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Jacqueline Straub: Die Frau, die Priesterin werden will

Der Britische Fernsehsender BBC zählt sie zu den „100 inspirierendsten und einflussreichsten Frauen“ unserer Zeit: Jacqueline Straub. Die 29-Jährige katholische Theologin, Buchautorin, Journalistin und Hobby-Boxerin fühlt sich zur katholischen Priesterin berufen.

Jesus.de: Von der Theologin bis zur Boxerin: Was haben Ihre Berufe und Berufungen miteinander zu tun?

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Jacqueline Straub: [Lacht] Zu allererst bin ich Theologin. Die Theologie ist mein Herzensanliegen. Im Prinzip haben alle meine Facetten etwas miteinander zu tun. Bereits während meines Studiums schrieb ich an meinem ersten Buch und veröffentlichte erste Artikel. Meine Themen sind die Theologie, die Frauen in der Kirche und die Erneuerung der Kirche. Außerdem wünsche ich mir, dass auch junge Menschen die Kirche wieder als Ort der Heimat wahrnehmen. Dafür will ich kämpfen – wie im Ring als Hobbyboxerin.

Sie sagen, Ihr bewusster Glaubensweg begann, als sie fünfzehn Jahre alt waren – welche Rolle spielte der Glaube zuvor in Ihrem Leben und was hat sich verändert?

Ich bin in einem katholischen Dorf aufgewachsen. Der Religionsunterricht und die Erstkommunion gehörten zum Pflichtprogramm eines jeden Kindes. Meine Familie, das waren „Durchschnitts-Katholiken“, die eigentlich nur an Weihnachten und zu den Schulgottesdiensten in der Kirche waren. Dennoch hat mich meine Mutter in den christlichen Werten erzogen, aber der Glaube hat unseren Alltag nicht bestimmt. Meine Oma hingegen war sehr gläubig. Sie hat täglich in der Bibel gelesen, den Rosenkranz gebetet und ist jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Sie wollte immer, dass meine Schwester und ich mitkommen, aber wir hatten keine Lust.

Warum?

Das lag vor allem an dem Pfarrer, der auch unser Religionslehrer war. Er war sehr streng. Als Kind durfte man nicht an die schöne Barockdecke der Kirche schauen, sonst er hat uns ermahnt. Daher habe ich Kirche als etwas Fremdes erlebt, als etwas Kühles.

Was hat dann die fundamentale Veränderung in Ihrem Glauben ausgelöst?

Mit fünfzehn Jahren habe ich eine Klassenkameradin kennengelernt, die ihre christlichen Werte mit einem gelebten Glauben im Alltag verbunden hat. Sie hat in der Bibel gelesen und gebetet – und zwar fröhlich! Das hat mich total fasziniert, weil das ganz anders war, als alles was ich bis dahin vom Glauben kannte. Sie hat aus Gottes Wort herauslesen können, was er uns heute sagen will. Das hat mich wirklich begeistert. Einmal hat sie mich auf eine Freizeit ihrer Freikirche mitgenommen und seitdem spüre ich dieses Brennen in mir. Ich bin mir sicher: Gott hat mich zur römisch-katholischen Priesterin berufen.

„Jesus steht total auf der Seite von Frauen“

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Was würde sich mit Frauen als Priesterinnen verändern?

Wenn ich mir so manchen Gottesdienst anschaue, dann erinnert er mich eher an eine Trauerfeier, als an ein pures Freudenfest – das liegt aber nicht am Mann-Sein, sondern wir haben verlernt den Glauben sichtbar zu feiern. Mit Frauen käme ein neuer Spirit in die Kirche – vor allem auch in die Pfarreiarbeit. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder mehr in der Freude des Glaubens leben und in aus der Messe Kraft und Hoffnung schöpfen, die sie brauchen, um den Alltag meistern zu können. Ich finde es ungerecht, dass Frauen diese Geschenke nicht weitergeben dürfen, nur weil sie Frauen sind.

Katholische Kirche und Frauen – das passt immer noch für viele nicht zusammen. Warum sind Sie sich als katholische Theologin dennoch so sicher, dass es römisch-katholische Priesterinnen geben sollte?

Je mehr ich in die Theologie einsteige und umso besser ich die Bibel kennenlerne, desto mehr merke ich: Jesus steht total auf der Seite von Frauen. In seinen Gleichnissen verwendet er sowohl Beispiele aus der männlichen, als auch aus der weiblichen Lebenswelt. Der Sauerteig zum Beispiel stammt aus dem Lebensbereich der Frau: Die Frau hat das Brot gebacken. Es hat eine große Bedeutung, dass Jesus in den Bildern von Frauen spricht und auch mit Frauen in Kontakt tritt, Frauen heilt, mit Frauen diskutiert und Frauen in seine Nachfolge ruft. Damit zeigt er, dass er die Gleichheit zwischen Mann und Frau, die schon in der Schöpfung angelegt ist, wiederherstellen möchte. Mit dem Frauenpriestertum würden wir wieder näher an Jesus heranrücken. Dass sich Frauen jetzt für Frauenrechte einzusetzen, ist das Richtige und alle die meinen, Gott will keine Priesterinnen, weil in der Bibel steht, dass die Frau zu schweigen hat, die handeln nicht im Sinne Jesu. Ich glaube nicht, dass Gott Frauen diskriminiert. An so einen Gott wollen wir doch alle nicht glauben.

„Am wichtigsten ist immer Gott“

Welche Bedeutung hat Ihre Person für Ihr Anliegen?

Ich wusste immer, dass ich meine Berufung nicht verschweigen kann. Ich nutze die Aufmerksamkeit um meine Person und die Reichweite, die ich erzielen kann, um auch für die Berufungen von vielen anderen Frauen zu kämpfen. Ich dachte immer, dass ich die einzige Frau auf der Welt bin, die die Berufung zur römisch-katholischen Priesterin spürt, aber durch die Medien habe ich sehr schnell gemerkt: Da gibt’s noch ganz viele Frauen. Viele schreiben mir, dass sie genau das gleiche fühlen und ermutigen mich weiter zu kämpfen. Dennoch ist eins ganz klar: Ich bin nicht am wichtigsten, sondern am wichtigsten ist immer Gott. Ohne den Heiligen Geist hätte ich das alles sowieso nicht geschafft.

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Sie sagen, die Kirche brauche ein „neues Pfingsten“ …

Es steht zehn vor zwölf in der katholischen Kirche. Die Missbrauchsskandale haben das Fass der Geduld zum Überlaufen gebracht. Mit einem anderen Verständnis von Mann und Frau wäre es gar nicht so weit gekommen. Daher muss etwas passieren – und zwar jetzt. Viele kirchentreue Frauen sagen: „Langsam haben wir die Schnauze voll“. Es braucht einen Wirbelsturm in der katholischen Kirche, sonst wachen die da oben nicht auf.

Als Pfingsten vor 2000 Jahren geschehen ist, da sind Männer und Frauen losgezogen und haben das Evangelium verkündet. Damals gab es eine Gleichberechtigung. Und auch heute tragen wir den Geist in uns. Wir sollten uns wieder von ihm bewegen lassen. Bei aller Resignation müssen wir uns wieder mehr öffnen für den Heiligen Geist, damit wir ihn wirklich auf uns herabrufen und sagen „Beweg uns“. Auch, wenn es vielleicht unbequem ist, aber „Beweg uns. Lass durch uns die frohe Botschaft zu den Menschen kommen.“ Ich glaube, gerade Katholiken haben oftmals Probleme, ihren Glauben zu verkünden oder zu ihrem Glauben zu stehen. Wir wollen ihn niemandem aufdrängen, aber es geht nicht um aufdrängen, sondern es geht darum, authentisch aufzutreten und zum Glauben zu stehen. Wir sollten für unsere Kirche kämpfen, damit auch andere dahin einen Ort des Glaubens finden und ich glaube, es lohnt sich.

„Wir sollten uns wieder vom Heiligen Geist bewegen lassen“

Wie stellen Sie sich eine „lebendige Kirche“ vor?

Eine lebendige Kirche beginnt mit uns allen. Wir sollten versuchen, den Glauben und die Hoffnung, die wir im Herzen tragen jeden Tag auszustrahlen. Das ist nicht einfach. Auch mir gelingt das nicht immer, aber trotzdem versuche ich jeden Tag auszustrahlen, dass ich in Jesus Christus lebe, dass er in mir lebt und dass diese Hoffnung da ist.

Außerdem wird in einer lebendigen Kirche niemand an den Rand gestellt. Jeder ist willkommen, so wie er oder sie ist, mit ihren Brüchen, mit ihrem Scheitern im Leben, mit ihren Umwegen. Jeder erhält in der Gemeinde den Zuspruch: „Du bist von Gott geliebt“ Oftmals erlebe ich innerhalb der Kirche eine sehr große Enge und eine sehr große Ablehnung. Die finde ich persönlich grausam, denn Jesus war ganz anders.

Sie sprechen von „radikalen Veränderungen“ in der katholischen Kirche – was bleibt dann noch „katholisch“?

Also wenn „katholisch“ nur bedeutet sich abzugrenzen, zum Beispiel von der evangelischen Kirche, dann haben wir ein Glaubensproblem. Die Bibel spricht von Einheit. Einheit in der Vielfalt. Und Einheit bedeutet, dass wir überlegen, wie wir auf die evangelischen Gläubigen zugehen könnten. Die Abschaffung des Zölibats wäre ein großer Schritt, schließlich ist die römisch-katholische Kirche die einzige Kirche, die keine verheirateten Priester kennt. Auf der Glaubensebene will ich nichts abschaffen, ich sag nur, die Struktur muss sich ändern, damit auch der Glaube oder die Glaubensthemen wieder zum Blühen kommen.

Wie stellen Sie sich den Moment vor, wenn das Priesteramt für Frauen freigegeben würde?

Ich glaub es wäre ein extrem emotionaler. Da würde ich weinen und an die Decke springen – gleichzeitig. Dann wüsste ich, ich bin endlich angekommen. Und selbst, wenn ich es nicht mehr erleben sollte, so konnte ich doch kleine Steine für den langen Weg der Gleichberechtigung legen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Laura Schönwies


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1 Kommentar

  1. Es gibt kein Argument, das gegen die Priesterschaft der Frau spricht. Schon bei der Aussendung
    der Apostel waren Frauen dabei. Der Vatikan ist frauenfeindlich.

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.