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Was die Sehnsucht uns über den Glauben erzählt

Jeder kennt dieses Gefühl: Etwas fehlt! Und dieses Etwas, an dessen Mangel wir leiden, ist alles andere als nebensächlich. Auch in der Bibel ist Sehnsucht ein wichtiges Thema.

Von Wolfgang Kraska

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Sehnsüchtig wartet das Kind darauf, endlich seine Geschenke auspacken zu dürfen. Krank vor Liebeskummer wartet der junge Mann darauf, seine Geliebte endlich wieder in die Arme nehmen zu können. Wehmütig blickt mancher Kranke auf bessere Zeiten zurück und wartet ungeduldig, dass es endlich besser mit ihm wird. Man kann sich sogar nach dem Tod sehnen, etwa, wenn das Leid unerträglich wird und keine Erlösung in Aussicht ist. Sehnsucht signalisiert mir, dass für mich etwas nicht in Ordnung ist. Ich bin unzufrieden mit dem Ist-Zustand und wünsche mir dringend eine Veränderung, eine Verbesserung. Aber die Sehnsucht bleibt nicht beim Negativen stehen. Sie hat eine Vision, ein Ziel, das sie erreichen will. Sehnsucht ist wie ein Sog oder ein Gefälle in Richtung auf dieses Ziel hin.

Sehnsucht in der Bibel

Auch in der Bibel begegnet uns selbstverständlich die Sehnsucht. Schaut man sich die Bibelstellen an, so lassen sich für mich vier Hauptlinien erkennen. Da ist zunächst die Sehnsucht nach einem menschlichen Gegenüber. Geradezu programmatisch sagt Gott nach dem Sündenfall zu Eva: „Unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein“ (1. Mose 3,16). Es geht um das sexuelle und emotionale Verlangen, das bereits in der Schöpfung angelegt war und das – wenn auch durch den Sündenfall beschädigt – bis heute zu unserer Grundausstattung gehört. Paulus empfindet die Sehnsucht der Thessalonicher nach ihm und seine eigene Sehnsucht zu ihnen als Zeichen der gegenseitigen Liebe und Verbundenheit durch Christus (1. Thessalonicher 3,6; ähnlich 2. Korinther 9,14).
Der zweite Aspekt betrifft die Befreiung von persönlichem Leid. Nehmen wir als Beispiel die Verse 2-3 und 12 aus Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.“ Auch das Volk Israel als Ganzes ist von Sehnsucht gepackt, während es auf das Ende des Exils wartet (Psalm 126). Leid kann unerträglich werden, und dann bleiben mir nur die Erinnerung an bessere Zeiten und die Hoffnung auf Veränderung durch Gottes Eingreifen.

Den breitesten Raum nimmt in der Bibel jedoch die Sehnsucht nach Gott selbst ein. Sehr vertraut ist vielen der Psalm 47, Verse 2-3: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott nach dir! Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ Oder denken wir an Hiob: „Jetzt, wo die Haut in Fetzen an mir hängt und ich kein Fleisch mehr auf den Knochen habe, jetzt möchte ich ihn sehen mit meinen Augen, ihn selber will ich sehen, keinen Fremden! Mein Herz vergeht in mir vor lauter Sehnsucht“ (Hiob 19, 26-27 GNB).
Der vierte Aspekt, die Sehnsucht nach der neuen Welt, wird uns erst später beschäftigen.

Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies

Nach meiner Ansicht gehören die drei beschriebenen Hauptlinien zusammen und haben eine gemeinsame Ursache: den Verlust des Paradieses. Im Paradies gab es keinen Anlass für Sehnsucht, weil Gott eine vollkommene Welt geschaffen hatte. In diesem Lebensraum waren alle Bedürfnisse des Menschen vollkommen abgedeckt. Auf den ersten Seiten der Bibel wird uns berichtet, wie der Mensch von seinem Schöpfer konzipiert ist: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau“ (1. Mose 1,27). Das heißt, der Mensch ist von Anfang an in doppelter Weise auf Beziehung angelegt: als Gegenüber zu anderen Menschen – und als Gegenüber zu Gott.

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Im Paradies war dies beglückende Realität. Adam und Eva hatten sich als Gegenüber und freuten sich aneinander, und selbstverständlich gab es dort keine Schmerzen und kein Leid. Das Wesentliche aber war die selbstverständliche, unkomplizierte Gemeinschaft mit Gott. Gottes Gegenwart lässt den Garten erblühen und die Menschen glücklich sein. Auch in ihrem Miteinander. Nach dem Sündenfall jedoch ist alles anders. An die Stelle von ausgelebter Freude treten eine dunkle Erinnerung, wie es ursprünglich war, und eine blasse Ahnung, wie es eigentlich sein sollte. Und weil wir Menschen mit Leib und Seele sind, äußern sich diese verborgenen Bedürfnisse als Sehnsucht. Denn die Grundfaktoren der Schöpfung – die Ausrichtung auf Gott und auf ein menschliches Gegenüber – gelten nach wie vor.

Gestillte und fehlgeleitete Sehnsucht

Wir können durchaus beschreiben, wie sich gestillte Sehnsucht in Gestalt von Freundschaft und Liebe ausdrückt: Freunde umarmen einander, weil sie gemeinsam etwas Bewegendes erlebt haben. Das kann ein Sieg sein, den sie miteinander errungen haben und nun glücklich feiern. Das kann aber auch die Verbundenheit im Leid sein, in dem einer den anderen trösten und ihm helfen konnte. Seinen tiefsten Ausdruck findet die Vorgabe Gottes wohl in der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe. Auf welcher Ebene auch immer: Wo Menschen die Liebe und Verbundenheit, zu der sie geschaffen sind, wirklich erleben, wird ihre Sehnsucht gestillt. Das ist immer mit großem Glück und intensiven Gefühlen verbunden.
Wo aber wird die Sehnsucht nach Gott – zumindest teilweise – gestillt? Die Antwort lautet: In der Anbetung! Anbetung ist der tiefste Ausdruck der Liebesbeziehung zu Gott.

Anbetung ist die Freude an Gott selbst. Das Glück, zu ihm zu gehören und ihm ganz nahe zu sein. Das ist etwas grundlegend anderes als das Singen emotionaler Lieder. Anbetung ist das vertraute Liebesgeflüster des Geschöpfes mit seinem Schöpfer. Ganz ich selbst sein, ganz bei Gott sein – das macht das Wesen der Anbetung aus. Das Bedürfnis nach Anbetung ist uns Menschen genauso eingepflanzt wie das Bedürfnis, der Zuneigung und Liebe zu anderen Menschen Ausdruck zu verleihen. Der Schöpfer hat uns so geschaffen. Augustinus (354-430 n. Chr.) hat es auf die wunderbare Formel gebracht: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“

Jeder Mensch will etwas anbeten

Nun leben wir allerdings nicht mehr im Paradies. Und doch lässt sich die Sehnsucht nach Gott meines Erachtens immer noch tagtäglich mit Händen greifen. Man beobachte nur einmal Fans bei einem Rockkonzert oder Sportereignis. Auch die maßlose Verehrung politischer „Führer“ gehört hierher. Mir scheint, die Begeisterung der Fans, die Bereitschaft einem Star zuzujubeln, ist nichts anderes als die fehlgeleitete Sehnsucht, sich Gott hinzugeben. Jeder Mensch will anbeten, er weiß nur nicht, wen oder was. Jeder Mensch sucht etwas Höheres und Größeres, als er selbst es ist, mit dem er verschmelzen möchte, an das er sich verschenken kann. Wo aber die Hingabe an Gott nicht mehr möglich ist, bleiben nur Ersatzhandlungen. An die Stelle der Anbetung Gottes tritt die Hingabe an das Idol, den Götzen.

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Auch Christen sind vor der Versuchung dazu nicht gefeit. Die Verehrung von Fußball- oder Popstars kann auch bei ihnen gelegentlich ein befremdliches Ausmaß annehmen. Noch schlimmer war die Begeisterung, die Christen im Dritten Reich für den „Führer“ hatten. Gottes Herrlichkeit und sein Anspruch sind aber exklusiv. „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, lautet deshalb das erste Gebot (2. Mose 20,2). Niemand und nichts als Gott allein verdient Anbetung und völlige Hingabe.

Mir ist klar, dass sich diese Aussagen Nichtchristen gegenüber nicht so leicht vermitteln oder gar beweisen lassen. Aber vielleicht bietet gerade die Sehnsucht hier und da einen guten Anknüpfungspunkt, um über unsere eigenen Erfahrungen damit zu sprechen.

Auch Gott hat Sehnsucht

Das Gute ist nun: Unsere Sehnsucht nach Gott beruht auf Gegenseitigkeit. Geradezu ergreifend beschreibt Jesus dies im Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Unser Augenmerk bleibt allzu leicht an den beiden Brüdern hängen, die ja jeder auf seine Weise „verlorene Söhne“ sind. Besonders bewegend aber ist, wie Jesus den Vater im Himmel beschreibt: „Als er – der ältere Sohn – aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn“ (Lukas 15,20).
Nicht nur der Sohn sehnt sich nach seinem Vater und nach seinem Zuhause. Auch Gott hat Sehnsucht nach seinen Menschen. Darin liegt unsere Chance – wenn wir nur, wie der „verlorene Sohn“, unsere Situation einsehen, unserer Sehnsucht nachgeben und uns auf den Weg nach Hause machen.
Zu diesem Fragenkreis gehört auch die Einsicht, dass sich die gesamte Schöpfung nach Erlösung sehnt. Paulus schreibt: „Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst … seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes“ (Römer 8, 22f).

Endlich zu Hause

Offenbar löst sich die Sehnsucht auch für Christen nicht einfach dadurch auf, dass sie Gottes Kinder werden. Zwar lässt der Heilige Geist uns die Wirklichkeit Gottes immer wieder erfahren. Und doch ist das alles nur eine Anzahlung auf das Eigentliche, sagt Paulus (Epheser 1,14). Wir wissen und erleben genug, um heil über die Runden zu kommen und an den Schwierigkeiten unseres Lebens nicht zu verzweifeln. Zugleich wissen wir aber auch, dass wir noch nicht am Ziel unserer Sehnsucht sind, sondern dass das Eigentliche noch vor uns liegt: Gottes neue Welt. Ihre Beschreibung in Offenbarung 21,1-5 gleicht auffällig der des Paradieses. Gott wohnt bei den Menschen und sie sind sein Volk. Genau so sah die Konzeption des Paradieses aus. Aber der Text macht auch deutlich, dass unsere Sehnsucht nur dort und erst dann gestillt wird. Bei aller Nähe zu Gott, die wir heute schon erleben können, kommen wir in der neuen Welt noch mit Tränen an. Tränen des Leids, aber sicher auch der Freude darüber, dass wir endlich zu Hause sind. Das ist das tiefste Ziel unser Sehnsucht: das ewige Zuhause bei Gott.

Paulus formuliert es so: „Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden“ (2. Korinther 5,1f). Dabei kann er unmittelbar bei Jesus anknüpfen. Jesus selbst hat versprochen, dass in seines Vaters Haus vorbereiteter Wohnraum für uns ist. Wir werden erwartet (Johannes 14,2)!
Es bleibt also bei der Sehnsucht. Wir müssen mit ihr leben und uns mit ihr begnügen. Oder ist es nicht vielmehr so: Wir dürfen mit ihr und von ihr leben! Letztlich ist sie doch ein Ausdruck einer ungeduldigen Liebe und Vorfreude, Zeichen von lebendiger Hoffnung. Die Sehnsucht ist der Sog in Richtung Himmel. Sie kann uns die Kraft geben, zuversichtlich unseren Weg zu gehen. Wie auch immer die Gegenwart aussehen mag.

Wolfgang Kraska ist Pastor (i. R.) im Bund Freier evangelischer Gemeinden sowie Autor und Referent. Er wohnt in Rheinstetten bei Karlsruhe.


Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift LebensLauf erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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