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Grenzen übertanzen: Projekt „Freudentanz“ hilft Kindern im Asylbewerberheim

Ihren Platz im Leben und ihren Platz in Deutschland finden, dabei will Eva-Maria Weigert mit ihrem Projekt „Freudentanz“ Kindern in einem Münchner Asylbewerberheim helfen. Mit Jesus.de-Mitarbeiterin Wiebke Harle sprach die überzeugte Christin über kulturelle Barrieren, gegenseitigen Respekt und darüber, wie wichtig es ist, Herzen und Wohnungen aufzumachen.

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Jesus.de: Ein Tanzprojekt mit Kindern zu starten, die im Asylbewerberheim leben, ist nicht unbedingt etwas Alltägliches. Wie sind Sie darauf gekommen?

Eva-Maria Weigert: Angefangen hat alles, als meine Töchter ein Mädchen kennengelernt haben, das aus Syrien kam und im Asylbewerberheim wohnte. Die hat sie eingeladen und ich bin einfach mal mitgegangen. Zugegebenermaßen war ich ziemlich geschockt und ich habe mich gefragt, was man als Einzelner in so einer Umgebung überhaupt machen kann. Da waren so viele Kinder, so viele Bedürfnisse, so viele Defizite und so wenig Möglichkeiten, an der Situation etwas zu ändern.

Gleichzeitig war ich aber auch sehr fasziniert von der Herzlichkeit, von der Gastfreundschaft der Bewohner und von den verschiedenen Kulturen. Ich habe dann ehrenamtlich angefangen, einmal pro Woche Hausaufgabenbetreuung zu machen.

Sie sind keine ausgebildete Pädagogin…

…aber ich habe mich schon immer sehr stark sozial engagiert, zum Beispiel in der Gemeindearbeit. Außerdem war ich sehr lange Familienmutter, habe also viel von meinen Kindern und Pflegekindern gelernt. Wir waren immer eine offene Familie – auch eine Art Projekt. Es haben oft Menschen mit uns zusammen gewohnt und gelebt, die eigentlich keine Familienmitglieder waren.

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Als meine Familienzeit langsam zu Ende ging, habe ich mich gefragt, was ich jetzt machen möchte. Ich habe dann Verschiedenes ausprobiert – und währenddessen gebetet und gewartet, dass irgendwo eine Tür aufgeht.

Und es ist eine Tür aufgegangen. Wie kamen Sie ausgerechnet darauf, mit den Kindern im Heim zu tanzen?

Es hat sich immer wieder die Frage gestellt, was man mit so vielen Kindern auf so engem Raum machen kann. Letztlich sind wir aufs Tanzen gekommen, auch weil Tanzen in vielen Kulturen viel normaler ist als in der deutschen. Außerdem sind Musik, Tanz und Bewegung etwas Kulturübergreifendes. Das versteht man ohne Worte, es ist relativ einfach und schnell umzusetzen.

Wir haben beschlossen, einfach mal zu üben und zu gucken, ob wir irgendwo zu einem Wettbewerb gehen können. Weil es aber nur Wettbewerbe von Tanzschulen und Vereinen gab, haben wir dann kurzerhand einen eigenen veranstaltet und gehofft, dass überhaupt jemand daran teilnimmt. Und dann waren beim ersten Mal tatsächlich schon hundert Kids da.

Weil die Kinder so wahnsinnig gut sind, fanden viele, dass es schade sei, wenn niemand das sehen könnte. Deshalb kam es dazu, dass wir angefangen haben, aufzutreten, zum Beispiel im Altersheim. So hat sich das Projekt dann weiterentwickelt.

Wie oft trainieren die Kinder denn?

Dadurch, dass es ein Selbsthilfeprojekt ist, ist das ganz unterschiedlich. In Asylbewerberheimen gibt es ja nicht besonders viel zu tun. Je nachdem wie gut sich die Gruppe versteht, trainieren sie manchmal täglich oder einfach immer wenn sie frei haben. Manche Gruppen, bei denen das soziale Miteinander nicht so gut ist, trainieren nur einmal pro Woche, wenn ich dabei sein kann, weil sie ohne mich streiten. Ich muss leider sagen, dass es sehr viel Streit und Gewalt gibt. Es dauert in der Regel mindestens ein Jahr, bis eine größere Gruppe einigermaßen gut miteinander trainieren kann.

Es ist also nicht immer ganz einfach, mit den Kindern zu arbeiten…

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Die Kinder, die ich betreue, leben in Multiproblemsituationen. Sie sind dauernd Stress ausgesetzt. Sie haben Eltern, die miteinander streiten oder Mütter, die alleinerziehend sind. Sie haben Stress, weil sie kein Geld haben. Im Vergleich zu den meisten deutschen Kindern haben sie nichts. Sie sind nichts, haben nichts. Sie haben ständig Stress wegen ihres Aufenthalts hier. Viele haben ja nur zwei Monate Aufenthaltsgenehmigung und ein oder zwei Wochen, bevor sie wieder zum Kreisverwaltungsrat müssen, kann die ganze Familie nicht schlafen… Das sind Dauerstresssitutionen.

Es ist auch schwierig, weil sie aus anderen Kulturen kommen. Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder hier unter schlechten Einfluss geraten. Viele Leute im Asylbewerberheim kennen kaum Deutsche. Ihr Bild von Deutschland machen sie sich, wenn sie RTL2 gucken. Sie befürchten auch, dass ihre Kinder "ungläubig" werden, versumpfen, dass ihnen was zustößt oder dass sie den vielen Versuchungen des Wohlstands erliegen. Deshalb ist die Erziehung oft sehr, sehr streng.

Die Eltern haben selbst oft große Defizite. Deshalb findet häufig ein Rollentausch statt. Die Kinder müssen die Starken sein. Sie müssen den Eltern die neue Welt erklären, weil die sich hier überhaupt nicht zurecht finden. Die Kinder schaffen das viel schneller, auch weil sie in die Schule gehen. Weil sie besser deutsch können, sind sie vielfach die Dolmetscher ihrer Eltern. Das sind viel zu viele schwierige Situationen, die die Kinder meistern müssen.

Wie kann Ihr Projekt da helfen?

Ich arbeite im Augenblick bereits mit der dritten Generation Kids. Die, mit denen ich angefangen habe, sind jetzt schon erwachsen. Sie sind im Beruf oder auf einer weiterführenden Schule oder machen eine Ausbildung. Es ist für mich sehr, sehr schön, mitzuerleben, dass ich Kindern wirklich etwas mitgeben konnte, dass ich helfen konnte, sie auf einen guten Weg zu bringen. Mit meiner Arbeit trage ich dazu bei, dass sie hier auf der Welt ihren Platz finden, dass sie in Deutschland ihren Platz zu finden, dass sie angekommen sind und sich integriert haben. Kurz, dass es ihnen gut geht. Das ist für mich die größte Belohnung. Da sehe ich einfach, dass meine Arbeit einen Sinn hat.

Sie sprachen darüber, dass Eltern befürchten, ihre Kinder könnten hier ungläubig werden. Haben Sie von Seiten der Eltern schon einmal Ablehnung erfahren, weil Sie Christin sind?

Das habe ich bis jetzt sehr, sehr selten erlebt. Mein Glaube ist der Grund auf dem ich stehe. In der muslimischen Kultur ist der Glaube auch etwas ganz Zentrales. Das ist kein Hobby oder einfach nur eine Privatsache. Wenn du Muslim bist, ist das dein Lebenssinn, deine Bestimmung, dein Zweck. Viele Muslime, die ich im Heim kennengelernt habe, finden es schlimm, dass in Deutschland so wenige Leute glauben. Wenn sie dann doch jemanden kennenlernen, der gläubig ist, respektieren sie das. Ich habe da meist große Anerkennung erlebt.

Umgekehrt ist es genau so. Ich respektiere ihren Glauben auch. Das ist oft das Einzige, was ihnen geblieben ist. Alles andere haben sie verloren und treten auch deshalb für ihren Glauben sehr stark ein.

Gibt es auch Leute, die das Christentum gerne kennenlernen möchten?

Ich nehme öfter Eltern, die sich dafür interessieren, mit in die Kirche. Kinder allein nehme ich nicht mit. Ich frage immer die Eltern, ob sie nicht mitkommen wollen. Viele haben großes Interesse, weil sie noch nie in einer Kirche waren – weil sie noch nie eingeladen wurden. Manche ganz strenge Muslime, warten aber auch vor der Kirche, wenn ich mit ihren Kindern dort bin. Aber obwohl sie selbst nicht mitkommen wollen, finden sie es wichtig, dass ihre Kinder das mal sehen.

Viele Kinder, mit denen Sie arbeiten, haben wirklich schreckliche Dinge erlebt. Sprechen Sie mit ihnen auch darüber?

Nur, wenn sie selber erzählen. Das kommt oft unvermittelt und wir reden ganz offen darüber. Ich kann auch manchmal für die Kinder beten, auch für die Mütter, wenn es ihnen schlecht geht. Wenn eine der Frauen mir erzählt, wie groß die Last ist, die sie tragen muss und dass sich ihr Herz wie ein Stein anfühlt, dann sage ich ihr, was Jesus gesagt hat: Wenn du schwere Lasten zu tragen hast, wenn du einen schweren Rucksack mit dir herumschleppst, oder wenn du einen Stein auf dem Herzen hast, dann komm zu mir, die du mühselig und beladen bist und ich will dir Ruhe geben und es dir leichter machen." Und dann bete ich für die Leute. Ich habe eigentlich noch nie erlebt, dass das jemand abgelehnt hat. Die meisten werden dabei wirklich angerührt.

Wichtig für solche Gespräche ist, dass wir eine gemeinsame Vertrauensbasis haben. Es kommen häufig Leute verschiedener Glaubensgemeinschaften ins Asylbewerberheim, die einfach ihre Traktate da lassen. Die liegen dann überall auf dem Boden und im Papierkorb rum, keiner liest diese Sachen. Ich habe nicht das Gefühl, dass das irgendetwas bewirkt. Wenn diese Leute kämen, um beispielsweise bei den Hausaufgaben zu helfen, wenn sie ihre Herzen und ihre Wohnungen aufmachen würden, dann würde das einen Unterschied machen. Aber so?

Haben Christen in diesem Bereich einen besonderen Auftrag?

Es gibt eine Bibelstelle, in der Jesus sagt: Ich war fremd und ihr habt mich besucht, ihr habt mich aufgenommen, ihr habt mich wie einen der euren behandelt…" Also, ja, ich denke schon, dass das ein besonderer Auftrag an uns ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen zum Projekt gibt es hier.

(Quelle: jesus.de)

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