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Wunder: Glaube gegen jede Vernunft? (Teil II)

„Der Mensch sehnt sich nach Unwiderlegbarem“, schreibt der FeG-Pastor Raphael Vach in seinem zweiten Teil der Serie „Wunder: Glaube gegen jede Vernunft“. Aber was sind Wunder überhaupt? Brüche mit den Naturgesetzen? Stehen sie im Widerspruch zu einer perfekten Schöpfung? Was sagen 2000 Jahre Kirchengeschichte über Wunder? Vach nimmt uns mit auf eine „wunderbare Reise“ durch die Zeit.

Wer über Wunder schreibt, kann das nicht vom neutralen Standpunkt aus tun. Mich persönlich überrascht Gottes Handeln immer wieder – seine Wege, sein Timing und seine Macht. Als Christ frage ich: Kann man den Namen Gottes in den Mund nehmen und sich zugleich scheuen, von Wundern zu reden? Gott und Wunder gehören zusammen (Richter 13,18). Das ist wunderbar.

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Es gehört zur Wirklichkeit unseres Lebens: Wunder geschehen schon immer. Erstaunlich ist, dass die Kritiker zur Zeit Jesu seine Wundertaten nicht in Frage stellten, sondern nur ihre Herkunft (Markus 3,22). Der uralten Theorie, dass die Zeit der Wunder mit dem Leben der Apostel erloschen sei, steht das Zeugnis der Schrift entgegen (Markus 16,17.20) und die Erfahrung von Jahrhunderten. Die junge Hypothese, Wundergeschichten als antike Erzählform abzutun, gilt auch schon wieder als überholt.

Wunder versus Schöpfungsordnung?

Doch, so wird immer wieder gefragt, ist es nicht ein Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand, an Wunder zu glauben? Schließen die Naturgesetze sie nicht aus? Muss ich mich nicht aus Vernunftgründen gegen die Annahme von Wundern entscheiden? Die Frage ist ernst zu nehmen, auch aus Gründen des Glaubens: Muss sich etwa Gott gegen seine Schöpfung durchsetzen, seine ureigenen Gesetze brechen? Könnte sie dann überhaupt noch als „sehr gut“ gelten? Entehrt die Rede von Wundern nicht den Schöpfer und setzt ihn gar herab?

Wissenschaft und Glaube (Symbolbild: shutterstock / bora ozen).

Das Lob der Schöpfungsordnung zieht sich tatsächlich durch die Bibel. Es endet auch nicht außerhalb von Eden: „HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“ (Psalm 104,24). Wohltuend, dass hinter dieser Welt ein Gott steht und sie nach seinen verlässlichen Geboten funktioniert. Nicht fürchten zu müssen, dass, wenn ich der Rehspur im Wald folge, sich das Reh hinter der nächsten Kurve in einen Wolf verwandelt, hat etwas Beruhigendes. Dass das Naturgeschehen nach bestimmten Abläufen geschieht, ist die Grundlage allen Fortschritts in Medizin und Technik. Der Schöpfungsglaube hat‘s möglich gemacht.

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Doch zerstört das Wunderwirken Gottes nicht gerade diese Verlässlichkeit der Schöpfungsordnung? Ja, sagt Spinoza. Der jüdische Philosoph sah in Wundern einen Eingriff in die göttliche Ordnung und damit einen Selbstwiderspruch Gottes. Für den protestantischen Theologen Schleiermacher war es ein Eingeständnis der Unvollkommenheit der Welt.

Der glaubende Mensch hält jedoch dagegen: Die Naturgesetze könnten Gott nicht vorschreiben, was er tun und lassen kann. Sie ständen sonst über ihm. Gott wäre nicht Gott. Und tatsächlich scheint die Bibel diesen angeblichen Selbstwiderspruch, diese Spannung zwischen Natur und Gott nicht zu kennen. Wie aber kam es dann zu ihr?

Was ist ein Wunder?

Die Antwort liegt in 2000 Jahren Kirchengeschichte und so mancher Verengung biblischer Vorstellungen. Am Anfang steht die Frage: Was ist ein wirkliches Wunder? Der Gelehrte Albertus Magnus definiert es daraufhin als direkten göttlichen Eingriff, der nicht erklärbar sei. Sein Schüler Thomas von Aquin, der katholische Kirchenlehrer, bezeichnet es später als „übernatürlich“. Ein Sprachgebrauch, der bis heute gängig, aber zu eng und falsch ist.

Zum einen teilen die biblischen Berichte diese mittelalterliche Eingrenzung von Magnus nicht. Ihre Wunder umfassen Taten, die nach seiner Erklärung keine Wunder wären. So feiert Psalm 107 Gott „für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut“ (V.8). Geschildert werden außergewöhnliche Erfahrungen der Rettung und Bewahrung. Dem Naturlauf widersprechen sie nicht und zählen doch als Wunder.

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Wunder Gottes durch seine Schöpfung

Zum anderen ist wahrzunehmen, dass die Schrift offensichtlich kein Problem damit hat, die Taten Gottes natürlich zu erklären. Ein gutes Beispiel dafür ist das zentrale Wunder der Geschichte Israels: die Teilung des Meeres. Auf der einen Seite steht außer Frage, wer es gewirkt hat – Gott (2.Mose 15,11). Auf der anderen Seite kann das Wunder wie selbstverständlich „durch einen starken Ostwind“ (2.Mose 14,21) erklärt werden. Freilich, das Timing ist außergewöhnlich – Mose streckt die Hand aus und das Meer teilt sich. Einige Evangelisten rücken durch ihre Beschreibung die Heilungswunder Jesu in die Nähe spätantiker Medizin (z. B. Markus 7,31-37; 8,22-26). Am Staunen der Menschen ändert das nichts. Die Zielsetzung der inspirierten Schreiber wird jedoch klar: Es soll erkennbar werden, wer der eigentliche Arzt ist (2.Mose 15,26) und wer der ist, dem Wind und Wellen gehorchen (Markus 4,41): der Schöpfer selbst. Er hat alle Mittel der Schöpfung in der Hand.

Bild: pixabay

Der Kirchenvater und Wunderbefürworter Augustin kann sagen: „Wunder sind sichtbare Zeichen göttlicher Gnade, die aber nicht gegen die Natur, sondern lediglich gegen die den Menschen bekannte Natur von Gott gewirkt werden.“ Tatsächlich hat das letzte Jahrhundert uns gelehrt: Naturgesetze sind keine sturen Regeln, sondern Hypothesen, die durch experimentelle Verfahren der Welt abgelauscht werden. Es gibt Randbereiche und Wahrscheinlich keiten. Es gibt Phänomene, die nicht in Formeln gegossen werden können. Es gibt mehr. Man sollte sich hüten, zu erklären, welche Wunder im Raum der Natur möglich sind. Da hat Augustin recht.

Nicht recht hat er damit, dass Gott gegen die Natur handelt. In Hintergrund steht das Bild einer einmalig abgeschlossenen Schöpfung, die dann isoliert wie ein Schweizer Uhrwerk abläuft. Die Schöpfung wird zur „Natur“ degradiert, in der Gott keinen Platz hat. Er darf nur eingreifen. Dem widerspricht aber, dass die Bibel den Schöpfer als einen zeichnet, der nicht nur einmalig die Welt ins Leben gerufen hat, sondern unaufhörlich in seiner Schöpfung wirkt, indem er sie z. B. segnet (1.Mose 1,22.28) und erhält (Psalm 93,3f). Er bleibt mit ihr in Beziehung, handelt, „schläft und schlummert nicht“ (Psalm 121,4). Ja, wie am Anfang muss Gott immer wieder neu seinen Odem geben, um die Welt zu erneuern (Psalm 104,29f). Der Fortgang der Welt ist kein Selbstläufer, die Schöpfung nicht abgeschlossen. Die sogenannten „Naturgesetze“ beschreiben daher nur die gewöhnlichen Ausdrucksformen des göttlichen Willens, die Wunder aber die außergewöhnlichen. Von einem Gegeneinander ist keine Spur.

Wunder wegerklären?!

Die neuzeitliche Wissenschaft übernahm das Bild von Wundern als Außerkraftsetzung der Naturgesetze. Etliche Theologen wiederum folgten ihr und erkannten in Wundern einen Eingriff in die Vollkommenheit Gottes. Das konnte nicht sein und so waren Wunder vom Tisch. Auch kam nicht in den Blick, dass die Welt nicht die beste aller möglichen ist. Sie ist vorläufig. In ihr hat das Chaos, „das Meer“, einen begrenzten Raum (Psalm 104,5-9). In Gottes neuer Welt ist „das Meer nicht mehr“ (Offenbarung 21,1). Wunder aber sind Zeichen des Zukünftigen, nicht ein In-Frage-Stellen des Jetzt. Sie haben Platz in Gottes Welt.

Wunder rufen zum Staunen und Glauben

In Wundern handelt Gott an der Schöpfung über die gewöhnliche Art und Weise seines sonstigen Tuns hinaus. Manches davon mag erklärbar sein, anderes nicht. Es führt zum Staunen, ruft zum Glauben und überwindet Hoffnungslosigkeit. Es geht dabei einiges über unseren Verstand hinaus, gegen allen Verstand ist es nicht.

Bild: pixabay

Der Mensch sehnt sich nach Unwiderlegbarem. Doch Wunder bleiben zweideutig. Für Jesu Zeitgenossen war z. B. die Speisung der 4000 nicht überzeugend genug. Sie forderten ein „Zeichen vom Himmel“ (Markus 8,11), nicht nur ein irdisches, sondern ein übernatürliches Eingreifen Gottes. Doch Jesus verweigert es ihnen. Wunder sind keine heimlichen Gottesbeweise. In Psalm 77,20 heißt es: „Dein Weg ging durch das Meer, doch niemand sah deine Spur“. Und doch bleibt der Trost: Gott hält Wege bereit, wo wir Sackgassen sehen. Auf ihn lenken Wundergeschichten den Blick. Er schenkt Frieden „höher als alle Vernunft“ (Philipper 4,7). Mehr ist uns nicht gegeben, aber mehr ist auch nicht nötig.

Raphael Vach, FeG Pastor in Frankenbach

++ Teil I der Reihe „Wunder: Glaube gegen jede Vernunft?“ ++


Dieser Beitrag in Christsein heute erschienen, dem Magazin des Bundes der Freien evangelischen Gemeinden (FeG) in Deutschland. 

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