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Theologen: Mission gehört zum Wesenskern der Kirche

Nicht die Kirche selbst ist Quelle christlicher Hoffnung, sondern Jesus Christus. Deshalb stimmen die Theologen Stefan Schweyer und Philipp Bartholomä nicht in den Abgesang auf Kirche ein.

Ein Interview aus dem kirchlichen Ideenmagazin 3E.

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Der „Patient Kirche“ leidet gegenwärtig unter mehreren hartnäckigen Krankheiten. Viele Gemeinden sind wie gelähmt. Was lässt Sie angesichts dieses Zustands hoffnungsvoll bleiben?
Die Quelle der christlichen Hoffnung ist der Auferstandene – nicht die Kirche. Diese hat schon immer gekrankt und wird immer kranken, solange sie auf dieser Welt ist. Die gute Nachricht ist, dass Gott mit dieser kranken Kirche ans Ziel kommt. Das ist der Kern des Evangeliums. Deshalb sind wir auch im Blick auf die Kirche nicht hoffnungslos und sehen auch viel Ermutigendes. Sicher ist Säkularisierung eine große Herausforderung, der sich die Kirche stellen muss – aber sie bedroht nicht die Existenz der Kirche. Wenn nach Jesus selbst die Kräfte der Hölle die Kirche nicht zu zerstören vermögen, sollten auch wir uns von der Säkularisierung nicht lähmen lassen. Säkularisierung ist kein beständiges Phänomen. Unserer Wahrnehmung nach beginnt manches zu bröckeln.

Warum hat das Thema „Mission“ eine Relevanz für Gemeinden vor Ort?
Wie Gott seinen Sohn in die Welt gesandt hat, so sendet Jesus uns. Mission gehört daher zum inneren Wesenskern der Kirche und ist daher auch für jede lokale Gemeinde bedeutsam. Neben dieser theologischen Bestimmung kann man auch beobachten: Gemeinden ohne Mission schlafen ein und drehen sich zunehmend um sich selbst. Lebendiges Gemeindeleben entsteht dort, wo eine Gemeinde nicht nur an sich selbst denkt, sondern sich in die göttliche Sendung hineinnehmen lässt. Und dann gibt es auch noch einen kontextuellen Faktor: In unserer Zeit ist das Christsein nicht mehr selbstverständlich. Menschen suchen nicht mehr automatisch den Kontakt mit Kirche und Glauben. Kulturelle, christliche Werte verblassen. Das erfordert von der Kirche ein stärkeres und überzeugtes Eintreten für das Evangelium.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Mission „einen klaren theologischen Kompass“ braucht. Wie sieht dieser aus?
Wir sind zunächst grundsätzlich davon überzeugt, dass es sowohl missionarisch als auch geistlich nicht fruchtbar ist, wenn man versucht, Glaubenswahrheiten dadurch genießbar zu machen, dass man sie an den kulturellen Konsens und an gesellschaftliche Erwartungen anpasst. Wir kennen keine Beispiele, in denen theologische Beliebigkeit nachhaltig zu gesunden lebendigen Gemeinden geführt hätte. Im Gegenteil: Gerade die Orientierung an einer Wahrheit, die größer ist als wir selbst und unsere eigene kleine Welt, erweist sich als heilsam und missionsfördernd. Die exakte Definition eines theologischen Kompasses mag schwierig sein. Im Kern denken wir an eine Hochachtung der Bibel als Selbstmitteilung Gottes. Es hat dem Volk Gottes immer geschadet, wenn Gottes Wort infrage gestellt, verdreht oder gar bewusst ignoriert wurde. Die altkirchlichen Bekenntnisse haben der Kirche über Jahrhunderte Grundlage und Orientierung gegeben – und wir glauben, dass eine Rückbesinnung auf diese Bekenntnisse gerade in nachchristentümlichen Kontexten besonders bedeutsam ist. Im Zentrum geht es um Jesus Christus, der als wahrer Gott und wahrer Mensch in der Lage ist, Gott und Mensch zusammenzubringen.

Die Auseinandersetzung mit unerfüllten Sehnsüchten ist häufig ein Ansporn, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen.

Wie kann ich ein Gespräch über den Glauben mit einem postmodern geprägten Menschen beginnen? Wo sind da meine Andockflächen?
Trotz einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Kirche und Glauben bleiben spirituelle Grundinstinkte bestehen. Sie sind zutiefst in unser Menschsein hineinverwoben. Dazu gehört die Sehnsucht nach Schönheit, nach Liebe, nach Gerechtigkeit, nach Beziehung, nach Gemeinschaft. Aber auch die Erfahrung von Bösem, von Ungerechtigkeit, von Zerbrochenheit, von Schuld und Scham und damit die Sehnsucht nach einem „guten Leben“. Diese Themen „jucken“ unsere Mitmenschen nach wie vor. Gespräche über den Glauben können also gut dort beginnen, wo wir mit unseren Mitmenschen in Gespräch kommen über das, was sie bewegt und erfüllt, was ihnen Angst macht und worauf sie hoffen. Die Auseinandersetzung mit unerfüllten Sehnsüchten ist häufig ein Ansporn, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Das gibt die Gelegenheit, Jesus Christus als denjenigen zu bezeugen, der unser Menschsein in der Tiefe erfüllt und uns eine tragende Hoffnung schenkt – auch mitten in der Gebrochenheit des Lebens.

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Wie agiert eine Gemeinde, die Menschen den Weg zu Jesus erleichtern und Steine schon vorab aus dem Weg räumen will?
Wenn Menschen heute zum Glauben kommen, geschieht das in aller Regel in einem längeren Prozess. Man hat das häufig mit dem Ausdruck „belonging before believing“ beschrieben. Das bedeutet, Menschen fühlen sich bereits über einen gewissen Zeitraum zu einer kirchlichen Gemeinschaft zugehörig, bevor sich ein eigener aktiver Glaube an Jesus Christus herausbildet. Für die Gemeinde bedeutet das, dass sie ihre Räume öffnet, damit Menschen die Gemeindepraxis miterleben und in eine Glaubensgemeinschaft hineinschnuppern können. Das lässt sich unter dem Stichwort „Gastfreundschaft“ beschreiben – ein für uns zentrales Konzept missionarischen Gemeindeaufbaus. Gastfreundliche Gemeindekultur bedeutet: den anderen in seinem Fremdsein wahrzunehmen und zu lieben und mit ihm das zu teilen, womit wir von Gott beschenkt sind. Ganz konkret geht es auch um Tischgemeinschaft und um Gespräche, in denen skeptische Fragen, Zweifel und andere Meinungen angstfrei geäußert und besprochen werden können.

Stefan Schweyer und Philipp Bartholomä
Stefan Schweyer und Philipp Bartholomä (Foto: privat)

Seit den Anfängen der Fresh-X-Bewegung sprechen wir von einer „Geh-Struktur“ hin zu Menschen. Haben attraktionale Angebote in Kirchen und Gemeindehäusern dann noch Zukunft?
Hingehen und Hinzukommen – Sendung und Sammlung – spielen wir nicht gegeneinander aus. Mission in einem biblischen Sinn kennt beide Dynamiken und verbindet sie miteinander. Jesus selbst sagt: „Geht hin in alle Welt“ (Geh-Struktur) und „Kommt her, ihr Mühseligen und Beladenen“ (Komm-Struktur). Wir sehen schon, dass rein attraktionale Event-Angebote mit Konzertatmosphäre zwar kurzfristig viele Menschen anlocken können, aber nicht unbedingt nachhaltig wirksam sind. Das ist auch so ressourcenintensiv, dass dies von vielen Gemeinden so gar nicht zu leisten ist. Wir nehmen dagegen wahr, dass nachhaltige Mission dort gelingt, wo Gemeinden den Beziehungsfaktor (Hingehen) mit gästesensiblen Gottesdiensten (Hinzukommen) verbinden.

Was können wir als Ehren- oder Hauptamtliche konkret tun, wenn wir Mission als „Herzschlag der Kirche“ spüren und vor Ort aktiv werden wollen?
Unserer Meinung nach beginnt es mit der Leidenschaft für das Evangelium, wo wir gemeinsam anfangen, für unsere Mitmenschen zu beten, dass sie zum Glauben kommen. Eine weitere wichtige Weichenstellung dürfte darin bestehen, sich die Zeit zu nehmen, über die missionarische Ausrichtung der Gemeinde nachzudenken. Wir nehmen wahr, dass Haupt- und Ehrenamtliche vielfach durch unzählige Alltagsgeschäfte auf Trab gehalten werden und kaum den Blick und die Gedanken frei kriegen für die Mission der Gemeinde.

Die Fragen stellte Andreas Schmierer (Studienassistent für Praktische Theologie, Bengelhaus).

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Dieser Artikel ist im kirchlichen Ideenmagazin 3E erschienen. 3E gehört wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag.

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2 Kommentare

  1. Dem kann ich irgendwie zustimmen 🙂
    Heilt Kranke, reinigt Aussätzige, treibt die Teufel aus.
    Dies ist der der Auftrag des Herrn.

  2. Gott ist Liebe pur

    Dem Artikel des Autors kann ich nur vollständig zustimmen. Allerdings verkündigen wir nicht uns selbst – und wir wollen auch nicht Menschen nach unserem Bilde machen. Sondern es geht um die beste und schönste Botschaft im Universum: GOTT LIEBT DICH. Deshalb kam er sogar als Hoffnungszeichen als kleines Baby auf die Welt, weil alle eingeladen sind in einen Neuen Himmel und eine Neue Erde. Auch weil Gott uns so liebt, dass er an einem Kreuz alle unsere Defizite „annagelte“, dabei sich mit allen Menschen dieser Welt versöhnte und Hoffnung schenkte für unseren schönen blauen Planeten. Denn Jesus kam nicht als Richter, sondern Friedefürst. Wir sind daher wie die Bibel eine BIBEL AUF ZWEI BEINEN, denn wir verkündigen die allerbeste Botschaft des Universums: Gott ist Liebe. Aus Liebe ergeben sich auch Gerechtigkeit, Friede, Versöhnung und unser ganzes ethisches und moralisches Denken. Deshalb ist die Weitergabe der besten Botschaft so wichtig wie das Löschmittel für jede Feuerwehr. Aber die frohe Botschaft besteht nicht aus frommen Worthülsen, sondern sie darf exemplarisch gelebt werden. Auch wenn dies nicht immer Thema sein muss: Als Christ bin ich niemals ein Rassist, Antisemit, Populist, Rechtsextremist und ich verbreite nicht Hass und Häme. Ich bin sogar auch noch verantwortlich dafür, welche Partei ich guten Gewissens wählen kann und welche auf jedem Fall nicht. Christinnen und Christen dürfen auch die Bergpredigt lieben und sich gesellschaftlich und politisch engagieren. Gott liebt diese Welt und wir sollten Gott, den Nächsten und uns selbst lieben. Wer dem Nächsten und Fernen die beste Nachricht im Universum weitersagen möchte, sollte es mit Empathie, Achtsamkeit und Toleranz tun. Denn Gott hat auch Menschen geschaffen und so wie sie sind gewollt, die von dem abweichen können was ich wir gewohnt sind. Die dazu deckungsgleiche Jahreslosung für 2024 lautet, alles in Liebe zu tun. Und selbstverständlich: Ich und viele andere sind niemals wirklich vollkommen, aber manchmal gibt es das Wunder, dass ich mich erfolgreich meinem Ideal annähern darf. Ich habe selbstkritisch festgestellt, dass es nicht funktionieren kann, heute noch die ganze Welt zu retten. Aber wenn ich einem anderen unverhofft ein Lächeln schenke, dann kann dies Türöffner sein für die großen Ziele einer Verbesserung aller Verhältnisse. Die Hoffnung lehrt glauben, dass wir einst die Schwerter zu Werkzeugen machen und den Krieg ächten. Wir verkündigen mit dem Evangelium also nicht nur den geistlichen Frieden, sondern jenen der keinerlei Panzer, Atomraketen und Hasspropaganda mehr braucht. Dies alles macht Gott, aber nicht ohne uns. Dazu braucht er viele Beine und unsere emotionale Intelligenz.

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