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„Was können wir gegen Armut tun?“

Hunger und Armut sind oft die Gründe, warum Menschen sich auf die Flucht begeben und ihre Heimat verlassen. Was sind die Ursachen? Und wie können wir helfen? Antworten von Steve Volke, Direktor des deutschen Zweigs des christlichen Kinderhilfswerks Compassion.

Was sind die Ursachen für Armut?

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Steve Volke: Die Ursachen für Armut sind sehr vielfältig, weil es unterschiedliche Formen von Armut gibt. Es gibt historische, ökonomische, politische, kulturelle oder spirituelle Gründe, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen. Auf den ersten Blick sehen wir in den so genannten Entwicklungsländern aber oft nur das Offensichtliche: Dürren und Hunger, schlechte Infrastruktur, korrupte Politik, Krankheiten und wirtschaftliche Armut. Und dann beginnen wir die Symptome zu bekämpfen, ohne die Auslöser zu kennen. Armut ist aber immer mehrdimensional. Alle Formen von Armut haben eins gemeinsam: Menschen leiden darunter, fühlen sich verlassen und vergessen, fühlen sich ausgegrenzt oder empfinden sich als minderwertig.

Grundsätzlich ist die Frage: Wie ist Armut in die Welt gekommen?

Ich als Christ sehe ganz klar die Ursache darin, dass Menschen sich von Gott abgewandt haben. Manchmal ernte ich Lachen dafür, wenn ich das sage, aber sehr viel Armut in dieser Welt hat die Ursache im Egoismus der anderen. Es gibt Schuldige an Armut, aber das sind oft nicht die Armen selbst, sondern es sind die Reichen. Es sind die, die nicht abgeben wollen, die alles für sich nehmen, mit anderen Worten: die Egoisten. Dass wir beim Discounter 1,5 Liter Orangensaft für 70 Cent kaufen können, hat seine Ursache darin, dass Kinder in Brasilien auf Obstplantagen zu Hungerlöhnen arbeiten. Wenn wir trotzdem billigen Orangensaft kaufen, sind wir auch schuldig daran, ein bestimmtes System zu unterstützen. Und das fördert Armut. Wenn man etwas tiefer schürft, ist man sehr schnell bei sich selbst als eine der Ursachen von Armut.

„Die Schuldigen an Armut sind die Reichen.“

Wie kann Armut verringert oder gar gestoppt werden?

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Zur Jahrtausendwende gab es die so genannten Millenniumsziele der UN, in denen unter anderem formuliert wurde: Kindersterblichkeit senken, Hunger besiegen. Bis 2015 ist sehr viel passiert, aber nicht genug. Von daher hat die UN sich jetzt neue Ziele gesetzt, bis 2030 sollen auf breiter Front nachhaltige Fortschritte erzielt werden. Zum Beispiel soll der Hunger besiegt werden. Und das ist möglich: Es gibt genug zu essen. Ein Drittel aller Lebensmittel wird vernichtet, um den Marktpreis zu halten.

Um strukturelle Armut wirksam zu bekämpfen, ist vor allem die Politik gefragt. Da können wir als Privatleute relativ wenig tun, es sei denn, wir reden mit unserem Bundestagsabgeordneten und machen ihn darauf aufmerksam, dass wir ein Interesse daran haben, dass da etwas passiert. Eine Möglichkeit besteht auch darin, sich politisch zu engagieren. Viele Christen engagieren sich nur in ihrer Kirchengemeinde, aber wir brauchen mehr Christen, die politisch tätig sind. Außerdem kann man einmal überlegen: Wofür gebe ich mein Geld aus? Und dann bewusst etwas sparen. Ich kenne eine alte Frau aus Marburg, die für jede Sache, die sie sich kauft, denselben Kaufpreis zusätzlich spendet.

Was können speziell Familien tun, um Armut zu verhindern oder zu bekämpfen?

Steve Volke (Foto: Compassion)

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Familien könnten zum Beispiel eine Patenschaft für ein armes Kind übernehmen. Dadurch wird das Thema Armut direkt in die eigene Familie gebracht. Und es wird auch das kulturelle Umfeld des Kindes in die eigene Familie gebracht, weil man durch Briefe erfährt, wie Kinder in einem anderen Teil der Welt leben. Grundsätzlich ist Information der erste Schritt, um Armut zu bekämpfen. Dass man nicht so ignorant lebt, sondern überlegt: Wie leben wir hier und warum? Und warum müssen andere anders leben? Wir können auch etwas verändern, wenn wir uns wirklich nur das genehmigen, was wir brauchen. Dann haben wir genug, um anderen etwas abzugeben.

In deinem Buch „Der Sehendmacher“ beschreibst du, wie dir die Augen geöffnet wurden für das Thema „Kinderarmut“. Andere Menschen sind für andere Themen sensibilisiert: Nachhaltigkeit, Flüchtlinge, Menschenhandel … Wie kann ich herausfinden, wie intensiv ich mich wofür engagieren soll?

Das hängt ganz stark von dem Typ ab, der man ist. Es gibt Menschen, die sind emotional ansprechbar. Für die sind Kinder und ihre Familien wichtig, die helfen beim Thema „Hungerbekämpfung“, setzen sich konkret für Flüchtlingsfamilien ein und sprechen darauf an, was „ihnen ins Auge springt“. Dann gibt es Leute, die sind ganz strategisch: „Ich habe soundso viel Geld zur Verfügung, es soll sinnvoll, nachhaltig etc. sein.“ Die unterstützen dann nachhaltige Projekte, wie Brunnenbau oder Landwirtschaftsprojekte. Ich würde sagen: „Folge deinem Herzen!“ Für das Geld, das eine Familie in Deutschland oder der Schweiz bei einem Restaurantbesuch ausgibt, kann eine Familie in Haiti oder Kenia mehrere Wochen leben.

Dürfen wir noch guten Gewissens essen gehen?

Ja, das dürfen wir. Und trotzdem können wir verantwortlich mit unserem Geld umgehen und nicht nur an uns selbst denken. Als ich mit der Arbeit für Compassion begonnen habe, haben mich Freunde gefragt: „Verkauft ihr jetzt euer Haus?“ – „Warum soll ich mein Haus verkaufen?“ – „Du arbeitest doch jetzt für die Armen. Da könnt ihr doch nicht in einem Haus leben.“ Die Antwort ist sehr einfach für mich gewesen: Es hilft keinem Armen dieser Welt, wenn die Familie Volke unter einer Brücke lebt. Wenn ich selbst für das Überleben meiner Familie kämpfen muss, fehlt mir die Energie, mich um die Armen zu kümmern. Deshalb haben wir entschieden: Wir müssen von einem gesicherten Boden aus helfen. Wir müssen nicht mit einem schlechten Gewissen herumlaufen. Wir können nichts dafür, dass wir in Deutschland geboren wurden. Genauso wie andere nichts dafür können, dass sie in einem Slum in Kenia geboren wurden. Aber wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es uns gut geht. Deshalb esse ich auch ab und zu in Restaurants. Aber ich bin äußerst dankbar dabei und achte darauf, dass mein Lebensstil nicht nur mir nützt, sondern grundsätzlich auch anderen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Bettina Wendland, Redakteurin der Zeitschrift Family


Das Kinderhilfswerk Compassion arbeitet mit Gemeinden vor Ort zusammen und bietet Menschen, die helfen wollen, Eins-zu-Eins-Patenschaften an. Die Patenkinder leben in 25 armen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Mit einem monatlichen Beitrag von EUR 30,- kann man eine Patenschaft übernehmen.

Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift Family erschienen. Family gehört wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag.

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