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Katrin Göring-Eckardt: Der Kirchentag soll Spiritualität auf die Straße bringen

Die Krisenhaftigkeit der Zeit treibe die Menschen zum Kirchentag, meint Katrin Göring-Eckardt, Präsidentin des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden, im Interview.

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Frau Eckhardt, unterscheidet den Kirchentag in Dresden etwas von Kirchentagen im Westen?

Göring-Eckardt: Es wird der größte evangelische Kirchentag sein, den wir seit langem haben. Und von der Teilnehmerzusammensetzung aus gesehen wird es der erste wirklich gesamtdeutsche Kirchentag sein, weil die Besucherzahlen aus Ostdeutschland und aus der Region selbst sehr groß sind. Und wir machen das Thema Osteuropa stark: die Frage der Freiheit, und wie wir mit ihr umgehen, wird eine große Rolle spielen. Dresden liegt ja in der Mitte Europas.

Wie viele Teilnehmer werden erwartet? Wie viele davon kommen aus dem Osten Deutschlands, wie viele aus den angrenzenden Ländern Polen und Tschechien?

Göring-Eckardt: Wir erwarten weit über 110.000 Teilnehmer. Das sind deutlich mehr als bei vergangenen Kirchentagen. Etwa ein Drittel der Teilnehmer kommt aus dem Osten Deutschlands. Aus den mittelosteuropäischen Ländern kommen etwa 4.000, vor allem aus Polen, aus Tschechien und aus Ungarn.

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Wie erklären Sie sich diese hohe Resonanz?

Göring-Eckardt: Wir hatten lange nicht solche Zeiten, die so stark von Krisen begleitet sind wie jetzt. Der Kirchentag findet in einer Zeit statt, in der viele Menschen das Bedürfnis haben nach Einordnung, nach Diskussion und nach Orientierung.

Was sind die spirituellen Schwerpunkte dieses Kirchentags?

Göring-Eckardt: Wir haben Kirchentag in einer säkularen Region, in einem säkularen Umfeld. Ein Viertel der Dresdner Bevölkerung sind Christinen und Christen – evangelische und katholische zusammen. Deshalb wollen wir Religion und Spiritualität auf die Straße bringen. Auch ganz greifbar: Wir stellen Kirchenbänke auf öffentliche Plätze in Dresden und erklären, was es auf sich hat mit Pfingsten, mit Ostern, mit der Auferstehung. Und wir werden in den Gottesdiensten das Gefühl vermitteln, dass die Christen im Osten nicht allein sind – nicht zehn oder zwölf wie oft sonntags im Gottesdienst, sondern Hunderte, Tausende. Wir werden Spiritualität auch auf ganz verschiedene andere Weisen erleben – ob das Kirchenmusik ist oder moderne Konzerte, das Taizé-Gebet oder die Debatte um Religion und Fußball.

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Wie wird das in Dresden ankommen?

Göring-Eckardt: Natürlich werden die Dresdnerinnen und Dresdner, die ja zu drei Vierteln nichts mit Kirche zu tun haben, nicht an jeder Ecke aufgefordert zu beten. Sie werden aber sehen, dass Christen nicht nur fröhlich diskutieren, sondern auch fröhlich ihren Glauben leben und fröhlich feiern können.

Was werden die politischen Schwerpunktthemen dieses Kirchentags sein?

Göring-Eckardt: Wir rechnen damit, dass sich jetzt viele für die Frage des Atomausstiegs interessieren. Dazu wird es extra Veranstaltungen geben, die wir neu konzipiert haben. Auf dem Neumarkt an der Frauenkirche wird es eine «Speakers Corner» geben – eine kleine Bühne, auf der sich jeder äußern kann. Das zweite Großthema, das viele Menschen bewegt, ist die Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Krisenhaftigkeit der Zeit treibt die Kirchentagsbesucher sehr um. Die Vielzahl der Krisen wirkt bedrohlich und undurchschaubar – diese Krisen möchte man zusammen diskutieren und in einer Gesamtschau betrachten. Das große Thema dieses Kirchentags und unserer Zeit ist: Was hat das eine mit dem anderen zu tun – die Finanzkrise mit der Energiefrage, die Revolutionen in Afrika mit dem Zusammenwachsen oder Auseinanderbrechen der Gesellschaft in der globalisierten Welt?

Wie kann man so komplexe Fragestellungen in die Zwei-Stunden-Formate zwängen?

Göring-Eckardt: Zwei-Stunden-Formate des Kirchentags sind mehr, als jede Talkshow bietet. Und beim Kirchentag sind sie immer so angelegt, dass intensiv diskutiert wird. Das ist ein riesiger Vorteil, den wir haben: Niemand muss große Sprüche machen und auf Beifall warten. Dass intensiver und differenzierter diskutiert wird, schätzen auch viele Politikerinnen und Politiker, die gern kommen, weil sie auf dem Kirchentag auch selbst differenzierter diskutieren können. Vor allem aber kommen die Kirchentagsbesucher selbst zu Wort, oft auch in neuen Formaten, die ganz ohne Bühne oder Podium auskommen.

Der Kirchentag war seit Jahrzehnten ein Forum für den Widerstand gegen Atomkraft. Nun kommt die Energiewende, und schon gibt es Widerstand gegen Stromtrassen und Wasserkraftwerke. In den Initiativen vor Ort sind auch Kirchen dabei. Kommt die kirchliche Protestkultur nicht langsam an einen Punkt, an dem sie unglaubwürdig wird?

Göring-Eckardt: Das kann man so nicht sagen. Dort, wo Kirchen dabei sind, geht es differenziert zu. Von 24 Stromtrassenprojekten sind überhaupt nur drei begleitet von Bürgerprotesten. Dort wird die Frage gestellt: Brauchen wir die Trasse wirklich an dieser Stelle? Das müssen die Energiekonzerne klären. Es wird Transparenz gefordert und Beteiligung. Und Wissen sowie Kompetenz in den Bürgerinitiativen sind außerordentlich groß. Die Kirchgemeinden leisten da häufig einen wichtigen Beitrag, was Kommunikation und Moderation angeht.

Im September kommt der Papst nach Deutschland – ebenfalls eine kirchliche Großveranstaltung und für die Medien ein Top-Ereignis. Ist das eine Konkurrenz zum Kirchentag?

Göring-Eckardt: Nein, das glaube ich nicht. Der Papstbesuch ist etwas völlig anderes. Beim Kirchentag diskutieren wir miteinander, wir feiern und beten, und das über mehrere Tage. Der Besuch des Papstes führt ihn in den Bundestag, es wird auf seinen Wunsch eine ausführliche ökumenische Begegnung stattfinden, und er wird an verschiedenen Orten Messen feiern. Das ist seine Reise durch Deutschland. Der Kirchentag muss da keine Konkurrenz fürchten.

Bei der evangelischen Kirche laufen die Planungen für das 500. Reformationsjubiläum – 2017 ist auch ein Kirchentagsjahr. Wo soll er stattfinden?

Göring-Eckardt: Wir haben schon Einladungen von verschiedenen Landeskirchen bekommen, die wir jetzt alle betrachten und besichtigen. Innerhalb des Kirchentags wird diskutiert, wo er stattfinden soll und wie man dieses besondere Jahr würdigen soll. Die Frage des Ortes klärt sich in den nächsten Monaten, wahrscheinlich noch dieses Jahr. Bis dahin müssen alle noch warten.

Welche Kernbotschaft geht vom Kirchentag in Dresden aus?

Göring-Eckardt: Wir wollen in dieser säkularen Stadt zeigen, dass wir Christsein fröhlich feiern – und dass wir auf sehr viel Resonanz stoßen auch bei denen, die mit Kirche nichts zu tun haben. Ein zweites Signal erhoffe ich zum Klimawandel und zur Energiewende. Einen Tag nach dem Kirchentag steht der Kabinettsbeschluss an. Viele Kirchentagsbesucher haben sich schon in den vergangenen Jahrzehnten für den Ausstieg aus dieser Technologie ausgesprochen. Ich hoffe, wir können zeigen, dass ein Konsens für einen unumkehrbaren Ausstieg gewünscht ist.

Wird es nach dem Kirchentag in Dresden mehr Christen geben als vorher?

Göring-Eckardt: Ich hoffe. Viele werden sehen, dass man leidenschaftlich Christ sein kann. Und einige werden sagen: Das ist so gut – da wollen wir dabei sein.

Internet: www.kirchentag.de

(Quelle: epd)

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