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Vorabdruck: „Sohn der Hamas“

Mosab Hassan Yousef ist der Sohn von Hamas-Mitgründer Scheich Hassan Yousef. Während eines Gefängnisaufenthalts erlebt er den Terror der Hamas gegen die eigenen Leute und wechselt daraufhin die Seiten. Jetzt ist seine Biografie erschienen.

In seiner Biografie beschreibt Yousef die Erfahrungen als Grenzgänger zwischen Nationen, Kulturen und Ideologien. Unter dem Decknamen „Grüner Prinz“ kooperiert er jahrelang mit dem israelischen Geheimdienst und verhindert so mehrere Selbstmordanschläge. Später wird Yousef Christ. Heute lebt der Autor im politischen Asyl in den USA.

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Einen Vorabdruck des ersten Kapitels können Sie exklusiv hier bei Jesus.de lesen:

Sohn der Hamas

1996

Vorsichtig lenkte ich meinen kleinen weißen Subaru durch eine unübersichtliche
Kurve. Es war auf einer jener engen Straßen, die auf die Landstraße
außerhalb der Stadt Ramallah im Westjordanland führen. Ich bremste
leicht ab und näherte mich langsam einem der unzähligen Kontrollpunkte,
welche die Straßen von und nach Jerusalem säumen. »Motor abstellen! Anhalten!«, rief jemand in gebrochenem Arabisch. Ohne Vorwarnung sprangen sechs israelische Soldaten aus dem Gebüsch und versperrten mir den Weg. Jeder von ihnen trug ein Maschinengewehr, und jedes dieser Gewehre war direkt auf meinen Kopf gerichtet. Panik stieg in mir auf. Ich hielt an und warf den Autoschlüssel durch das offene Fenster. »Aussteigen! Aussteigen!«

 Gleich darauf riss einer der Männer die Wagentür auf und warf mich auf
den staubigen Boden. Ich hatte kaum Zeit, die Arme über den Kopf zu bringen,
bevor die Tritte begannen. Ich versuchte zwar, mein Gesicht zu schützen,
doch die schweren Stiefel der Soldaten fanden rasch andere Ziele: Rippen,
Nieren, Rücken, Nacken, Schädel. Zwei der Männer zerrten mich hoch und schleppten mich zum Kontrollpunkt, wo sie mich hinter einer Betonbarrikade auf die Knie zwangen. Die Hände wurden mir hinter dem Rücken mit Kabelbinder viel zu stramm gefesselt. Jemand verpasste mir eine Augenbinde und stieß mich in einen Jeep hinten auf den Boden. Meine Angst vermischte sich mit Wut, als ich mich fragte, wohin sie mich brachten und wie lange ich dort bleiben würde.

 Ich war kaum 18 Jahre alt und stand wenige Wochen vor meinen Abschlussprüfungen in der Schule. Was würde mit mir passieren? Nach einer eher kurzen Fahrt hielt der Jeep an. Ein Soldat zog mich heraus und nahm mir die Augenbinde ab. Ich blinzelte in das helle Sonnenlicht und stellte fest, dass wir in Ofer waren. Ofer ist ein israelischer Militärstützpunkt und eine der größten und sichersten Militäranlagen im Westjordanland.

Auf dem Weg zum Hauptgebäude passierten wir mehrere Panzer unter
Tarnplanen. Diese monströsen Hügel hatten mich immer fasziniert, wenn ich
sie draußen gesehen hatte. Sie sahen aus wie riesige, übergroße Felsblöcke.
Im Hauptgebäude wurden wir von einem Arzt empfangen, der mich rasch
einmal von Kopf bis Fuß untersuchte. Offenbar sollte er bestätigen, dass
meine gesundheitliche Verfassung gut genug für ein Verhör war. Ich hatte
die Musterung wohl bestanden, denn wenige Minuten später wurden mir
Handschellen und Augenbinde wieder angelegt, und ich wurde zurück in
den Jeep verfrachtet.

 Ich versuchte meinen Körper so zu drehen, dass er in den kleinen Raum
passte, der normalerweise für Beine und Füße der Wageninsassen gedacht
war. Ein muskelbepackter Soldat stemmte seinen Stiefel auf meine Hüfte
und drückte mir die Mündung seines M16-Sturmgewehrs auf die Brust. Der
Gestank von heißen Abgasen zog sich über den Boden des Fahrzeugs und
schnürte mir den Hals zu. Immer wenn ich versuchte, meine eingezwängte
Stellung zu verändern, rammte mir der Soldat den Gewehrlauf tiefer in den
Brustkorb.

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 Ohne Vorwarnung schoss ein stechender Schmerz durch meinen Körper.
Jeder Muskel verkrampfte sich, bis hinunter in meine Zehen. Mir war, als
würde eine Rakete in meinem Schädel explodieren. Der Schlag war vom
Vordersitz aus gekommen, und mir wurde klar, dass einer der Soldaten mir
wohl mit dem Gewehrkolben einen Schlag gegen den Kopf verpasst hatte.
Bevor ich mich schützen konnte, schlug er wieder zu, nur dieses Mal noch
härter und aufs Auge. Ich versuchte mich wegzudrehen, aber der Soldat, der
mich als Fußschemel benutzte, zerrte mich hoch.

 »Keine Bewegung oder ich erschieße dich!«, schnauzte er.
Aber ich konnte nicht anders. Jedes Mal, wenn sein Kamerad mich schlug,
zuckte ich unwillkürlich zurück. Unter der rauen Augenbinde begann mein Auge zuzuschwellen, und mein Gesicht fühlte sich taub an. In meinen Beinen spürte ich keinen Blutfluss mehr. Mein Atem ging flach und stoßweise. Noch nie hatte ich solche Schmerzen gehabt. Doch schlimmer noch als die körperlichen Schmerzen war das Entsetzen, etwas Erbarmungslosem, Rohem und Unmenschlichem hilflos ausgeliefert zu sein. Meine Gedanken rasten. Ich versuchte zu verstehen, welche Motive meine Peiniger hatten. Ich verstand, dass man aus Hass, Wut, Rache oder sogar aus einer Notwendigkeit heraus kämpfen und töten konnte. Aber ich hatte diesen Soldaten nichts getan. Ich hatte mich nicht gewehrt. Ich hatte alles getan, was man mir gesagt hatte. Ich war keine Bedrohung für sie. Ich war gefesselt, hatte die Augen verbunden und war unbewaffnet. Was ging in diesen Leuten vor, dass sie ein solches Vergnügen daran hatten, mich zu verletzen? Selbst die niedersten Tiere töten aus einem bestimmten Grund und nicht nur aus Spaß.

 Ich dachte daran, was meine Mutter wohl fühlen würde, wenn sie erfuhr,
dass ich verhaftet worden war. Da mein Vater bereits in einem israelischen
Gefängnis saß, war ich der Mann in der Familie. Würde ich Monate oder
sogar Jahre im Gefängnis festgehalten werden wie er? Und wenn ja: Wie
würde meine Mutter zurechtkommen, wenn ich auch noch weg war? Ich
begann zu verstehen, wie mein Vater sich fühlte – in Sorge um seine Familie
und bedrückt von dem Wissen, dass wir uns um ihn sorgten. Tränen schossen
mir in die Augen, als ich mir das Gesicht meiner Mutter vorstellte.

 Ich fragte mich auch, ob all die Jahre an der Oberschule jetzt umsonst
waren. Wenn ich tatsächlich auf dem Weg in ein israelisches Gefängnis war,
würde ich die Abschlussprüfungen nächsten Monat verpassen. Ein Sturzbach
von Fragen und Schreien tobte in meinem Kopf, während mich ein Schlag nach dem anderen traf: Warum tut ihr mir das an? Was habe ich denn getan? Ich bin kein Terrorist! Ich bin noch ein halbes Kind. Warum verprügelt ihr mich so brutal?

 Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mehrmals das Bewusstsein verlor,
aber jedes Mal, wenn ich wieder zu mir kam, waren die Soldaten immer noch
da und schlugen auf mich ein. Ich konnte den Schlägen nicht ausweichen. Ich konnte nur schreien. Ich spürte, wie es mir sauer im Hals aufstieg. Ich würgte und übergab mich heftig. Während es wieder dunkel um mich wurde, spürte ich eine tiefe Traurigkeit, bevor ich das Bewusstsein verlor. War es das Ende? Würde ich sterben, bevor mein Leben überhaupt richtig begonnen hatte?

 

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