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„Beim Beten kommt eine Saite in mir ins Schwingen.“

Der „Gebets-Redakteur“ Dr. Ulrich Wendel über Alltagstipps, Gottesgespräche mit der Bibel – und das, was die Lobpreisbewegung uns oft verschwiegen hat.

Ulrich, du leitest seit einiger Zeit die Abteilung „Gebet“ beim SCM Bundes-Verlag. Sicherlich kannst du mir sagen: Was macht einen guten Beter aus?

Ulrich Wendel: Oh, ich weiß gar nicht, ob ich der Richtige für so eine Frage bin. Als „guten Beter“ würde ich mich jedenfalls nicht bezeichnen. Es gibt so Berichte von mächtigen Frauen und Männern des Gebets, die lange Stunden auf Knien verbringen, umfangreiche Listen mit Anliegen durchbeten und beeindruckende Gebetserhörungen erleben – davon bin ich weit entfernt. Beten ist für mich eher ein Arbeitsfeld. Ich suche danach, wie ich es in meinem Alltag verankern kann. Und merke, wie eine Saite in mir ins Schwingen kommt, wenn das gelingt.

Und wenn es nicht gelingt?

Im neuen sela.Gebetsmagazin hat Johannes Hartl im Interview ein schönes Zitat von Franz von Sales gebracht: „Wenn man eine Stunde lang nichts weiter tut, als seine herumschweifenden Gedanken wieder zurückzuholen, dann soll man wissen, man hat sehr gut gebetet.“ Das finde ich tröstlich.

Beten im Alltag verankern – welche Tipps haben sich dabei für dich persönlich bewährt?

Ich setze da mehr auf viele kleine Schritte statt auf riesige Vorhaben, die aber dann vielleicht schnell versanden. Lieber öfter und kurz als groß angelegt, aber selten oder nie. Ein Tipp, den viele nachgemacht haben, als ich darüber geschrieben habe, ist dieser: Auf meinem Arbeitsweg – ich mache den meist mit dem Fahrrad – habe ich bestimmte Stellen unterwegs für mich definiert. Wegmarken. An einer Brücke bete ich für meinen Sohn, an einer Ampel für meine Tochter und ihre Familie, an einer Einmündung für Freunde … und so weiter. Das kann man gut für sich selbst konfigurieren. Es funktioniert auch bei anderen Routinetätigkeiten: beim Geräte-Zirkel im Fitnessstudio oder beim Hemdenbügeln.

Ein anderer Anker in meinem Alltag ist, dass ich jeden morgen einen Psalm bete. Oder bei längeren Psalmen einen halben.

Warum ist das für dich ergiebig?

Weil ich nach und nach zu denjenigen Themen und Anliegen geführt werde, die Jahrtausende lang Beterinnen und Beter beschäftigt haben – und die Raum in der Bibel gefunden haben. Ich werde über den engen Horizont meiner eigenen Gebete und Sorgen hinausgeführt. Und oft ziehen mich die Vertrauensaussagen der Psalmen dann mit, ich bekomme eine Gottesperspektive auf mein Leben.

Ein wertvoller Nebeneffekt: Ich werde allmählich mit dem Buch der Psalmen vertrauter. Ich mache das seit fast 20 Jahren und gehe einmal im Jahr durch den ganzen Psalter sowie durch weitere Gebete im Alten und Neuen Testament. Mit der Zeit bleibt da etwas haften. Die Bibel ist für mein Beten eine wichtige Quelle geworden.

Wie bist du zum Beten mit der Bibel gekommen?

Zunächst bin ich schon sehr lange ein Bibelliebhaber. Zu bestimmten Situationen oder Fragen in meinem „biblischen Hinterkopf“ zu kramen, was dieses Buch dazu sagen könnte, das mache ich oft. Der Aspekt des Gebets kam ins Spiel, als ich ein Schweigewochenende in einem Evangelischen Kloster mitmachte und dort das benediktinische Psalmgebet kennenlernte. Dabei geht man in einer Woche durch den gesamten Psalter hindurch, mit gregorianisch geprägten Gesängen. Das hat eine starke Sehnsucht in mir ausgelöst. Ich wusste: gregorianisch singen, das werde ich zu Hause nicht machen. Und in einer einzigen Woche schaffe ich auch den Psalter nicht. Also habe ich mir eine eigene Tagesaufteilung zurechtgelegt, sie ausprobiert und beibehalten. Ich finde es großartig, dass ich in Gottes Wort Gebetsworte finde, auf die ich zurückgreifen kann, wenn mir eigene Worte fehlen oder wenn die zu ärmlich sind.

Um das Gebets-Potenzial der Bibel weiterzugeben, habe ich in den letzten Jahren eine spezielle Bibelausgabe entworfen, die diese Schätze hebt. Man kann sie aufschlagen und sofort losbeten – oder auf tiefere Gebetsspuren in Gottes Wort kommen.

Nun gibt es ja sehr viele Gebetstexte, vor allem Gebetslieder. Was ist für dich das Besondere an den biblischen Gebeten?

Ich glaube, dass sie eine Qualität haben, die viele heutige Lieder nicht in dem Maße erreichen. Dass die Anbetung überhaupt in ihrer Wichtigkeit entdeckt wurde, ist ein großes Verdienst der Lobpreisbewegung seit den 1970er-Jahren. Damals wurde neu herausgestellt, dass Gott „im Lobpreis seines Volkes wohnt“ – ein Satz, der auch heute noch oft zitiert wird. Das ist ja dem 22. Psalm entnommen. Aber beim Nachlesen habe ich gemerkt, dass man uns – mal krass überspitzt gesagt – dabei etwas verschwiegen hat. In Psalm 22,4 heißt es, dass Gott „thront über den Lobgesängen Israels“. Also nicht allgemein im Lobpreis, sondern in den Lobliedern Israels. Welche Lieder sind das denn? Die Psalmen natürlich! Sie tragen also eine besondere Verheißung, und ich glaube, in den Psalmen begegnet man Gott mehr als in anderen Liedern. Das merkt man vielleicht nicht in jedem einzelnen Moment oder Gottesdienst – aber über die Länge eines Lebens hinweg sehr wohl.

Hast du besondere Gebetsvorbilder?

So wie ich gestrickt bin, das hab ich ja eben schon erzählt, suche ich Vorbilder zuerst in der Bibel. Vorbildlich finde ich Daniel, der dreimal am Tag am offenen Fenster Richtung Jerusalem betete. Eine gute Gewohnheit – die ich selbst aber in dieser Häufigkeit oft nicht schaffe. Da sind mir andere, nicht so glänzende Personen näher. Ich denke am Simson im Richterbuch. Eigentlich kein hingegebener Beter, er klingt oft sehr egoistisch. Aber einmal ist er am Verdursten und betet verzweifelt um Hilfe – da tut Gott ihm eine Wasserquelle auf. Und die sprudelt nach ihm noch Generationen später. Das finde ich großartig: Weil einer einmal gebetet hat, können viele Menschen noch lange Zeit davon profitieren.

Viel nachgedacht habe ich auch über Hiob. Er hat ja nach seinen Schicksalsschlägen eine Menge Vorwürfe an Gott, das geht schon ins Extreme. Seine Freunde können das kaum ertragen. Aber zwischendurch betet Hiob immer wieder. Seine „ach-so-korrekten“ Freunde nicht. Und am Ende ist es Hiob, der für sie beten soll, so sagt Gott es.

An Jesus finde ich unter anderem vorbildlich, dass er sich in einem Moment des großen Erfolgs und Zulaufs in die Stille zurückzieht – und am nächsten Morgen dann woandershin geht. Das Gespräch mit seinem Vater hat ihn frei gemacht vom Blick auf die menschliche Anerkennung.

Abgesehen von der Bibel fand ich einen Dozenten von mir vorbildlich, und zwar, weil er im Gebet in genau demselben Tonfall und Satzbau sprach wie sonst im Gespräch oder im Unterricht. Er konnte dem Herrn die Dinge durchaus schon mal systematisch darlegen, wie sonst uns Studenten auch – aber es gab bei ihm eben keinen Bruch zwischen Alltagsrede und Gebet, keine gekünstelte „heilige“ Sprache.

Im Gebetsprojekt sela. gibst du nicht nur ein gedrucktes Magazin heraus, sondern bestückst auch digitale Angebote. Warum läuft das zweigleisig, Print und digital?

Das gedruckte Magazin ist sehr opulent und hochwertig gestaltet, damit man es gern immer wieder zur Hand nimmt, so wie sonst ein Buch. Es kommt nur einmal im Jahr heraus. Es ist sozusagen unser Premium-Produkt. Die digitalen Angebote dagegen sind flexibler und reaktionsschneller. Im Blog kann ich zum Beispiel mal einen Gedanken anreißen und später weiterführen, mal laut nachdenken. Oder etwas teilen, das ich aktuell gelesen habe.

Und dann gibt es noch den WhatsApp-Gebetskanal mit zwei Posts pro Woche. Wie wirst du es schaffen, den Kanal dauerhaft mit frischen Impulsen zu versorgen?

Zum einen, indem ich versuche, wach unterwegs zu sein. Die Ohren spitze für aktuelle Gebetsanliegen oder interessante Gebetsideen. Und indem ich einfach selbst ein Beter bleibe und so in dieser Erfahrungswelt vital drin bin. Zum anderen versuche ich, meine „Vorräte“ gefüllt zu halten. In meiner persönlichen Bibel habe ich Gebete angestrichen und Anreden an Gott markiert. Daraus lassen sich biblische Impulse entwickeln. Und meine Zitatsammlung zum Thema Gebet ist gut bestückt.

Bei einem anderen Punkt bin ich tatsächlich aber laufend darauf angewiesen, dass andere mitmachen. Ich möchte auch gern ehrliche, mutmachende oder nachdenkliche Gebetserfahrungen teilen. Dazu suche ich jederzeit kurze Beiträge, die man mir an diese Mailadresse schicken kann.

Lieber Uli, danke für das Gespräch!

Dr. Ulrich Wendel ist Pastor und arbeitet als Chefredakteur der Zeitschriften Faszination Bibel und sela. Das Gebetsmagazin. Er hat mehrere Bücher zum Thema Gebet geschrieben oder herausgegeben, darunter „99 Ideen zum Beten“ und „Neues Leben. Die Bibel zum Beten“. Er schreibt einen regelmäßigen Gebets-Blog.


Das Gebetsmagazin sela. ist wie Jesus.de ein Angebot des SCM Bundes-Verlags. Mit den drei Rubriken „Berührt.“, „Überlegt.“ und „Erprobt.“ lädt das Magazin zu einem tieferen und freieren Gebetsleben ein.

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2 COMMENTS

  1. Vor Gott nichts verstecken

    Beten ist mir zwar auch wichtig, aber leider ist da mein Geist stark, aber das Fleisch schwach. Aber um aus der Not eine Tugend zu machen, oder es zu versuchen, bin ich eigentlich ein häufig Betender, in dem ich bei allen möglichen Angelegenheiten, oder wenn ich gar nichts tue, doch mit Gott innerlich am reden. Auch da schwingt dann eine meiner Seiten deutlich mit, denn mir ist schon lange bewusst dass Gott auch über meine tiefsten Gedanken und Geheimnisse alles weiß. Ich kann also offen mit ihm sprechen und nichts verschweigen. Dies ist dann andererseits ebenso eine ganz große Erleichterung, nichts verbergen zu müssen. Ich glaube aber auch, weil ich es immer wieder erstaunt erlebe, daß Gott Gebete erhört und manchmal auch obwohl sie zwar egoistisch klingen, aber für mich inhaltlich doch wichtig sind. Außerdem ist mir bewusst, daß wir allzumal Sünder sind und unser aller Ruhm vor Gott mangelhaft ist. Zum Gebet gehört daher auch aus der Vergebung zu leben. Allerdings bin ich sparsam mit Versprechen ihm gegenüber, von denen ich mit Bestimmtheit weiß, daß ich sie nicht einhalten kann. Ich denke, dies gehört zur Ehrlichkeit mir und meinem Schöpfer gegenüber auch dazu.

  2. Vor Jahrzehnten fand ich einen Artikel zum Thema beten über der Zeitung. Damals beschloss ich, dem zu folgen und beim Zeitung lesen immer wieder still Dank und Fürbitte vor Gott zu bringen.
    Eine Zeit lang betete ich als Fußgänger still für die Menschen, die mir unterwegs begegneten.
    Und wenn die Tage wieder länger werden, sage ich unterwegs Gott Dank für das Zwitschern der Vögel und die kleinen unscheinbaren (Unkraut)blumen am Wegrand.

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