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„Twitter-Ablass“: Keine Angst vorm Fegefeuer

Für Protestanten ist Ablass ein Reizwort – schließlich entzündete sich die Reformation im 16. Jahrhundert an der Kritik Luthers an bizarren Formen der Ablasspraxis seiner Zeit. Ein "Internet-Ablass" von Papst Franziskus sorgt jetzt für Aufsehen.

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Es erscheint wie ein Relikt aus dem Mittelalter: Seit Jahrhunderten hält die römisch-katholische Kirche an ihrer Ablasslehre fest. Bis heute wird offiziell gelehrt, der Ablass sei der "Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden" – sei es "hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium", also einem läuternden Fegefeuer. Hinter vorgehaltener Hand räumen aber selbst offizielle katholische Vertreter in Deutschland ein, die Lehre von Ablass und Fegefeuer spiele in Westeuropa faktisch keine Rolle mehr. Wenn überhaupt noch daran geglaubt werde, dann vielleicht in Afrika oder Lateinamerika.

 Womöglich ist es daher kein Zufall, dass der aus Argentinien stammende Papst Franziskus vor dem am 23. Juli beginnenden Weltjugendtag in Brasilien auch denjenigen einen vollkommenen Ablass gewährt, die das Treffen über die neuen Medien im Internet verfolgen. Nach Angaben des Vatikans wird diese Praxis zum ersten Mal erlaubt. Freilich wird die heutige Ablasspraxis eher als seelsorgerliche Einladung an Gläubige verstanden, ihr Leben neu zu ordnen und ihr Gewissen zu reinigen. Es geht also eher um den Umgang mit Schuld und Versagen.

 Es reiche nicht aus, nur die Papst-Predigten zu lesen, online eine Messe des Weltjugendtages oder den Besuch des Papstes in Rio de Janeiro via Live-Stream zu verfolgen, wird der Präsident des päpstlichen Medienrates, Erzbischof Claudio Maria Celli, von Radio Vatikan zitiert. Einen Ablass erhalte man nicht "wie einen Kaffee am Automaten". Entscheidend sei, dass die Nutzung der neuen Medien "geistliche Früchte" hervorbringe. Moderne katholische Theologen betonen zudem, dass der Ablass selbst keine Sünden vergibt. Er sei vielmehr so etwas wie ein Gebet zur Intensivierung der Frömmigkeit.

 Die heutige Ablasspraxis hat also nichts mehr mit ihren bizarren Formen im 16. Jahrhundert zu tun, die von Martin Luther verurteilt wurde und an der sich damals die Reformation entzündete. Papst Leo X. hatte Gläubigen einen Sündenablass versprochen, wenn sie den Bau des Petersdoms mit Geld unterstützten. Zwar verkaufte die katholische Kirche später keine Ablässe mehr. Grundsätzlich bestätigt wurde die Lehre jedoch beim Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts. Im Kern gilt sie bis heute.

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 Eng mit dem Ablass verbunden ist der Begriff des Fegefeuers. Der Wesenskern des Menschen besteht nach dem Tod fort, sagt die katholische Glaubenslehre. Ein Aufenthaltsort zwischen Himmel und Hölle ist danach ein strafendes und reinigendes Feuer, das "Purgatorium". Die Volksfrömmigkeit schrieb den "Seelen" im Fegefeuer die gleichen Qualen wie den zur Hölle verdammten zu, mit der "entscheidenden Ausnahme, dass sie nicht endgültig sein würden", erklärt der katholische Dogmengeschichtler Herbert Vorgrimler. Seit dem 13. Jahrhundert habe die Kirche daher in Form von Ablässen die Praxis von Seelenmessen oder Andachten zugunsten Verstorbener unterstützt, in denen deren Not gemildert werden sollte.

 Renommierte katholische Theologen wie Karl Rahner (1904-1984) – der viele heutige Bischöfe und Kardinale prägte – hielten die Vorstellung von einem solchen Zwischenzustand nach dem Tod wie dem Fegefeuer für entbehrlich. Heute sind es lediglich ultrakonservative katholische Gruppierungen wie die vom Vatikan getrennte Pius-Bruderschaft, die an Begriffen wie Himmel, Fegefeuer und Hölle als den "grundsätzlichsten christlichen Wahrheiten" festhalten.

 Die Anglikaner in England konnten 1996 dagegen aufatmen. Die Generalsynode ihrer Kirche schaffte damals die traditionellen Lehren von Höllenfeuer und ewiger Bestrafung ab. Der richtende Gott sei kein "sadistisches Monster", das Sünder zu ewiger Folter in der Hölle verurteilt, hieß es zur Begründung.

(Quelle: epd)

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