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Wir glauben doch nicht an den Osterhasen!

Sinkende Mitgliederzahlen in den Kirchen, na und? Unser Gastkommentator Marcus Tesch ist überzeugt: Auch im 22. Jahrhundert gibt es die Kirche noch. Denn ihre Botschaft ist unschlagbar.

In dieser Woche habe ich einen Osterhasen geschlachtet. Keine Sorge, es handelte sich nicht um ein Tier aus Fleisch und Blut. Es war der Schokohase, den mir meine Frau zu Ostern geschenkt hat. Eigentlich sind solche Osterhasen immer eine kleine Mogelpackung. Jede und jeder weiß ja, dass er innen hohl ist. Die Schokolade ist die gleiche, die man auch als Tafel kaufen kann. Manchmal ist sie nicht einmal so gut wie diese. Trotzdem kostet so ein Schokohase auf das Gewicht bezogen mehr als ganz normale Schokolade. Die Form und die Verpackung machen’s in diesem Fall aus, dass regelmäßig vor Ostern, Osterhasen in jeglicher Form reißenden Absatz finden. Dabei spielt es keine Rolle, ob er innen hohl ist oder nicht.

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Im Jahr 2060 sollen die beiden großen Kirchen nur noch über halb so viel Mitglieder verfügen wie heute. Das ist die Erkenntnis einer großen Studie, die aus einer Projektion über die Zukunft unserer Kirchen entstanden ist. Das Freiburger Forschungszentrum Generationenverträge hat unter Leitung von Professor Dr. Bernd Raffelhüschen diese Studie erstellt und nun kursieren die Zahlen mit den zu erwartenden Konsequenzen in den Medien, vor allem im Internet.

Ehrlich gesagt, mich überrascht das Ergebnis nicht. So neu sind Zahlen, die einen starken Mitgliederrückgang prognostizieren, ja nun wirklich nicht. Seit dem Beginn meines Studiums Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre heißt es immer wieder, dass die Mitgliederzahlen dramatisch zurückgehen werden und dass die Kirche sich kleiner aufstellen wird müssen. Es entspricht auch durchaus meiner eigenen Beobachtung als Pfarrer einer Kirchengemeinde einer Kleinstadt am Rande des Westerwaldes. Das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche schwindet. Die Kenntnis der eigenen Glaubensgrundlagen wird deutlich geringer. Taufen, kirchliche Trauungen und Trauerfeiern werden nicht mehr überall als selbstverständlich betrachtet. Dazu kommt die Konkurrenz freier Bestattungs- und Hochzeitsredner, die der Kirche auf ihrem ureigensten Terrain beginnen, das Wasser abzugraben. Austritte vor allem von Menschen im Alter zwischen 20 und 30, vor allem von Männern, gibt es immer wieder. Dabei haben sie, so ist es zumindest meine Wahrnehmung, keineswegs Anlass dazu, wenn ich das Engagement ihrer Kirche und ihrer Gemeinde vor Ort betrachte. Es geschieht nicht, weil wir grundsätzlich schlechte Arbeit leisteten. Es hat vielmehr mit einem gesellschaftlichen Trend zu tun und der Abkühlung des inneren Verhältnisses zu großen Organisationen und Institutionen überhaupt.

Niemand hat ernsthaft glauben können oder wollen,
dass über 40 Millionen Kirchenmitglieder loyale und brennende Sympathisanten, ja sogar praktizierende Christen/innen sind.

Ich nehme wahr, dass die Reaktionen auf die Studie aus Freiburg nicht viel anders lauten, als schon bei ähnlichen Prognosen vorheriger Jahre. Da tritt viel Unverständnis über so viel Undankbarkeit der Menschen, aber auch das genaue Gegenteil zutage: der Gedanke, man müsse endlich wieder mehr auf die Menschen zugehen! Appelle zu mehr Qualität wechseln sich ab mit düsteren Orakeln über die nötigen Einschnitte in den kommenden Jahren. So weit so bekannt. Nur, was hilft’s?

Niemand hat ernsthaft glauben können oder wollen, dass über 40 Millionen Kirchenmitglieder loyale und brennende Sympathisanten, ja sogar praktizierende Christen/innen sind. Der Schein einer durch Kirchensteuermittel gut geölten Institution mit vielen bewundernswerten und vorzeigbaren, aber leider eben auch mit weniger ansprechenden und zielgerichteten Angeboten und Einrichtungen hat uns in den Jahren voller Kasse vielleicht so beeindruckt wie der Osterhase, der zwar nach außen glänzt, aber eben im Inneren – ich will nicht sagen, hohl ist – aber eben doch deutlich weniger Substanz vorweist, als wir dies gehofft haben. Der idealtypische Weg eines Menschen von der Taufe, über die christliche Erziehung durch Eltern, kirchlichen Kindergarten, schulischen Religionsunterricht, Kirchlichen Unterricht über Teilnahme am gemeindlichen Leben, den gibt es immer weniger. Dabei bestätigen Ausnahmen die Regel.

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Ich sehe nicht, dass die Geschichte von Jesus, wie sie uns im Neuen Testament erzählt wird, Kraft und Ausstrahlung verloren hätte. Aber sie ist als lebensverändernde, ja weltverändernde Botschaft wegen so vieler anderer Themen in den Hintergrund getreten, dass sie von Menschen gar nicht mehr wahrgenommen wird. Die Zeiten einer selbstverständlichen Zugehörigkeit zu einer großen Institution, „weil man eben dazu gehört“, gehen langsam zu Ende. Menschen suchen sich bewusst aus, was sie unterstützen, wofür sie ihr Geld ausgeben und wo sie sich selbst aktiv einbringen wollen. Andererseits erwarten sie dann auch die entsprechende Zuwendung und Aufmerksamkeit durch die Vertreter/innen dieser Institutionen. Ich meine, dass wir uns häufig zu viele Gedanken um die Verpackung gemacht und zu wenig über den Inhalt und den Kern des Glaubens gesprochen haben. Der zunehmende christliche Fundamentalismus, den es ja auch gibt, scheint mir eher eine Folge davon zu sein, dass wir das Feld auf dem Gebiet den Vereinfachern überlassen haben.

Der Weg des Glaubens führte in Europa und besonders in Deutschland über die Großkirchen, die einmal Volkskirchen waren. Und ehrlich gesagt: Selbst mit 20 Millionen Mitgliedern werden sie, wenn sich die Prognosen bewahrheiten, immer noch vor allen anderen Institutionen in Deutschland liegen. Aber die Jesus-Bewegung, die mit dem Leben Jesu ihren Anfang nahm und durch die Auferstehung Jesu vom Tod sowie die anschließende Ausgießung des Heiligen Geistes den entscheidenden Impuls bekam, kann ich mir beim besten Willen nicht nur als Religionsbehörde nach preußischer Art mit Beamtenstatus vorstellen. Ich bin mir gewiss, sie wird ihren Weg auch ins 22. Jahrhundert finden, auch als Evangelische und Katholische Kirche in Deutschland, denn ihre Kraft liegt nicht in der Institution, sondern im Kern ihrer weltverändernden Botschaft und ihrem lebendigen Herrn. Wir glauben schließlich nicht an den Osterhasen, sondern an den auferstandenen Jesus, der Menschen begegnet ist und heute immer noch begegnet. Und wenn wir das wirklich glauben, dann, so denke ich, müssen wir als Christen und Christinnen nicht sorgenvoll in die Zukunft schauen, sondern können die Botschaft von Jesus vertrauensvoll und durchaus selbstbewusst weitertragen.

Marcus Tesch ist Pfarrer der rheinischen Kirche
in der evangelischen Kirchengemeinde Wissen.

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