Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen zwei frühere Patres an der katholischen Eliteschule Canisius Kolleg in Berlin haben sich inzwischen 25 Opfer gemeldet.
Neben 20 ehemaligen Schülern der Berliner Schule seien inzwischen auch drei Missbrauchsfälle in Hamburg und zwei in St. Blasien im Südschwarzwald bekannt geworden, sagte der Provinzobere der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, am Montag in Berlin. Er kündigte eine umfassende Untersuchung der Ereignisse in den 70er und 80er Jahren an. Weitere Opfer schloss er nicht aus.
Bei den beiden Tätern handelt es sich seinen Angaben zufolge um Pater Peter R., der von 1972 bis 1981 am Canisius Kolleg als Religionslehrer und Jugendseelsorger tätig war, sowie um Wolfgang S., der an der Schule Sport, Religion und Deutsch unterrichtet hat. «Im Bezug auf beide Täter gehen wir von sexuellen Übergriffen, wohl aber nicht von schweren Missbrauch aus», sagte Dartmann. «Wir können nicht entdecken, dass es zu Penetrationen oder Vergewaltigungen gekommen ist.» Pater Wolfgang S. sei mehrfach in psychotherapeutischer Behandlung gewesen.
Dartmann äußerte «Betroffenheit und Respekt gegenüber den Opfern». Im Namen des Ordens bat er um Entschuldigung für alle Missbräuche. «Ebenso bitte ich um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals an notwendigem und genauem Hinschauen und angemessenem Reagieren unterlassen wurde», sagte der Provinzobere.
Peter R. war nach seiner Zeit am Canisius Kolleg bis 1989 in der kirchlichen Jugendarbeit in Göttingen tätig, ehe er beurlaubt und 1995 aus dem Orden entlassen wurde. Wolfgang S. war von 1975 bis 1979 am Canisius Kolleg, von 1979 bis 1982 als Lehrer in Hamburg und anschließend in St. Blasien tätig. 1992 trat er, nachdem er in den Laienstand zurückversetzt worden sei, aus dem Orden aus.
In beiden Fällen gibt es den Angaben zufolge Hinweise auf die sexuellen Übergriffe in den Akten. 1986 habe es einen Mordanschlag auf Peter R. gegeben, bei dem er leicht verletzt wurde. Nach einem halbjährigen Mexiko-Aufenthalt Ende der 80er Jahre sei der Pater aus der Jugendarbeit herausgenommen worden. Nach seiner Entlassung aus dem Orden war er in der Diözese Hildesheim tätig, mit der Auflage, keine Jugendarbeit zu machen.
Pater Wolfgang S. habe nach seiner Zeit in St. Blasien in Chile gearbeitet. In den Akten gebe es klare Hinweise, dass er auch hier Übergriffe begangen habe. Aus dem Fragebogen im Zusammenhang mit der Aufgabe seines Priesteramtes gehe hervor, dass er sich auch in St. Blasien und Hamburg an Jugendlichen vergangen habe, sagte Dartmann. Nach eigenen Angaben habe es sich hierbei um körperliche Bestrafung und nicht um Geschlechtsverkehr gehandelt.
Strafrechtlich haben die Vergehen heute keine Relevanz mehr. Dartmann kündigte jedoch eine genaue Untersuchung der Ereignisse an. Die Rechtsanwältin Ursula Raue, die als Beauftragte für Fälle von sexuellem Missbrauch am Canisius Kolleg tätig ist, werde in den nächsten 14 Tagen einen ersten Zwischenbericht geben. Die Vorfälle am Berliner Canisius-Gymnasium waren durch ein Schreiben bekannt geworden, das Rektor Klaus Mertes vor zwei Wochen mit der Bitte um Auskunft an ehemalige Schüler gerichtet hatte.
Die Deutsche Kinderhilfe forderte unterdessen, die Verjährungsfrist für Sexualdelikte an Kindern auf 30 Jahre zu verlängern. «Das Fatale an der Verjährungsfrist zeigt sich hier in seiner ganzen Tragik», sagte der Vorsitzende Georg Ehrmann der Tageszeitung «Die Welt» (Dienstagsausgabe). Die Täter müssten nach jetzigem Kenntnisstand keine strafrechtliche Verfolgung mehr fürchten, die Opfer könnten auch zivilrechtlich keine Ansprüche auf Schadenersatz mehr erheben.
(Quelle: epd)