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TV-Moderator wirbt für mehr Wertschätzung und Dankbarkeit

Wertschätzung, Dankbarkeit und Respekt, für TV-Moderator Tim Niedernolte („hallo deutschland“) sind das Herzensthemen. Er ist überzeugt: Das kann man lernen.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie respektvoll gehen wir miteinander um? Wie hoch oder tief ist der Level?

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Also wenn 10 ganz super ist, dann waren wir noch nie ganz oben. Das kann man vielleicht auch nicht erwarten. Ich würde sagen, wir sind bei 3 oder 2, im unteren Drittel der Skala.

Viel tiefer geht es nicht …

Nein.

Wo sind die Ursachen dafür zu suchen?

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In der Wirtschaft und unserem Konsumverhalten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten das „Höher-schneller-weiter“-Prinzip durchgesetzt. Wir wollen immer noch was drauflegen. Noch einen tolleren Urlaub. Noch mehr Gewinn als Unternehmen. Noch ein Schritt höher auf der Karriereleiter. Noch ein schöneres Foto bei Instagram … Bei dieser Challenge geht der Respekt verloren und der Blick für die Nächsten. Wenn man zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dann fehlt der Blick nach rechts und links.

Ein anderer Punkt: das Internet. Die Schnelligkeit des Netzes überfordert uns zum Teil alle. Man muss lernen, damit umzugehen. Im Netz kannst du vom Sofa mit dem Handy einfach alles raushauen; völlig entspannt posten, diffamieren und rumschreien, ohne dass es direkt rückverfolgbar ist. Das lässt definitiv die Hemmschwelle sinken.

Drittens haben schlechte Vorbilder eine negative Wirkung. Die Art und Weise, wie ein Donald Trump twittert – so laut und Fake News auf höchstem Niveau – das verleitet andere dazu, ihn nachzuahmen: Wenn der Mann mit dem höchsten politischen Rang das kann …! Dann purzelt man schnell die Skala runter.

Gehen die Respektlosigkeiten quer durch alle Bevölkerungsschichten? 

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Würde ich schon sagen, ja. Da kann niemand einzelne Gruppen an den Pranger stellen. Der Sakkoträger in der Bahn, der seinen Sitzplatz nicht hergeben will, kann sich anderen gegenüber genauso respektlos verhalten wie ein Hartz-IV-Empfänger, eine Politikerin oder ein Baustellenboss.

Wo sitzen denn die ganz alltäglichen Respektlosigkeiten? Und wo die besonders schweren Fälle?

Der Mix macht’s. Die vermeintlich „kleinen“ Fälle: nicht mehr zuhören, nur die eigene Meinung zulassen, andere nicht ausreden lassen – das passiert mir auch oft, meine Frau erinnert mich manchmal daran – sind oft im Kern nicht weniger schlimm als die „großen“ Dinge. Weil das eine zum anderen führt. Wenn einer mal wieder jemand anderem die Tür nicht aufhält, jemand anderem die Vorfahrt nimmt, jemandem im Verkehr den „Scheibenwischer“ zeigt … dann trägt alles zusammen dazu bei, dass man denkt: Was ist hier los?!

Das geht dann bis hin zu dem, was im November im Reichstag während der Corona-Gesetzesdebatte passiert ist. In einer Demokratie muss man demonstrieren und seine Meinung sagen können. Aber wie das ausgeartet ist, mit welcher Symbolkraft, wie Abgeordnete von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen beschimpft worden sind – das war ganz weit oben in der Skala der Respektlosigkeit.

Welche Lösungen und „Respekt-Katalysatoren“ gibt es dagegen? Sehr markant ist die Verrohung der Sprache – die alle von Fußballplatz-Krakeelern kennen und die bis zum Hass von Halle reicht. Helfen Worte dagegen?

Mit Worten kann ich viel Schaden anrichten – schnell was raushauen, Hass säen. Es geht aber auch anders: Es gibt viele positive, liebevolle Worte, Worte voller Nächstenliebe oder einfach nur ein gutes Wort. Ein Kompliment mehr. Das sind keine großen Worte und auch nicht die kompliziertesten, aber sie tun gut. Wenn wir das öfter mit positiven Beispielen machten, sähe unser Miteinander anders aus.

Mehr und öfter gute Worte sagen: Kann man das eintrainieren?

Ich glaube: Ja. Ich habe mir angewöhnt, öfter mal zum Hörer zu greifen, wenn ich etwas gut fand, und den Kolleginnen und Kollegen zu sagen: Vielen Dank dafür! Oder ich gehe mal kurz persönlich rüber in die Nachbarbüros und wechsele zwei, drei Worte mehr mit der Kollegin, dem Kollegen. Das ist mittlerweile Standard geworden, auch andere Kollegen machen das inzwischen so.

Ein anderer Katalysator für Respekt ist: Rücksicht nehmen, auch mal andere Meinungen stehenlassen … 

Genau. Der Andere, mit dem ich diskutiere, könnte auch recht haben. Es geht nicht darum, dass ich alles gut finde, aber zumindest sollte ich andere Standpunkte auch gelten lassen. So kommt ja überhaupt Respekt erst zustande – indem man andere Personen mit ihren Meinungen respektiert. Manchmal muss es auch gar nicht mehr sein.

Ein brandaktueller Punkt sind die öffentlichen, über – „soziale“ – Medien verbreiteten „Blasen“ und Verschwörungstheorien. Wir leben alle in unseren „Blasen“. Die Frage ist: „Soziale“ Medien und Respekt – ist das ein Widerspruch in sich? 

Nein. Aber ich wünschte mir, er wäre kleiner. Das Schwierige ist, dass die „Blasen“ vieles beeinflussen. Wir machen uns im Alltag viel zu selten klar, wie das Ganze zustande kommt, was uns auf unserem Handy oder im Computer angezeigt wird: Das scheint stimmig, interessant, abwechslungsreich – beruht aber auf Algorithmen, wird also elektronisch daraufhin ausgewählt, was ich generell anklicke, meinem Meinungsbild entspricht.

Das ist eine große Gefahr, die wahrscheinlich noch größer wird. In den USA haben wir es spätestens nach dem Wahlausgang gesehen: Da gibt es zwei Pole, die auch durch „Blasen“ entstanden sind – und die eine Seite ist rot, die andere blau; dazwischen gibt’s nichts. Wie soll das funktio­nieren? Alles, was gesagt wird, ist entweder „Fake News“ oder von vornherein nicht richtig, weil man „auf der anderen Seite“ steht. Da bleibt kaum Raum.

Andererseits hätten wir viele Informationen nicht, wenn es nicht die Sozialen Medien gäbe, wo viele Dinge geteilt werden, wo etwas bekannt wird, teilweise weltweit. Beispiel: Bei Greta Thunberg und der „Fridays for Future“-Bewegung haben die Sozialen Medien für den Start eine große Rolle gespielt. Oder: Dass der George-Floyd-Skandal, das Drama um den schwarzen US-Amerikaner, der von einem Polizisten getötet worden ist, überhaupt publik wurde, liegt daran, dass jemand mit dem Handy gefilmt und das Video in den Sozialen Medien geteilt hat. Diese Medien haben einen Effekt, der etwas anstoßen kann. Aber es kippt nach wie vor zu sehr auf die negative Seite.

Wenn jemand beim ZDF arbeitet wie du, nach bestem Wissen und Gewissen – und dann wird demjenigen, wie vielen anderen, pauschal entgegengeschleudert „Du arbeitest ja bei der Mainstream-, System- und Lügenpresse!“ Wie geht man damit um?

Das nervt mich natürlich – und tut mir weh. Ich weiß um meine subjektive Meinung, bin aber überzeugt, dass wir immer alles dafür geben, eine objektive Berichterstattung zu leisten. Es zeigt auf der anderen Seite, wohin die Entwicklung in Deutschland gegangen ist. Dass es salonfähig geworden ist, Medien als „Lügenpresse“ zu beschimpfen, erschreckt mich. Das ist nicht einfach zu reparieren. Aber wir müssen immer wieder dagegen anarbeiten und die Diskussionen führen.

Ein Freund von mir, der bei einem großen Radiosender arbeitet, hat mal gesagt: Wenn ich solche Mails kriege, dann würde ich am liebsten die Kritiker mal mitnehmen; sodass die Personen einen Tag mit uns durchlaufen, um sich selbst ein Bild zu machen, wie wir arbeiten. Dann könnten sie mit eigenen Augen sehen, dass das, was sie uns vorwerfen, gar nicht funktionieren kann …

… Frau Merkel ruft also nicht jeden Abend im Sender an? …

(lacht) Zum Beispiel …

Wie groß ist denn die Hoffnung, dass der Respekt-Level – in absehbarer Zeit – wieder steigt?

Der Wunsch ist groß, die Hoffnung ein bisschen kleiner. Aber ich bin überzeugt, dass er wieder steigen kann. Ob er steigen wird, hängt von uns allen ab. Wir haben alle Werkzeuge in der Hand; es ist nicht so, dass wir dem hilflos ausgeliefert wären. Jede und jeder kann etwas tun und respektvoller miteinander umgehen. Es ist ein täglich neuer Prozess. Und meine Hoffnung ist, dass immer mehr den annehmen und sagen: So kann’s wirklich nicht weitergehen! Ich arbeite auch mit daran, dass es respektvoller wird.

Vielen Dank für das Gespräch! 


Das Interview führte Jörg Podworny, Redakteur des Magazins lebenslust (Ausgabe 01/2021). lebenslust erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört. 

 

 

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