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Neues Buch: Ist die AfD eine Alternative für Christen?

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist seit Jahren nicht nur in der politischen Diskussion, sondern die Partei pflegt auch ein besonders schillerndes, widersprüchliches Verhältnis zu Christen und Kirchen. Der Publizist, ZEIT-Autor und evangelischer Theologe, Wolfgang Thielmann, hat sich in seinem neuen Buch mit dem Phänomen AfD beschäftigt und dabei auch Mitglieder, Familienangehörige und Kritiker der Partei zu Wort kommen lassen. Im lebenslust-Interview spricht er über Spannungen zwischen AfD und Kirche und was die Arbeit an seinem Buch bei ihm ausgelöst hat.

lebenslust: Herr Thielmann, Sie haben gerade ein Buch zur AfD herausgegeben – warum?

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Wolfgang Thielmann: Die AfD ist die schwierigste Parteigründung der letzten Jahre. Sie  verband Wirtschaftsliberale, Konservative und rechte Nationalisten, und die letzteren gewannen immer deutlicher die Oberhand. Die Partei hat mehr Verbindungen zum Christentum, als es Christen lieb sein kann. Es steht als Quelle der Leitkultur in ihrem Programm. Die Partei wurde in einem evangelischen Gemeindezentrum gegründet. Zwischen ihr und den rechten Rändern im Katholizismus und Protestantismus gibt es gemeinsame Ziele und offenbar auch eine innere Nähe, etwa das Gefühl der Überfremdung und Bedrohung, statt zu genießen und zu gestalten, dass es uns in vielen Bereichen besser geht als je zuvor.

Was hat Sie interessiert, als Pastor und Publizist, als politischer Beobachter?

Keine Partei steht in so heftigen Kontroversen wie die AfD. Die großen Kirchen gehen auf Distanz, und die AfD beantwortet das mit einer Kirchenkritik, die klingt, als wolle sie sich die Religion gefügig machen.

Als Publizist sehe ich, dass die AfD kritischen Beobachtern Auskunft verweigert. Sympathisanten meinen dagegen, die AfD vertrete Positionen, die dem Willen Gottes nahekämen. Deshalb habe ich vorgeschlagen, alle Positionen ins Gespräch zu bringen.

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Sie sagen, die Kirchen sollten das Gespräch mit der AfD nicht aufgeben – warum?

Eine Partei, die in Landtagen und bald im Bundestag mit Anteilen zwischen fünf und fast 25 Prozent vertreten ist, kann man nicht ignorieren, gleich wie sich die Partei verhält.

In der AfD engagieren sich auch rechtskonservative Christen. Und mit keinem, der Politik mitgestaltet, sollte die Kirche das Gespräch verweigern. Wenn Kirche öffentlich ist, dann beteiligt sie sich an der politischen Auseinandersetzung. Ich hielt es für falsch, die AfD vom Katholikentag auszuschließen. Aber man muss sich für Gespräche gut wappnen. Hassreden gegen Flüchtlinge zum Beispiel darf man keinem Politiker durchgehen lassen. Kirchen tragen Mitverantwortung dafür, dass unsere Gesellschaft nicht auseinanderbricht.

Ein Kirchenvorstands-Mitglied aus Wuppertal kandidiert für die AfD im Landtag – sehen Sie hier ein Spannungsverhältnis oder ist das gar kein Problem?

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Natürlich steckt da ein Problem. AfD-Repräsentanten reden menschenverachtend über Asylbewerber, manche hassen offenbar Muslime, und viele wollen kritisieren, aber keine Verantwortung übernehmen. Vieles, aber nicht alles, schlägt sich im Parteiprogramm so klar nieder. Man muss abschätzen, wie weit das Reden und Verhalten in der Partei verankert ist, so dass man es einem Kandidaten anlasten kann, der selber nicht so redet, aber die Partei repräsentiert. Die Kirchenvorstände in Wuppertal sahen nur die Möglichkeit, durch kollektiven Rücktritt einen Betriebsunfall zu verursachen, nur damit der eine, der zur AfD gehört, sein Amt verliert. Das ist keine gute Lösung.

Kann eine Gesprächsannäherung an die AfD nicht als Sympathiebekundung missverstanden werden?

Im vergangenen Dezember hat der Präses der Rheinischen Landeskirche mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry diskutiert. Ich konnte nicht erkennen, dass ihm irgendjemand unterstellt hat, er wolle die AfD aufwerten. Wer klug bedenkt, wer wo und wie mit AfD-Vertretern spricht, hält die Gefahr der Sympathiebekundung für gering.

Sie haben Autoren mit ganz unterschiedlichen Positionen um Beiträge gebeten. Wie genau lautete der „Schreib-Auftrag“?

Der steht jeweils in den Überschriften. Hartmut Beucker, der AfD-Landtagskandidat, erzählt, wie er zu seiner Partei gekommen ist. Frauke Petrys Ex-Ehemann Sven Petry analysiert, warum Menschen die Partei wählen. Benjamin Lassiwe berichtet, wie sich die AfD in der politischen Arbeit in einem Bundesland schlägt. Der Rheinische Präses Manfred Rekowski und der Berliner Bischof Markus Dröge beschreiben Argumente in der Auseinandersetzung mit der Partei. Und der Arbeitsrechtsprofessor und Presbyter Jacob Joussen sagt, was eine örtliche Gemeindeleitung unternehmen kann, der es mitunter schwerfällt, über Inhalte und Überzeugungen zu sprechen.

Aus dem Nähkästchen geplaudert: Im Buch kommen Verwandte, Ex-Partner von AfD-Funktionären zu Wort: Wie stark distanzieren sie sich? Und wie schwer war es, etwa Sven Petry für das Projekt zu gewinnen?

Ich habe Sven Petry gefragt – und er hat zugesagt. Mir kam es auf seine Sachkenntnis an. Er hat die Entwicklung der AfD aus nächster Nähe erlebt, und er ist Pfarrer, kann die Situation also in dem Zusammenhang analysieren, der für das Buch wichtig ist.

Wollten die (AfD-)Autoren die Beiträge der anderen Autoren vorher lesen oder deren Inhalt skizziert bekommen?

Nein. Glücklicherweise musste ich noch nie derart unprofessionell arbeiten.

Ist das, was Sie sich vorgenommen haben, „gelungen“?

Mir ging es um einen neuen Blick auf die Partei und ihre spannende Beziehung zu Kirche und Christentum. Ich freue mich, dass sich die Autoren daran beteiligt haben. Gerne hätte ich noch einen Autor aus evangelikalen Führungsgremien gewonnen. Aber keiner der Angesprochenen hat zugesagt.

Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen? Was sehen Sie heute klarer?

Mein Nein zur AfD ist stärker begründet als vorher. Ich habe neu gelernt, wie schwierig und wie lohnend Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Parteipolitik sind. Und ich hoffe, Freunde gewonnen zu haben, wie auch immer sie politisch agieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wolfgang Thielmann ist Autor der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er arbeitete für die Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ und war Sprecher des Diakonischen Werks der Ev. Kirche in Deutschland.

Das Interview mit Wolfgang Thielmann ist zuerst in Ausgabe 3/2017 des Magazins lebenslust erschienen. lebenslust wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

Das Interview führte Laura Schönwies

Hier bestellen: Wolfgang Thielmann (Hg.), Phänomen AfD, Neukirchener Verlag 2017 Andreas Malessa, Als Christ die AfD unterstützen? Ein Plädoyer, Brendow 2017.

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