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Israel: Spurensuche auf dem „Jesus-Trail“

Ansgar Hörsting war schon oft in Israel. Aber das galiläische Hochland, die Gegend, in der Jesus aufwuchs und die ersten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte, war ihm bislang unbekannt.

Deswegen besuchte der Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (FeG) im Frühling Nazareth und wanderte einen großen Teil des sogenannten „Jesus Trail“. Der Weg verbindet Nazareth, die Heimatstadt Jesu, mit Kapernaum, seiner Wahlheimat am nördlichen Ufer des Sees Genezareth.

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Von Ansgar Hörsting

ERSTER TAG

Wir – meine Frau, ich und ein befreundetes Ehepaar, das in Israel lebt – reisen an. Auf nach Nazareth. Die erste Überraschung: Nazareth ist an unglaublich steilen Hängen gebaut. Das, was zur Zeit Jesu ein unbedeutendes Dorf war (die Schätzungen schwanken zwischen 300 und 2.000 Bewohnern), ist heute eine wachsende Stadt, deren Häuser sich immer weiter über die Hügel drängen. Ich stelle mir vor, dass Jesus als kleiner Junge darin geübt gewesen sein muss, diese steilen Hänge auf und ab zu laufen. Nazareth, für mich ein Ort von größter Wichtigkeit, weil Jesus hier lebte. Aber im Alten Testament ist er nirgends erwähnt, weswegen Nathanael auch nicht annimmt, dass von dort etwas Gutes kommen kann (Joh 1). Heute machen zwei Drittel der Bevölkerung Muslime aus, ein Drittel sind arabische Christen. Die Juden siedeln sich in Ober-Nazareth an (auf Hebräisch: Nazrath-Illit). Die zweite Überraschung: Wir betreten das „Fauzi Azar Inn“, eine Unterkunft, deren Adresse wir aus dem „Jesus Trail“-Buch haben. An der Rezeption starten wir mit Englisch, können aber bald auf Deutsch weitermachen, weil der Araber hinter dem Schalter fast akzentfrei Deutsch spricht. „Fast“, weil er in Freiburg aufwuchs und das leicht zu hören ist. Und das mitten in Nazareth. Wer hätte das gedacht?

Kana / Foto: Ansgar Hörsting.

Die dritte Überraschung liegt in der sogenannten „Verkündigungskirche“ in Nazareth. In fast jedem Bericht habe ich gelesen, dass sie architektonisch und im Erscheinungsbild der Stadt eine Bausünde sei. Nun, eine orientalische Schönheit ist sie nicht. Aber als ich einmal im Gebäude war, überraschte sie mich durch erstaunliche Lichtspiele, durch eine leicht anmutende Betonkonstruktion und durch eine Sammlung von Mosaiken und Reliefen aus allen Kulturkreisen dieser Welt, so dass in diesem Gebäude eine Weite und Stille zu spüren war, mit der ich nicht gerechnet hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass wir morgens um acht Uhr, noch vor den Tourismusströmen die Kirche aufsuchten. Ich erspare mir hier eine detaillierte Beschreibung dessen, was der historisch wahrscheinliche oder erwiesene Hintergrund der Basilika ist. Der Tradition zufolge wurde hier Maria durch den Engel verkündigt, dass sie schwanger werden sollte und das nicht auf übliche Art und Weise. Auf dem Eingangsportal steht, worum es geht: „Verbum caro factum est et habitavit in nobis“ – „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Ich halte inne. Factum est. Man muss kein Lateiner sein, um zu verstehen, dass hier wirklich etwas geschehen ist.

Bauingenieur und Schauspieler

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Wir ersparen uns die ersten, städtischen Kilometer aus Nazareth heraus und fahren mit dem Auto in das nächstgelegene Dorf (Moshav Zippori), um unser Auto dort sicher zu parken. Es liegt nicht weit von der gleichnamigen archäologischen Ausgrabungsstätte Zippori. Von dort nehmen wir die Fährte zu Fuß auf. Zippori, nur sieben Kilometer nordwestlich von Nazareth entfernt, ist eine römische und byzantinische Siedlung. Später fand der Sanhedrin, der jüdische Ältestenrat, hier Zuflucht, als er sich aufgrund politischen Drucks in Jerusalem nicht mehr aufhalten konnte. Es gab aber auch juden-christliches Leben. Später wurde Zippori ein muslimisches Dorf, heute sind nur noch Ausgrabungen zu finden. Wie fast überall findet man Spuren aus all diesen Epochen der letzten 2.000 oder mehr Jahre. In Zippori wurde besonders zu Zeiten Jesu, zumindest bis 19 n. Chr. (als Jesus also Mitte 20 war) gebaut, was das Zeug hielt. Weil Jesus „tekton“ war, also Baumeister, Zimmermann, Bauingenieur (man kann es nicht genau übersetzen), gehen Forscher davon aus, dass er auch hier arbeitete, zusammen mit seinem Stiefvater Joseph. Ich staune über die gut erhaltenen Straßen und Mosaiken, die Kreuzfahrerburg, das Theater. In diesem Theater traten sie auf, die „Hypokritai“, die Schauspieler, was für den frommen Juden unannehmbar war. Auch Jesus kritisierte die Schauspieler, meinte aber vielmehr die, die ihre Frömmigkeit spielen und nach außen heuchlerisch trugen. Das Wort „Hypokritai“ wird im Neuen Testament immer mit „Heuchler“ übersetzt. Es ist vorstellbar, dass Jesus hier mitgebaut hat. Er ging seinem Beruf nach. Diese Phase seines Lebens dauerte länger als die seines öffentlichen Wirkens. Das bleibt mir immer ein Rätsel. Er ist wirklich Mensch geworden, einer von uns.

Wald und Weinwunder

Von dort geht der Jesus Trail durch einen schönen Wald hindurch. Es ist malerisch. Die Hügel sind nun sanft. So habe ich es mir immer vorgestellt, jedoch ohne Wald. Dabei hat es den Wald hier immer gegeben. Nachdem jedoch Generationen Bäume gerodet haben, muss heute durch Aufforstung dem Kahlschlag von früher entgegengewirkt werden. Unser Weg verlässt schon nach drei Kilometern den Wald und führt durch das erste arabische Dorf Mash’had. Von dort sehen wir schon bald hinüber nach Kafr Kana. Es soll die Stadt sein, wo Jesus sein erstes Wunder vollbracht hat, als er Wasser in Wein verwandelte. Die meisten Forscher gehen jedoch davon aus, dass das Kana, das wir aus Johannes 2 kennen, sieben Kilometer entfernt von hier in einer Ruine liegt (Chirbet Kana). So ist es auch auf historischen Karten eingezeichnet. Aber in Kafr Kana wird dennoch des Wunders gedacht. Man kann auch Wein kaufen, der hier aber wohl nicht aus Wasserleitungen fließt, sondern wie überall angebaut und gewonnen werden muss. Kirchen erinnern an die Hochzeit zu Kana und das berühmte Wunder. Dominant ist dennoch die Moschee, die schon von weitem sichtbar ist.

Müllberge und Blumenfelder

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Hügellandschaft Galiläas / Foto: Ansgar Hörsting

Was mich erstaunt und auch ärgert, sind die Müllberge am Rande des Jesus Trail vor Kana und auch noch drei Kilometer nach Kana. Das trübt die Wanderfreude. Aber irgendwann geht es wieder durch die schöne Hügellandschaft Galiläas Richtung Osten. Der Weg streift Wälder, Felsenlandschaften, Aufforstungsprojekte und Wiesen. Immer mehr Blumenfelder schmeicheln dem Auge und faszinieren uns. Obwohl es erst Anfang April ist, steigt das Thermometer auf ca. 30 Grad Celsius. Das ist ungewöhnlich. Wir übernachten in einer gemütlichen Lodge einen Kilometer vom Trail entfernt. Mir fällt ein, dass man uns vor und nach der Reise fragte, ob die Lage denn sicher sei in Israel. Wir haben uns immer sicher gefühlt. Das Miteinander von Juden und Muslimen und Christen in diesem Gebiet ist im Alltag gar nicht so schlecht. In unsere Schlagzeilen schaffen es natürlich nur die Anschläge und der Hass. Wir haben davon nichts mitbekommen.

ZWEITER TAG

Der Weg führt uns Richtung Nordosten. Wieder wechseln sich Wiesen, Aufforstungsprojekte und felsige Wege ab. Die Wegmarkierungen sind extrem gut und hilfreich. Es ist der schönste Abschnitt des „Jesus Trail“, heute aber ohne Supermarkt oder Falafel-Bude. Der Vorteil: Wir sind fast alleine unterwegs. Einmal treffen wir zwei Kanadier wieder, die wir in unserer Unterkunft kennengelernt hatten. Das Wandern des „Jesus Trail“ ist keine Massenveranstaltung.

Nazareth und See Genezareth

Jesus Trail-Wegzeichen (Foto: Ansgar Hörsting)

Nach wenigen Kilometern sehen wir das erste Mal den See Genezareth in weiter Ferne. Es ist erstaunlich. Wenn ich mich umschaue, erkenne ich noch die Häuser von Nazareth auf dem Bergrücken. Und vor mir erkenne ich den See. So nah liegt alles beieinander. Der „Jesus Trail“ führt nicht schnell zum Ziel. Er windet sich, um die Schönheit der Landschaft zu präsentieren. Zunächst geht es auf den Berg Hittim. Hier lag wahrscheinlich das biblische „Zittim“. Zwei Hügel nebeneinander erheben sich auf 325 Meter Höhe. Der Anstieg ist leicht zu bewältigen, der Ausblick fantastisch. Am Berg Arbel vorbei, der durch seinen felsigen Abhang auffällt, blickt man immer auf den See. Der Höhenunterschied zum See beträgt nun fast 550 Meter, weil dieser 212 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Es ist vorstellbar, dass Jesus hier in der Nähe entlangging, jedoch wahrscheinlich nicht über diesen Hügel, denn der Ausblick ist zwar schön, aber es gibt kürzere Wege. Wahrscheinlicher ist, dass er den Weg durch das Tal „Nahal Arbel“ nahm. Hier führt uns nun auch der „Jesus Trail“ entlang. Von dort steigen wir aber noch einmal hinauf in das gleichnamige Kibbuz zur nächsten Übernachtung.

DRITTER TAG

Der „Jesus Trail“ verläuft von hier Richtung Kapernaum. Wir verlassen den Weg, weil wir nicht so lange am nicht wenig befahrenen Seeufer entlanggehen wollen. Unser Tages- und Trailziel ist Tiberias. Tiberias wurde 19 n.Chr. von den Römern zur Provinzhauptstadt gemacht. Die frommen Juden gingen nicht dorthin, weil die Stadt auf einem Friedhof errichtet wurde. Sie galt deswegen als unrein. Interessanterweise ist auch an keiner Stelle die Rede davon, dass Jesus dort war. Weder als Baumeister (was zu erwarten wäre), noch als Prediger.

Frühstück am See

Der Weg vom Berg Arbel hinunter zum See ist anstrengend (500 Höhenmeter) und zugleich einer der schönsten überhaupt. Der Blick auf den See und die Blumenpracht ist ein Genuss. Nach diesem zweistündigen Marsch stürzen wir uns auf ein ausgiebiges Frühstück direkt am See. Es hat mich fasziniert, die Landschaft ein wenig zu erspüren, durch die Jesus öfter gewandert sein muss. Aber ohne Geschichtskenntnisse bleibt auch sie eine Landschaft wie viele andere. Wie sehr dieser Landstrich schon damals umstritten und umkämpft war, wie sehr er seitdem mal von den Römern, dann von den Muslimen, von den Kreuzrittern, von den Ottomanen, Engländern und seit Anfang des Jahrhunderts wieder von den Juden besiedelt wurde, das muss man sich anlesen. Und zugleich stößt man überall auf die Spuren der Jahrhunderte. Und dass schon zur Zeit Jesu dieser Landstrich alles andere als verschlafen war, wie ich früher immer wieder gehört habe, auch das muss man lesen. Beim Wandern spürt man die Landschaft und kann sich vorstellen, was es bedeutete, dass die meisten Menschen der damaligen Zeit, auch Jesus, zu Fuß unterwegs waren.

Foto: Ansgar Hörsting

Diese Wege waren manchmal beschwerlich, aber auch schön. Und so, wie wir Zeit zum Reden hatten, so haben sich auch die Wanderer vor 2.000 Jahren miteinander unterhalten. „Als sie gemeinsam auf dem Weg waren …“ – so ist es immer gewesen. Wer nur schön wandern will, kann das auch woanders tun. Ich selbst war immer mit der Frage beschäftigt, wie die Menschen früher hier gelebt haben. Und ich staunte darüber, dass Gott Mensch wurde. Nicht irgendwo, nicht in den Alpen und nicht im Ruhrgebiet, sondern hier.

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