger. Am Schluss habe ich nur noch geweint.

Kurz vor der Ankunft setzten die Wehen ein, wir fanden keine Unterkunft und gerieten beide in Panik. Als die Abstände zwischen den Wehen immer kürzer wurden, suchten wir Zuflucht in einem Stall. Dort habe ich dann geboren. Zum Glück war immer jemand bei mir.

Gott?

Ich meine Josef. Er trug alles mit. Die Schwangerschaft, die Reise, die Zweifel und Verzweiflung. Und in jenem Stall stellte er sich seiner gewaltigen Überforderung und versuchte, seiner jungen Verlobten zu helfen, ein Kind auf die Welt zu bringen, von dem er wusste, dass es nicht von ihm ist.

„Einen Feind überwinden ist groß, sich selbst überwinden ist größer.“

Das ist heftig.

Mehr als das. Einen Feind überwinden ist groß, sich selbst überwinden ist größer. Und Josef ist von einer überwältigenden Größe. Man kann sich nicht ausmalen, wie viel Liebe und Zärtlichkeit er von mir für den Rest seines Lebens bekommen hat, und anstrengen musste ich mich dafür nicht einmal dann, wenn er wieder mal etwas vergeigt hat.

Stärkt ein gemeinsam bewältigter Sturm eine Beziehung?

Unsere ganz sicher, ja. Jene Nacht im Stall hat uns extrem zusammengeschweißt. Von mir gibt es viel zu viele Ikonen und Gemälde, auf denen Josef fehlt. Bekanntlich steht neben mancher starken Frau ein starker Mann. Das hätte Josef verdient, und es würde unsere Geschichte besser abbilden.

Aber es wäre kitischig.

Als ob die Maler je Berührungsängste mit Kitsch gehabt hätten. Holder Knabe im lockigen Haar, du liebe Güte. Frisch geborene Kinder sind zerquetscht. Und still war die Nacht auch nicht.

Ist die Weihnachtsgeschichte wahr?

Kann ich zusammenfassend schreiben, die Weihnachtsgeschichte sei wirklich so passiert?

Nein.

Wieso nicht?

Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Jetzt machst aber du ein Fass auf!

Gleiches Recht für alle.

Also gut, ich lausche.

Die jüngsten Bibeltexte sind 1.900 Jahre alt. Viele Worte von damals bedeuten heute nicht mehr dasselbe, viele sind emotional anders aufgeladen. Du kannst die Texte gar nicht mehr so verstehen, wie sie damals gemeint und auch verstanden wurden, unabhängig von der Übersetzung. Du wertest nach heutigen Kriterien, stellst andere Zusammenhänge her, ziehst andere Rückschlüsse.

Schon klar, aber …

… Jeder Mensch liest die Texte durch die Brille seiner eigenen Biografie, also pfuschen ihm seine eigenen Ängste, Sehnsüchte, Vorurteile oder Verletzungen in die Interpretation und Gewichtung. Darum hört und liest jeder und jede anders.

Und wenn er zwei Glas Wein hatte oder sie den Eisprung, lesen sie auch noch mal anders. Ein Autor wird für denselben Text von den einen gelobt und von den andern gewatscht.

„Recht hat immer der, der Liebe liest, der andere ist ein Dummkopf.“

Das stimmt.

Bei heiligen Schriften ist es dasselbe. Aus demselben Satz liest der eine Liebe und der andere Hass. Klammer: Recht hat immer der, der Liebe liest, der andere ist ein Dummkopf. Klammer geschlossen.

Was wirkt, sind also offenbar nicht die Buchstaben, sondern der Geist, in dem sie gelesen, interpretiert und empfunden werden.

Und was heißt das nun?

Wenn du eine Erzählung auf ihre Buchstaben und Historizität reduzieren willst, entfernst du ihr den Kern wie einem Apfel jenes Bütschgi [Überrest eines Apfels; Anm. d. Red.], aus dem der nächste Apfelbaum entstehen sollte. Wer das tut, nimmt einen Text nicht ernst.

Gut, ich hab’s begriffen, aber ich darf ja wohl trotzdem fragen, wie es wirklich war.

Aber sicher, skeptisch sein ist nicht das Dümmste heutzutage. Nur wird die Antwort immer eine Glaubensfrage bleiben. Die einen glauben’s, die andern nicht, den meisten ist es egal. Darum weiß ich etwas Besseres.

„Frag nicht nur nach der Wirklichkeit, sondern auch nach der Wirksamkeit.“

Ich bin ganz Ohr.

Frag nicht nur nach der Wirklichkeit, sondern auch nach der Wirksamkeit. Nicht nur nach dem Damals, sondern auch nach dem Heute. In puncto Wirksamkeit hält die Weihnachtsgeschichte ja wohl den Weltrekord. Die pflügt seit 2.000 Jahren die Menschheit um, im Guten wie im Schlechten. Offenbar ist es der Weihnachtsgeschichte also egal, ob wir sie für wirklich halten oder nicht, sie funktioniert munter vor sich hin.

Und das beweist, dass sie damals Wirklichkeit war? Meinst du das?

Nein, das meine ich nicht. Wobei es reichlich unwahrscheinlich ist, dass sich eine rein fiktive Geschichte 2.000 Jahre lang als Bestseller hält. Wo Rauch ist, wird wohl auch Feuer sein. Aber grundsätzlich sind die großen Geschichten der Menschheit so lebensecht, dass sie gar keine Tatsächlichkeit brauchen, um wahr zu sein.

Der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel hat einmal gesagt, er glaube an Gott, auch wenn er wisse, dass es ihn nicht gebe. Für Bichsel mache ich eine Flasche Roten auf, wenn er im Himmel ankommt. Und dann essen wir einen Weihnachtsbraten.

Eine letzte Frage, heilige Jungfrau: Wo bist du tatsächlich?

Während der Weihnachtstage bin ich sehr gern in Kirchen oder bei Konzerten. Inkognito natürlich, damit die Leute nicht um Selfies mit mir betteln. Gelegentlich schlendere ich auch über Weihnachtsmärkte und staune, was für Fusel die Leute sich als Glühwein andrehen lassen.

Die meiste Zeit im Jahr verbringe ich aber in Lazaretten, Flüchtlingslagern und Gefängnissen, in umkämpften Gebieten, auf Friedhöfen, in Krankenwagen und Arbeitslagern und anderen Höllen. Und bevor du auf die Idee kommst, jetzt auch noch nach dem Sinn des Ganzen zu fragen: Dieses Fass machen wir heute nicht mehr auf.

Marias Lieblingslied ist kein Ave-Maria

Das macht Sinn. Aber ein versöhnlicher Schluss wäre schön.

Dann schreib doch einfach einen. Dieses Interview ist ja sowieso fingiert. Du könntest mich zum Beispiel fragen, was mein Lieblingslied sei.

Was würdest du antworten?

Sicher kein Ave-Maria.

Sondern?

„What if God is one of us“, von Joan Osborne. Mieser Clip, dröge Stimme, lahmer Rhythmus und ein zäher Song, viel schlechter als die meisten Ave-Marias, aber der Text! Allein der Name des Songs: „Was, wenn Gott einer von uns ist?“ Stell dir diese Frage, sie eröffnet dir eine Welt.

Und? Ist Gott einer von uns?

Ganz sicher ist er einer von uns. Womöglich ist er sogar einer in uns. Vielleicht …

Vielleicht was?

Vielleicht ist ja der Mensch der Stall, in dem Gott geboren wird.


Dieser gekürzte Buchauszug stammt aus „Seit ich tot bin, kann ich damit leben“ vom Schweizer Journalisten und Satiriker Willi Näf. Das Buch ist beim adeo-Verlag erschienen. Adeo ist Teil der SCM Verlagsgruppe, zu der auch Jesus.de gehört.

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1 Kommentar

  1. Marie war eine junge Frau

    Aber was stimmt und eigentlich von niemanden wirklich bestritten wird: Im Urtext steht, dass es sich um eine „junge Frau“ handelte. Für Jungfrau wird ein anderes Wort gebraucht. An anderer Stelle der Bibel im NT heißt es nur, dass Jesus von einer Frau geboren wurde. Punkt. Wenn es sich nach Lukas um eine Jungfrauengeburt gehandelt haben würde, hätte Jesus keine Geschwister gehabt. Dann haben wir also das nächste Problem, zumindest bei Anwendung der Verbalinspiration, also einer Wortwörtlichkeit biblischer Texte.. Ich frage mich allerdings, dass wenn Gott wirklich Mensch wird, wieso dies gewissermaßen an der Biologie seines Wesens (einer Frau) vorbei erfolgen sollte. Oder wollte man damit – also mit der Jungfrauengeburt – hier nur deutlich unterstreichen, dass damit die Kette der Erbsünde unterbrochen wird ? Aber das wäre ziemlich absurd, wenn dann auch altertümlich nachvollziehbar. Die Erbsünde ist eher unser eigene Lust zu tun was wir wollen, an Gott und seiner Liebe vorbei. Es ist der Missbrauch (von uns selbst) unseres Freien Willens, warum die Welt so schlecht ist. Die Erbsünde ist kein genetischer Schaden, der (nur) für die Menschensohn Jesus verhindert wird. Jesus war zwar ohne Sünde, hatte aber einen freien Willen, den er aber völlig in den Willen Gottes stellte. Denn sein stellvertretender Tod für mich als Sünder wird dann nur noch plausibler: Er hat sein Kreuzestod wirklich als Gottes Wille hingenommen. Denn Gott war (wie) seine zweite Person. Diese Sicht ist eher nachvollziehbar.

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