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Weihnachten im Schuhkarton: „Genauso wichtig wie Kleidung oder Bildung“

Party feiern, um armen Kindern zu helfen? Das ist bei Weihnachten im Schuhkarton möglich. Seit 1996 packen viele Menschen in Deutschland Jahr für Jahr zahlreiche Kartons mit Zahnpasta, Schokolade und Spielzeug für Kinder vor allem aus Osteuropa. Dieses Jahr wird das 100-millionste Paket gepackt.

Noreen Streck, Mitarbeiterin im Studiendekanat Humanmedizin, organisiert seit drei Jahren die Paketannahmestelle an der Universität Witten-Herdecke. Student Nathanael Suckert unterstützt sie seit 2010. Jesus.de hat mit ihnen über ihre Tätigkeit, Armut und die Nachhaltigkeit der Aktion gesprochen.

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Jesus.de: Zahlreiche Organisationen bieten jährlich vor allem um die Weihnachtszeit herum Hilfsaktionen an. Warum sollte man sich gerade für „Weihnachten im Schuhkarton“ entscheiden?

Streck: Mich persönlich spricht das am meisten an. Wenn ein Kind in einem Empfängerland einen Schuhkarton öffnet und dort ein persönliches Bild oder einen Brief vorfindet, wird ihm klar: „Der Schuhkarton ist für mich gepackt worden!“ Ich schreibe auch dazu, dass wir eine christliche Familie sind, deshalb Weihnachten feiern und aufgrund dessen gerne an andere denken. Ich kann mir vorstellen, dass das in einem Kind sehr viel auslöst und es für sein weiteres Leben bereichert. Meine Hoffnung ist, dass es dieses Geschenk später einmal weitergibt, weil es in ihm soviel bewegt hat und ihn dazu veranlasst, anderen zu helfen. Es ist für mich eine Möglichkeit, meinen Glauben zu leben.

Jesus.de: Sie betreiben an der Universität eine Hauptsammelstelle für „Weihnachten im Schuhkarton“. Was müssen Sie dabei beachten?

Streck: Wir kontrollieren, ob die Kartons nur das enthalten, was auch hineingepackt werden darf. Kriegsspielzeug, kaputte oder gebrauchte Gegenstände müssen wir aus den Paketen herausnehmen. Manche sehen die Kartons auch als Spende an. Wenn da aber nur Zahnbürsten drin sind, muss ich das dann auf die anderen Kartons aufteilen. Wenn dann alles okay ist, werden sie von uns verschlossen und versiegelt. Die nächsten, die die Pakete dann aufmachen, sind die Empfängerkinder. Wir sortieren die Kartons nach Alter und Geschlecht und packen sie in große Umzugskisten. Ich nehme anschließend Kontakt mit der Spedition auf, die die Pakete zur Hauptsammelstelle nach Berlin bringt. Letztes Jahr waren das ungefähr 300 Kartons. Von dort werden sie in die Empfängerländer verteilt.

Suckert: Wir nehmen auch Spenden an. Manche spenden nur die sechs Euro, die für einen verteilten Schuhkarton an Kosten entstehen. Oder auch mehr Geld. Dafür packen sie dann zum Beispiel kein Geschenk.

Jesus.de: Was sind das für Menschen, die hier Pakete abliefern? Lässt sich da, zum Beispiel bezüglich der Altersgruppe, eine Tendenz erkennen?

Suckert: Das ist breit gefächert. Es gibt Schüler, Studenten, Rentner. Insgesamt sind es weniger neue Leute, sondern eher Personen, die das jedes Jahr machen und schon routiniert sind. Manche Leute machen auch ein riesiges Ding daraus. Die treffen sich zum Kaffeekränzchen und packen zehn Kartons oder so.

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Streck: Es sind vor allem Menschen, die sich ganz bewusst dafür entschieden haben. Menschen, die sagen: Ich möchte ganz bewusst auch an jemand anderen denken. Es ist schon ein Unterschied, ob man einfach „nur“ irgendwo Geld abgibt – was ja auch sinnvoll ist – oder, ob man sich mit seiner Familie überlegt: ‚Wem würden wir gerne eine Freude machen? Wie alt soll das Kind sein?‘ Man kann das mit seinen Kindern zusammen tun und dann ganz bewusst dafür einkaufen gehen. Ich finde an dieser Aktion schön, dass sie diesen persönlichen Charakter hat.

Suckert: Es wird für die eigenen Kinder vielleicht auch greifbarer. Wenn man ihnen sagt, dass man da Geld hin spendet, können sie es sich nicht so vorstellen, wie wenn man ihnen sagt: ‚Komm, wir packen jetzt zusammen einen Karton für deinen Kumpel.‘

Jesus.de: In den vergangenen Jahren hat sich unter anderem das Erzbistum Trier kritisch zu der Aktion geäußert. Es bezeichnet „Weihnachten im Schuhkarton“ als eine „Missionsaktion“, die Kindern manipulativ den christlichen Glauben näher bringt. Wie stehen Sie dazu?

Streck: Als ich die Kritik in der Zeitung gelesen habe, habe ich mir Gedanken darüber gemacht. „Weihnachten im Schuhkarton“ ist eine Organisation, die sich an den Missionskodex hält. Nach meiner Recherche war es früher tatsächlich so, dass sie vielleicht ein paar Grenzen überschritten hat. Daher kam es zu dieser Kritik. Aber jetzt halten sie sich an den Kodex und daher ist das für mich in Ordnung. Sie versichern mir, dass sie in Ländern, die nicht christlich geprägt sind, auf die Verteilung von kleinen Bibelheftchen verzichten. Diese Hefte sind bei den Verteilungen dabei, aber nicht in den Schuhkartons. Das ist mir ganz wichtig, das sage ich den Leuten auch. Aber die Kritik ist für mich kein Grund, dass 300 Kinder keinen Schuhkarton bekommen. Ich mache es trotzdem.

Suckert: Ich finde, wir können als Christen an dieser Stelle auch selbstbewusst auftreten und erklären: Warum schenken wir euch das? Was ist Weihnachten? Es ist ein christliches Fest und deswegen kann man diesen Hintergrund auch betonen. Die Organisation zeigt sich respektvoll gegenüber anderen Religionen, indem sie auch in muslimische Regionen geht und selbst dort die Geschenke verteilt. Für die Organisation ist nicht entscheidend, was die Leute glauben. Es geht um die Geschenke und das ist das Wichtigste. Zu der Kritik: Ich finde sie sehr respektlos. Es gibt tausend verschiedene Wege, zu spenden und zu helfen. Das ist ein Weg von vielen. Wer das gut findet, soll’s machen, wer nicht, soll’s lassen. Diejenigen, die die Kritik geäußert haben, haben keine Ahnung, was so ein Geschenk bedeutet. Meine Eltern erzählen immer wieder von Westpaketen, die sie früher bekommen haben. Das waren simple Pakete, wo eine richtige Markenjeans drin war, und eine richtige Milkaschokolade. Sie erzählen heute noch davon, als hätten sie ein Auto geschenkt bekommen. Das ist eben diese psychologische Nachhaltigkeit.

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Streck: Aber ich glaube auch nicht, dass Weihnachten im Schuhkarton zu einem Zweijährigen geht und sagt: „Glaubst du an Gott? Jetzt sag „Ja“, sonst kriegst du den Schuhkarton nicht.“ Das finde ich auch ein bisschen albern. Und daher kann ich mit dieser Kritik gut leben und glaube auch, dass die Organisation das vernünftig macht. Es ist auch nicht mein Weg, jemand anderem von meiner Religion zu berichten und ihn davon überzeugen zu wollen. Ich würde eher die Taten sprechen lassen als Worte. Wenn ich dem Kind einen Brief oder eine Karte schreibe und sage: „Wir wollen dir eine Freude machen und stricken seit zwei Wochen einen Schal für dich oder nähen dir eine Puppe“ – dann glaube ich, dass die Kinder merken, aus welchem Impuls ich das mache. Natürlich gebe ich damit meinen Glauben auch weiter. Suckert: Solange, wie es nur ein Angebot ist, ist es völlig fair. Man darf auch nicht immer davon ausgehen, dass jeder Gott gefunden hat und dass jeder da absolut sicher ist. Es gibt so viele Leute, die auf der Suche sind und mehr erfahren wollen. Da kann es sein, dass das Geschenk ein erster Schritt und sogar auch eine Hilfe sein kann, wenn es ein Angebot bleibt.

Jesus.de: Häufig wird die Aktion kritisiert, weil sie keine nachhaltige Entwicklungshilfe bietet.

Suckert: Ja, das sieht auf den ersten Blick nicht nachhaltig aus. Uns ist aber die psychologische Nachhaltigkeit sehr wichtig. Wenn ein Kind so ein Geschenk bekommt, dann freut es sich extrem, ist glücklich und rennt umher. Es kann sich Jahre später noch daran erinnern. Wenn wir mal an uns denken, können wir uns auch noch an Weihnachten als Kind erinnern. Das waren die schönsten Erlebnisse. Wenn man solch eine Freude in einem Kind bewirken kann, ist das genauso wichtig wie eine Schulausbildung oder Kleidung.

Jesus.de: Dieses Jahr wird das 100-millionste Paket gepackt. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Suckert: Ich hab das gelesen und dachte: Schön, super, weiter geht’s. (lacht)

Jesus.de: Armut gibt es nicht nur in anderen Ländern, sondern auch in Deutschland. Inwiefern wäre es Ihrer Ansicht nach sinnvoll, so eine Aktion auch für Kinder in Deutschland zu machen?

Streck: Ich finde es sehr schwierig, das gegeneinander abzuwägen. Ich mag ungern sagen: ‚Ein deutsches Kind, das unterhalb der Armutsgrenze lebt, hat ein Geschenk mehr verdient als ein anderes Kind.’ Ich probiere als Christin da zu helfen, wo es mir möglich ist. Ich habe mich für „Weihnachten im Schuhkarton“ entschieden. Wenn aber aus einer anderen Ecke Hilferufe kämen, wäre ich nicht abgeneigt, da etwas zu geben. Suckert: Ich finde es problematisch, in Deutschland von Armut zu sprechen. Laut Definition wäre ich auch arm. Mir geht es aber sehr gut. Trotzdem will ich nicht über Einzelfälle urteilen. Wo da Bedarf ist, klar, kann man da auch helfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Rebekka Buchholz und Dennis Lieske

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Die Pakete können noch bis zum 15. November abgegeben werden. Weitere Informationen zu der Aktion sind auf www.weihnachten-im-schuhkarton.org nachzulesen.

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