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Schwarzes Kreuz: Wie Gott Gefangenen begegnet

Was bedeutet die Botschaft von Gottes Vergebung für Menschen in Gefangenschaft? Ein Interview mit Rabea Wille und Benjamin Schmidt, die sich ehrenamtlich beim Schwarzen Kreuz engagieren.

Von Liesa Dieckhoff

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Seit wann engagiert ihr euch beim Schwarzen Kreuz? 
Benjamin Schmidt: Ich leite eine Gesprächsgruppe in der JVA Freiburg und engagiere mich seit fünf Jahren im Alphateam. Das heißt: Einmal im Jahr gibt es einen Alphakurs, der aus sechs Monaten Kurs und sechs Monaten Nachbereitung besteht. Insgesamt sind wir ca. 20 Leute und gehen dann zu viert oder fünft in eine Gruppe mit 10 bis 25 Häftlingen.
Rabea Wille: Vor einigen Jahren wurde in meiner Gemeinde jemand gesucht, der einen Mitarbeiter in eine offene Vollzugsanstalt begleitet. Das Thema Gefängnis hat mich sofort gereizt, weil es eine ganz andere Welt ist, mit Kontakt zu Menschen, die ich sonst nicht erlebe.

Wie sahen die Besuche dort aus?
Rabea: Die Inhaftierten im offenen Vollzug arbeiten tagsüber und kommen abends zurück. Da gibt es alle zwei Wochen eine Gesprächsgruppe mit uns, jeweils mit einer kurzen Andacht. Das habe ich einige Jahre lang gemacht, später auch in der U-Haft. Seitdem ich Mutter bin, habe ich nur noch Briefkontakt mit einem Inhaftierten.

Wie muss man sich den Briefwechsel mit einem Häflting vorstellen?
Rabea: Die Geschäftsstelle vermittelt die Kontakte. Der erste Brief kam bei mir vom Gefangenen. Zu Anfang haben wir uns erst einmal kennengelernt, uns über die familiäre Situation, schon besuchte Urlaubsorte oder Essgewohnheiten ausgetauscht. Nach und nach kamen wir dann aber auch auf den Glauben und seine Tat zu sprechen. Ich habe auch von meinen Herausforderungen im Alltag erzählt und er hat mir aus seiner Sicht Rat dazu gegeben.

„Es ist also ein Geben und Nehmen.“

Inzwischen ist er entlassen worden, sodass er Vieles für sich neu ordnen muss. Wir tauschen ab und zu noch Mails aus, aber es ist weniger geworden.

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Welche anderen Möglichkeiten mitzuarbeiten gibt es?
Rabea: Neben den Gesprächskreisen und Briefkontakten gibt es die Möglichkeit einer Einzelbetreuung, dass man einen Inhaftierten also entweder regelmäßig besucht oder nach seiner Entlassung weiter begleitet, zum Beispiel bei Behördengängen. Es gibt auch Ehrenamtliche, die Angehörige betreuen, zum Beispiel allein zurückgebliebene Ehefrauen.

Was ist das Ziel der Arbeit? 
Rabea: Im Gesprächskreis steht für uns im Vordergrund, dass wir den Häftlingen etwas Gutes tun wollen, ihnen eine Pause von ihrem Alltag und gute Gedanken geben. Solange sie uns nicht davon erzählen, wissen wir nichts über ihre Taten. Ich habe meine Aufgabe darin gesehen, den Inhaftierten ein normales Gespräch mit einer jungen Frau zu ermöglichen, wo sie wieder lernen können, was im Umgangston angemessen ist. Einfach die Stimmung hochzuhalten und durch einen lockeren Austausch Abwechslung zu bieten. Der erste Schritt ist eine Beziehung aufzubauen.

„Vertrauen ist die Basis für alles Weitere.“

Benjamin: Oft sind es die Umstände, die Menschen dazu bringen, eine Tat zu begehen. Trotzdem ist es uns wichtig, dass sie auch ein deutliches Schuldgeständnis vorbringen und die Verantwortung nicht auf andere schieben. Wir sagen ihnen also zum einen, dass sie ihre Schuld nicht leugnen sollen, und zum anderen, dass Gott ihnen ihre Schuld abnehmen möchte. Sie sollen erfahren, wie befreiend Vergebung ist, auch für sie selbst.

War das von Anfang an eure Perspektive auf die Inhaftierten?
Rabea: In meiner Referendariatszeit als Juristin habe ich zum ersten Mal von der Arbeit gehört. Damals noch aus einer ganz anderen Perspektive. Ich habe für Gericht und Staatsanwaltschaft gearbeitet, stand also auf der Seite des Staats. Man fühlt sich dann im Recht, jemanden anzuklagen, und wenn man Erfolg hat, kommt es zu einer Verurteilung. Und je besser ich meinen Job mache, desto länger sitzt der im Knast. Bei unserer Arbeit vom Schwarzen Kreuz gehen wir natürlich ganz anders vor. Wir erfahren ganz viel über die Geschichte der Menschen. Sie haben selbst oft Schlimmes in ihrem Leben erlebt. Ich stehe manchmal in der Gefahr, die Inhaftierten nur als Opfer zu sehen. Aber sie sind natürlich auch Täter, die anderen viel Leid zugefügt haben. Gerade in der U-Haft sind das auch schwere Delikte.

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Welchen Herausforderungen steht ihr in dieser Arbeit gegenüber?
Benjamin: Zum Teil werden viele unterschiedliche Sprachen gesprochen, das alles zu übersetzen ist ganz schön herausfordernd. Die Männer im Gesprächskreis haben außerdem oft eine langsamere Auffassungsgabe und eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit. Sie vergessen Vieles wieder, was für uns oft frustrierend ist. Das erinnert mich manchmal an den Kindergottesdienst. Wir haben auch einige Drogenabhängige dabei, da weiß man nicht, wie viel sie wirklich mitbekommen. Die Devise ist also, möglichst einfach, aber auch klar mit ihnen zu sprechen, auch mal zu sagen: „Hey, so wie du das machst, wird dein Leben weiter im Sand verlaufen.“ Die Männer müssen das manchmal so deutlich hören.

„Am Ende steht nur noch Gott da.“

Wie explizit wird das christliche Wesen der Arbeit?
Rabea: Da sind wir ganz klar. Unser Leiter macht jedes Mal eine Andacht, die meist auf den Punkt hinausläuft, dass Gott uns allen unsere Schuld vergibt. Wir singen Lieder und es gibt immer das Angebot an die Inhaftierten, für sich beten zu lassen, was auch hin und wieder angenommen wird. Im persönlichen Gebet erfahren sie dann hautnah, dass Gott auch für sie ansprechbar ist und sie liebt.
Benjamin: Es geht hier um Menschen, die am Tiefpunkt ihres Lebens angekommen sind. Da kommen Fragen hoch, mit denen andere sich vielleicht nie beschäftigen. Die Menschen im Gefängnis stehen eigentlich am Ende – und am Ende steht nur noch Gott da.

Welche Atmosphäre herrscht bei den Besuchern im Gefängnis?
Benjamin: Das Miteinander in der Gesprächsgruppe ist überraschend vertraut, fast wie in einem Hauskreis. Viele Gefangenen empfinden das als einen geschützten Raum, in dem sie sich öffnen können.

Gibt es einen Zwiespalt zwischen der Gefangenschaft und der Botschaft der inneren Freiheit durch Vergebung?
Benjamin: Ja, das ist immer wieder ein Prozess. Manche Leute ermutige ich seit Jahren, dass sie mit ihrer Schuld zu Gott kommen. Ich habe einen Mann kennengelernt, der ein Mädchen vergewaltigen wollte. Es ist nicht dazu gekommen, aber er hat sie dann umgebracht. Mit dieser Konsequenz wird er sein Leben lang leben müssen. Man muss also trennen zwischen der Schuld, die vergeben werden kann zum einen und der Konsequenz, die andererseits immer da sein wird und mit der die Häftlinge lernen müssen, umzugehen. Dabei sind wir Begleiter für die Gefangenen. Für die interessierten Moslems in unserer Gruppe ist der Gedanke, dass Gott ihnen ihre Schuld vergibt, ein großes Problem. Das können sie sich gar nicht vorstellen. Unter den Gefangenen wird auch in einer Wertigkeit gedacht, dass manche Delikte viel schlimmer sind als andere. Diese Abstufung wird dann auf Gott übertragen. Wir müssen ihnen immer wieder sagen, dass das bei Gott nicht so ist und dass es ihm auf unser Herz ankommt.

„Man muss also trennen zwischen der Schuld, die vergeben werden kann zum einen und der Konsequenz, die andererseits immer da sein wird.“

Habt ihr schon mal erlebt, dass ein Täter sein Opfer um Vergebung gebeten hat?
Benjamin: Ich habe schon mal erlebt, dass ein Briefwechsel stattgefunden hat, zwischen dem Täter und den Angehörigen des Opfers. Er hat um Vergebung gebeten, aber die Menschen waren nicht bereit dazu. Das war sehr hart für den Gefangenen. Es ist auch schon mal vorgekommen, dass von außen Leute zu uns gekommen sind, die betroffen waren und den Gefangenen Vergebung zugesprochen haben.

Hast du erlebt, wie jemand von innerer und äußerer Gefangenschaft durch den Glauben frei geworden ist?
Benjamin: Ja, da gibt es zum Beispiel einen, der jetzt wegen guter Führung rauskommt. Den habe ich von Beginn an begleitet. Er kam damals in die U-Haft und wollte sich umbringen – er war richtig am Boden. Später kam er dann in den Bau und zu uns in die Gruppe. Er hatte im Affekt seine Frau umgebracht und konnte mit dieser Schuld erst nicht leben. Das hat sich im Laufe der Zeit wirklich verändert. Er hat seine Schuld immer wieder ganz deutlich bekannt, auch vor den anderen. Er hat Frieden bekommen und auch Vergebung erlebt. Das war sehr eindrücklich. Das ist einer, bei dem ich jetzt ein gutes Gefühl habe und denke: Der schafft es auch draußen, am Glauben dranzubleiben.

 

Das Schwarze Kreuz ist eine 1925 gegründete christliche Initiative, die Kontakt zu Straffälligen in und nach ihrer Haft sucht und sie durch persönliche Ermutigung und praktische Hilfe unterstützt. Der Verein ist deutschlandweit aktiv. In Deutschland gibt es offene, geschlossene und halboffene Vollzugsanstalten. Dabei machen Frauen weniger als 5 Prozent der Inhaftierten aus. Der Name „Schwarzes Kreuz“ soll von den kreuzförmigen Schatten stammen, die sich abzeichnen, wenn Licht durch ein Gefängnisgitter fällt. Naheliegend ist als Namensgeber auch die Analogie zu den anderen Institutionen wie dem roten und blauen Kreuz. Informationen über Aktionen sowie die Möglichkeit zur Mitarbeit gibt es unter www.naechstenliebe-befreit.de.

 


Dieser Artikel ist zuerst in der DRAN NEXT erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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