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Johannes Hartl: Beziehung zu Gott ist etwas „Geheimnisvolles“

Im Interview mit „andersLEBEN“-Redakteurin Anja Schäfer beschreibt Gebetshaus-Gründer Johannes Hartl seine Gottesbeziehung. Außerdem spricht er über die Klimabewegung und den Sinn für Schönheit.

Anja Schäfer: Johannes, du kommunizierst eine Menge: schreibst Bücher, hältst Vorträge, machst Podcasts und Videos und Instagram … Was empfindest du als deinen inneren Auftrag?

Johannes Hartl: In den unterschiedlichen Medien mache ich unterschiedliches. Aber wenn ich eine Überschrift finden sollte, dann würde sie lauten: für suchende und denkende Menschen auf eine ganzheitliche und authentische Weise einen Weg aufzeigen zu einer innigen Beziehung zu Gott. Das hat dann unterschiedliche Ausfaltungen, das ist manchmal eher rational, wenn es ins Philosophische oder Gesellschaftliche hineingeht wie jetzt in meinem neusten Buch. Manchmal ist es eher künstlerischer oder musikalisch. Und bei Instagram ist es sehr niedrigschwellig, eher auf der Ebene von Lebenshilfe und konkreten Ratschlägen für den Alltag.

Du hast gerade von einer „innigen Beziehung zu Gott“ gesprochen. Wie würdest du deine eigene Beziehung zu ihm beschreiben?

Sie ist etwas sehr Geheimnisvolles. Eine geheimnisvolle Reise, die sehr tief mit meinem eigenen Herzen zu tun hat und gleichzeitig immer tiefer in das Geheimnis von Jesus hineinführt. Sie ist deswegen sehr geheimnisvoll, weil sie den Raum der Worte und den Raum des Verstehens übersteigt und deshalb nicht immer in unsere Kategorien passt.

Wenn du ihn verstehst, dann ist es nicht mehr Gott.

Anselm von Canterbury

Wünschst du dir manchmal, diese Beziehung wäre greifbarer?

Ich finde das Geheimnis schön. Anselm von Canterbury hat gesagt: „Wenn du ihn verstehst, dann ist es nicht mehr Gott.“

Gleichzeitig ist dieser geheimnisvolle Gott ganz konkret auf die Erde gekommen, war Mensch, hat an einem echten Holzkreuz gehangen … Wie geht es dir mit dieser Bruchstelle, dass der Ewige, der Unsichtbare plötzlich fassbar wurde?

Wir Menschen sehnen uns nach Liebe, und Liebe gibt’s nur mit Personen. Liebe gibt’s nicht als freischwebende Kraft. Und deshalb ist die Rede, dass Gott Person ist und Mensch wird, wunderbar und die Antwort auf unsere tiefste Sehnsucht.

In deinen Vorträgen erwähnst du immer wieder auch die Klimabewegung, aber für mich klingt da eine zwiespältige Haltung durch. Als fändest du das ganze Anliegen zwar nicht verkehrt, aber andere Themen noch wichtiger. Stimmt das?

Das Thema Ökologie ist omnipräsent. Und da sage ich überhaupt nichts dagegen, ganz im Gegenteil, das ist ein wichtiges Thema. Wir müssen aber andere Themen dringend auch im Blick behalten. Generell ist die ökologische Bewegung unglaublich wichtig, es gibt aber einen Grad von Panik und Alarmismus, der rationales Denken eher erschwert, und gegen den bin ich. Wir brauchen eine nüchterne, verantwortungsvolle Politik der Ökologie.

Es ist keine Frage, dass das Klima sich erwärmt, es ist keine Frage, dass es schwerwiegende Folgen nach sich ziehen wird.

Nun sagen aber 28.000 Scientists for Future ganz rational: „Es ist ernst. Wenn wir nichts tun und die Temperaturen viel mehr als 1,5 Grad steigen, werden wir unseren Planeten in wenigen Jahrzehnten nicht wiedererkennen.“ Kann es nicht sein, dass dieses Thema gerade wichtiger ist als andere?

Nein, es gibt viele Themen, die gleichzeitig wichtig sind. Es ist keine Frage, dass das Klima sich erwärmt, es ist keine Frage, dass es schwerwiegende Folgen nach sich ziehen wird. Aber egal, wie diese Folgen aussehen werden: Wir werden Menschen brauchen, die innovative Möglichkeiten finden, mit diesen Problemen umzugehen. Denn es wird – höchstwahrscheinlich – auch in ein paar Jahrzehnten noch Menschen geben. Und wie die zusammenleben und welche Art von Leben die führen, ist genauso wichtig wie die Frage ihrer ökologischen Umstände.

Um die Fragen des Zusammenlebens geht es ja auch in deinem neuen Buch „Eden Culture“. Für wen hast du es geschrieben?

Ich hatte alle im Sinn, die sich Gedanken über die Zukunft unserer Gesellschaft machen. Es ist ein Sachbuch und deshalb auch für Leute, die vielleicht ein bisschen stärker geschichtlich oder politisch, psychologisch oder sozial interessiert sind. Schwerpunktmäßig Leute, die zwar dem christlichen Glauben nicht feindlich gegenüberstehen, aber die nicht zum religiösen Sektor gehören.

„Da werde ich als gläubiger Mensch spürbar“

Man könnte überrascht sein, dass du als Theologe und Gebetshausleiter darin sehr wenig die Bibel zitierst, sondern viel mit Studien, Beobachtungen oder Literatur argumentierst.

Wenn man in ein Gespräch eintritt, muss man an die Plausibilitäten des Gesprächspartners anknüpfen. Das bedeutet, wenn man mit Menschen spricht, für die die Bibel keine Referenz ist, dann kann man nicht sagen „In der Bibel steht …“, sondern man muss eine andere Basis finden wie die Philosophie, die die grundsätzliche Frage der Menschen nach Wahrheit ist.

Am Schluss nehme ich dann immer gerne noch einmal eine andere Abzweigung und sage: „An dieser Stelle wäre jetzt die christliche Deutung …“ Da werde ich als gläubiger Mensch spürbar. Aber ich möchte ein Buch geschrieben haben, das dann auch jeder mit Gewinn lesen kann, der sagt: Aber mit diesen Glaubensthemen habe ich trotzdem nichts am Hut.

Du zitierst relativ am Anfang den Soziologen Hartmut Rosa, der sagt, dass uns „keine Gestalt gelingenden Lebens mehr vor Augen“ steht. Wie kommt das?

Also erstmal ist es faszinierend, dass Hartmut Rosa als säkularer Soziologe zu dieser Schlussfolgerung kommt, dass wir uns in der Moderne zwar immer weiter beschleunigen und immer mehr Weltreichweite haben, immer mehr Sachen kaufen, immer mehr umherfliegen, aber worin das gute Leben besteht, das wissen wir immer weniger. Woran das im Einzelnen liegt, bin ich mir gar nicht so sicher. Mir geht es darum zu zeigen: Wie könnten denn Bausteine eines gelingenden Lebens aussehen?

Sinn, Verbundenheit und Schönheit

Kannst du sie kurz skizzieren?

Drei Überschriften: „Sinn“, „Verbundenheit“ und „Schönheit“. Ich ziehe sie zum einen aus der Schöpfungserzählung, die es so ähnlich auch in anderen Kulturen gibt. Und zum anderen aus der Beobachtung, was den Homo Sapiens von hoch entwickelten Primaten, von Schimpansen zum Beispiel, unterscheidet. Da findet man dann einen Grad von Verbundenheit, der einzigartig ist. Wir haben die Möglichkeit, durch Sprache Sinn auszudrücken, und wir haben die Kunst, also einen Sinn für die Schönheit.

Diese drei unterscheiden uns von den Tieren. Und deswegen glaube ich, dass Sinn, Verbundenheit und Schönheit drei wesentliche Elemente dessen sind, was das menschliche Leben ausmacht und ich sammle in meinem Buch wissenschaftliche Empirie, die das erhärten kann.

Gib mal ein Beispiel.

Genauso schädlich wie zu rauchen oder stark übergewichtig zu sein, ist es einsam zu sein, denn Verbundenheit ist ein Element der Ökologie unseres Herzens. Vor wenigen Wochen ist eine große Studie herausgekommen, die Ähnliches für den Sinn herausgefunden hat: Menschen, die eine Sinnorientierung in ihrem Leben haben, sind bedeutend weniger anfällig für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und haben bessere Heilungschancen bei Krebs. Wir müssen über diese Themen sprechen, denn da geht’s auch um das körperliche Überleben.

Kirche verbindet

Wie sähe für dich eine gesunde Verbundenheit aus? Würden für dich gemeinschaftlichere Lebensformen dazugehören?

Einfache Antwort: Ja. Wir haben eine immer größer werdende Tendenz der Vereinsamung – und kommunitäre Lebensformen oder Lebensformen der Gemeinsamkeit werden ein Modell der Zukunft sein. Das wird für viele natürlich in der Familie beginnen, aber nicht alle werden in einer Familie leben. Und deswegen brauchen wir zusätzlich neue Formen, wo auch christliche Kirchen neu ins Spiel kommen.

Sie ist schon jetzt einer der wenigen kulturellen Räume, in denen es überhaupt noch Verbundenheit über bestimmte soziale Gruppen hinweg gibt. Gemeinschaften, die eine authentische und tiefe Gemeinsamkeit und Verbundenheit ausstrahlen und auch leben, werden in Zukunft noch viel gefragter sein.

Es geht noch weiter! Den zweiten Teil des Interviews mit Johannes Hartl ist hier zu finden.

Die Fragen stellte Anja Schäfer (Redakteurin der Zeitschrift anders-LEBEN).


Dieses Interview erschien im Magazin andersLEBEN (Ausgabe 04/21). andersLEBEN ist ein Produkt des Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.


Jubiläum Gebetshaus Augsburg

Zusammen mit seiner Frau Jutta hatte Johannes Hartl die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen rund um die Uhr beten. 2007 fand das erste Treffen in einer Mietwohnung statt, 2012 wurde ein Gebäude gekauft. In den modern ausgestatteten Raum in Augsburg passen etwa 150 Leute.

Dieses Jahr markiert ein besonderes Jubiläum: Seit zehn Jahren findet hier ohne Unterbrechung Gebet statt. In der Regel macht immer eine Person oder eine Band eine Stunde lang meist ruhige Musik und Menschen können dazukommen und in schlichter Weise mit Gott in Kontakt treten. Finanziert wird das Gebetshaus allein durch Spenden.

Zudem laufen weitere Veranstaltungen: Die „Mehr“-Konferenz zog zuletzt 12.000 Besucher und Besucherinnen an und wurde selbst in der Tagesschau erwähnt. Für Januar 2022 ist ein kleineres Format geplant – unter einem neuem Namen: „Weniger – Zurück zum Wesentlichen“. (Jesus.de berichtete)

Infos: www.gebetshaus.org

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1 Kommentar

  1. Wenn du ihn verstehst, dann ist es nicht mehr Gott

    „Wenn du ihn verstehst, dann ist es nicht mehr Gott“ ! Diese Aussage von Johannes Hartl würde ich unbedingt unterschreiben. Gott ist kein Wesen in einer physikalischen Form, vielmehr ist er so unendlich wie seine Schöpfung. Es gibt das (fast) unendliche Universum nur, weil sich in ihm die Gedanken des Schöpfers in Materie/Energie verwandeln. Gleichwohl glaube ich, dass alles Existierende die Gedanken des Schöpfers verkörpern. Wie heißt es so schön „am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“! Diesen Anfang darf man sich m.E. nicht zeitlich vorstellen, weil wir dann fragen müssten, was hat Gott getan, bevor er alles schuf ? Die Frage wäre unsinnig, denn er/sie ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, zeitlos, an allen Orten und Gott hat immer gedacht und war immer Schöpfer. Daher muss mit dem Begriff „Anfang“ wohl eher gemeint sein, dass alles nur existiert von und aus Gott heraus. Ein solch unbegreifbarer Schöpfer, der doch wie die beste Mutter und der beste Vater ist, allumfassend, liebend, barmherzig und gerecht, kann niemand von uns begreifen, denn genauso unbeantwortbar ist die Frage, warum überhaupt etwas existiert und warum nicht das Nichts ist. Die Juden haben es uns eher voraus, Gott nicht zu vermenschlichen, selbst seinen Namen voll auszusprechen ist eigentlich nicht erlaubt, um ihn nicht zu missbrauchen und vielleicht auch um ihn nicht in menschliche Denkschablonen zu pressen. Es geht nicht um die vielen Götter und Götzen antiker Religionen und es geht auch nicht darum, ein dogmatisches Lehrgebäude zu installieren, wenn man mit der Vorstellung eines Gottes alles widerspruchsfrei zu erklären versuchen würde. Gott ist auch in immaterieller Hinsicht höher als unsere Gedanken und mit Sicherheit größer als wir ihn zu denken vermögen. Auch wenn das Gleichnis vom Ameisenhaufen hier nicht hundertprozentig rund ist, so ist doch die Menschwerdung unseres Schöpfers ein wenig so, als wenn jemand sehr aufmerksam sieht, dass diese Insekten ein großes Problem haben. So muss der Helfer selbst zum Geschöpf, zur Ameise werden. Gottes Wesen können wir alle erkennen in seiner Beziehung zu uns Menschen und zu den anderen Wesen die fühlen und/oder denken können, im Gesicht und Wesen von Jesus Christus. An Weihnachten kleidete einer meiner Pfarrer die Menschwerdung Gottes in die Aussage: „Dass Gott ein kleines Baby wurde, war einfach seine sehr gute Idee“! Kann Liebe noch größer sein? Mein Gott liebt mich, dass ich nie tiefer fallen kann als in seine geöffneten Hände. Über all dies kann man theologisch/biblisch oder philosophisch diskutieren, aber der Glaube an unseren Gott ist zutiefst eine Beziehungsfrage. Fragte nicht Jesus Petrus „liebst zu mich“? Menschen mit Nahtoderfahrung sind diesem großen Licht absoluter Liebe begegnet und haben daher (immer!!!) völlig ihr Leben verändert. So wie Saulus als mordender Christenverfolger vor Damaskus diesem großen Licht begegnete und ein Völkerapostel Paulus wurde. Niemand kann im Leben oder im Tod an Gott vorbei. Aber dies ist kein Grund vor ihm Angst zu produzieren, sondern Hoffnung und Lebenshilfe.

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