Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sieht beide große Kirchen in einer Umbruchsituation. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung gehe die Zahl der Katholiken wie der Protestanten deutlich zurück, sagte Zollitsch in einem epd-Interview. Darin äußert er sich auch über das Verhältnis der Bischöfe zu den katholischen Laien und zur Ökumene. Mit dem Freiburger Erzbischof sprachen Rainer Clos und Christine Süß-Demuth. epd: Herr Erzbischof, seit reichlich einem Jahr stehen Sie an der Spitze der katholischen Kirche in Deutschland. Wie fällt Ihr bisheriges Resümee aus? Zollitsch: Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Das gilt für die Gesellschaft insgesamt, und das gilt für die Kirche. Dieser Situation müssen wir uns stellen. Ich sehe in diesen Zeiten des Umbruchs aber viele Elemente des Aufbruchs. Die einzelnen Gläubigen identifizieren sich stärker mit ihrem Glauben. Wir hatten noch nie so viele Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich in unseren Kirchen engagierten. Das ist etwas Großartiges. Oder wenn ich an die Dritte Welt denke: Ich bin dankbar für das, was dort unsere großen Werke, wie Misereor, Adveniat oder Brot für die Welt auf der evangelischen Seite zur Verbreitung und Stärkung des christlichen Glaubens und im sozialen Bereich tun. epd: Hatten Sie mit so stürmischen Zeiten gerechnet, wie sie beim Streit um die konservative Pius-Bruderschaft und dieser Tage im Zwist mit den katholischen Laien sichtbar wurden, als Sie die Nachfolge von Kardinal Lehmann antraten? Zollitsch: Damit hatte ich nicht gerechnet. Auch für mich kam das Dekret überraschend, das die Exkommunikation der vier von Bischof Lefebvre geweihten Bischöfen aufgehoben hat. Dass dies viel Spannung, Verwunderung und Enttäuschung ausgelöst hat, ist vor dem Hintergrund zu sehen, was Bischof Williamson im Blick auf den Holocaust geäußert hatte. Dazu hat die Bischofskonferenz bei der Frühjahrsvollversammlung einstimmig eine Erklärung zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche verabschiedet und den Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils bekräftigt. epd: Gerade hat die ZdK-Vollversammlung die Wahl der neuen Führungsspitze verschoben. Die fehlende Bestätigung des Kandidaten durch die Bischöfe ist in der Öffentlichkeit als Riss im deutschen Katholizismus wahrgenommen worden. Wie steht es um die Einheit der katholischen Kirche in Deutschland? Zollitsch: Meine Erfahrung ist, dass wir eine große Einheit haben. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz sehe ich es als meine Aufgabe an, in dem Sinne zu moderieren, dass das Gemeinsame herausgestellt wird. Ich persönlich bin der klaren Überzeugung: Es ist gut, dass wir das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben als ein Element der Vertretung der Laien. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee ergänzen sich gegenseitig und arbeiten zusammen. Die aktuelle Situation sehe ich als Herausforderung, um uns neu zu vergewissern, was die Aufgabe des Zentralkomitees ist und wie der Kontakt mit der Bischofskonferenz verstärkt werden kann. Was als Spannung besteht, möchte ich als Chance nutzen, um zu einem vertieften und verbesserten Miteinander zu kommen. epd: Teilen alle Bischöfe Ihren guten Eindruck von Laienvertretung? Zollitsch: Da gibt es durchaus Bischöfe mit einer größeren Nähe und auch Bischöfe mit einer geringeren Nähe zum Zentralkomitee. Das hängt auch viel von den jeweiligen Erfahrungen ab. Auch im Zentralkomitee gibt es eine große Meinungsvielfalt. epd: Beide große Kirchen befinden sich in einer Phase des Umbaus: Anpassung an kleinere Mitgliederzahlen und abnehmende Finanzkraft. Aus manchen Diözesen wird von Kirchenschließungen in hoher Zahl berichtet. Wie sieht die katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2030 strukturell aus? Zollitsch: Sie haben Recht, wir spüren den Umbruch in den Kirchen und müssen uns dieser Aufgabe stellen. Dabei gibt es in regional erhebliche Unterschiede. Im Bistum Essen wurden in den 60er Jahren viele neue Kirchen gebaut. Nun erleben wir, dass wir sie in dieser Zahl nicht mehr brauchen. Im Südwesten ist die Situation ganz anders. Für das Erzbistum Freiburg gibt es keinen Plan Kirchen aufzugeben. Wenn wir allerdings die Bevölkerungsentwicklung anschauen, dann müssen wir feststellen: Die Zahl der Katholiken, die Zahl der Protestanten geht deutlich zurück, allein weil zu wenig Kinder geboren werden. Wir werden eine kleinere Kirche sein. Und wir werden eine missionarische Kirche sein – inmitten verschiedener Konfessionen und Religionen. Die Strukturreformen, in denen etwa Pfarrgemeinden zu Seelsorgeeinheiten zusammengefasst werden, sind nicht ja nur eine Folge davon, dass wir weniger Priester haben. Auch die Mobilität in der Bevölkerung ist viel größer geworden. Innerhalb eines erreichbaren Gebietes müssen für die Gläubigen verschiedene Möglichkeiten bestehen, damit Menschen mit ihrem Glauben in der Kirche Heimat finden. epd: Sie haben den Priestermangel erwähnt. Reichen Organisationsänderungen als Antwort darauf aus? Zollitsch: Wir haben heute die gleiche Anzahl Mitarbeiter in der Seelsorge wie vor 40 Jahren. Seelsorge ist nicht nur die Aufgabe des Priesterberufs. Daneben gibt es die Berufe des Diakons, des Gemeindereferenten und der Pastoralreferentin. Das verlangt eine Umstellung im Lebensgefühl der Gemeindemitglieder. Denn bei uns ist es ähnlich wie in der evangelischen Kirche – zuerst blicken alle auf den Priester. Natürlich wird dann eine Grenze erreicht, wenn wir nicht mehr in erreichbarer Nähe am Sonntag die Feier der heiligen Messe garantieren können. epd: Wovon kann der kirchliche Aufbruch am Beginn des 21. Jahrhundert ausgehen? Zollitsch: Ich erlebe schon seit Jahren, dass Menschen das Evangelium ganz neu entdecken. Bei den Glaubenskursen ist meine Erfahrung, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer aus einer großen Distanz zur Kirche kommt. Darin liegt heute eine Chance. In anderen Ländern – etwa in den USA oder Südkorea – ist es selbstverständlich für die Katholiken, über ihren Glauben zu sprechen. Hingegen fällt es den Deutschen zumeist schwer, davon zu sprechen, was sie trägt. Über Fragen des Glaubens ins Gespräch zu kommen, muss gelernt werden. Dafür müssen wir auch die modernen Medien nützen, um entsprechend in der Öffentlichkeit präsent zu sein. epd: Sie bieten auch Video-Botschaften? Zollitsch: In diesem Jahr bin ich in den Podcast eingestiegen. Von Ostern bis Pfingsten gibt es jeden Sonntag einen kurzen Videotalk auf der Internetseite der Erzdiözese. Ich wollte mal sehen, wie das Echo ausfällt. epd: Wie sind bisher die Reaktionen? Zollitsch: Ausgesprochen positiv. Wenn wir damit kirchenferne Menschen ansprechen, sollten wir diese Möglichkeit nutzen. epd: In der Bischofskonferenz wird schon länger über das künftige Medienengagement diskutiert. Zollitsch: Wir wollen auch in der Bischofskonferenz die neuen Medien stärker nutzen. Das heißt nicht, dass wir aus den Printmedien aussteigen. Gerade im Internet in Verbindung mit beweglichen Bildern sehen wir eine Chance für die Zukunft. Voraussichtlich beim nächsten Ständigen Rat der Ortsbischöfe werden dieses Projekt beschließen. Die evangelische Kirche ist da schon ein bisschen weiter.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sieht beide große Kirchen in einer Umbruchsituation. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung gehe die Zahl der Katholiken wie der Protestanten deutlich zurück, sagte Zollitsch in einem epd-Interview. Darin äußert er sich auch über das Verhältnis der Bischöfe zu den katholischen Laien und zur Ökumene. Mit dem Freiburger Erzbischof sprachen Rainer Clos und Christine Süß-Demuth.
epd: Herr Erzbischof, seit reichlich einem Jahr stehen Sie an der Spitze der katholischen Kirche in Deutschland. Wie fällt Ihr bisheriges Resümee aus?
Zollitsch: Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Das gilt für die Gesellschaft insgesamt, und das gilt für die Kirche. Dieser Situation müssen wir uns stellen. Ich sehe in diesen Zeiten des Umbruchs aber viele Elemente des Aufbruchs. Die einzelnen Gläubigen identifizieren sich stärker mit ihrem Glauben. Wir hatten noch nie so viele Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich in unseren Kirchen engagierten. Das ist etwas Großartiges.
Oder wenn ich an die Dritte Welt denke: Ich bin dankbar für das, was dort unsere großen Werke, wie Misereor, Adveniat oder Brot für die Welt auf der evangelischen Seite zur Verbreitung und Stärkung des christlichen Glaubens und im sozialen Bereich tun.
epd: Hatten Sie mit so stürmischen Zeiten gerechnet, wie sie beim Streit um die konservative Pius-Bruderschaft und dieser Tage im Zwist mit den katholischen Laien sichtbar wurden, als Sie die Nachfolge von Kardinal Lehmann antraten?
Zollitsch: Damit hatte ich nicht gerechnet. Auch für mich kam das Dekret überraschend, das die Exkommunikation der vier von Bischof Lefebvre geweihten Bischöfen aufgehoben hat. Dass dies viel Spannung, Verwunderung und Enttäuschung ausgelöst hat, ist vor dem Hintergrund zu sehen, was Bischof Williamson im Blick auf den Holocaust geäußert hatte. Dazu hat die Bischofskonferenz bei der Frühjahrsvollversammlung einstimmig eine Erklärung zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche verabschiedet und den Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils bekräftigt.
epd: Gerade hat die ZdK-Vollversammlung die Wahl der neuen Führungsspitze verschoben. Die fehlende Bestätigung des Kandidaten durch die Bischöfe ist in der Öffentlichkeit als Riss im deutschen Katholizismus wahrgenommen worden. Wie steht es um die Einheit der katholischen Kirche in Deutschland?
Zollitsch: Meine Erfahrung ist, dass wir eine große Einheit haben. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz sehe ich es als meine Aufgabe an, in dem Sinne zu moderieren, dass das Gemeinsame herausgestellt wird. Ich persönlich bin der klaren Überzeugung: Es ist gut, dass wir das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben als ein Element der Vertretung der Laien.
Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee ergänzen sich gegenseitig und arbeiten zusammen. Die aktuelle Situation sehe ich als Herausforderung, um uns neu zu vergewissern, was die Aufgabe des Zentralkomitees ist und wie der Kontakt mit der Bischofskonferenz verstärkt werden kann. Was als Spannung besteht, möchte ich als Chance nutzen, um zu einem vertieften und verbesserten Miteinander zu kommen.
epd: Teilen alle Bischöfe Ihren guten Eindruck von Laienvertretung?
Zollitsch: Da gibt es durchaus Bischöfe mit einer größeren Nähe und auch Bischöfe mit einer geringeren Nähe zum Zentralkomitee. Das hängt auch viel von den jeweiligen Erfahrungen ab. Auch im Zentralkomitee gibt es eine große Meinungsvielfalt.
epd: Beide große Kirchen befinden sich in einer Phase des Umbaus: Anpassung an kleinere Mitgliederzahlen und abnehmende Finanzkraft. Aus manchen Diözesen wird von Kirchenschließungen in hoher Zahl berichtet. Wie sieht die katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2030 strukturell aus?
Zollitsch: Sie haben Recht, wir spüren den Umbruch in den Kirchen und müssen uns dieser Aufgabe stellen. Dabei gibt es in regional erhebliche Unterschiede. Im Bistum Essen wurden in den 60er Jahren viele neue Kirchen gebaut. Nun erleben wir, dass wir sie in dieser Zahl nicht mehr brauchen. Im Südwesten ist die Situation ganz anders. Für das Erzbistum Freiburg gibt es keinen Plan Kirchen aufzugeben.
Wenn wir allerdings die Bevölkerungsentwicklung anschauen, dann müssen wir feststellen: Die Zahl der Katholiken, die Zahl der Protestanten geht deutlich zurück, allein weil zu wenig Kinder geboren werden. Wir werden eine kleinere Kirche sein. Und wir werden eine missionarische Kirche sein – inmitten verschiedener Konfessionen und Religionen. Die Strukturreformen, in denen etwa Pfarrgemeinden zu Seelsorgeeinheiten zusammengefasst werden, sind nicht ja nur eine Folge davon, dass wir weniger Priester haben. Auch die Mobilität in der Bevölkerung ist viel größer geworden. Innerhalb eines erreichbaren Gebietes müssen für die Gläubigen verschiedene Möglichkeiten bestehen, damit Menschen mit ihrem Glauben in der Kirche Heimat finden.
epd: Sie haben den Priestermangel erwähnt. Reichen Organisationsänderungen als Antwort darauf aus?
Zollitsch: Wir haben heute die gleiche Anzahl Mitarbeiter in der Seelsorge wie vor 40 Jahren. Seelsorge ist nicht nur die Aufgabe des Priesterberufs. Daneben gibt es die Berufe des Diakons, des Gemeindereferenten und der Pastoralreferentin. Das verlangt eine Umstellung im Lebensgefühl der Gemeindemitglieder. Denn bei uns ist es ähnlich wie in der evangelischen Kirche – zuerst blicken alle auf den Priester. Natürlich wird dann eine Grenze erreicht, wenn wir nicht mehr in erreichbarer Nähe am Sonntag die Feier der heiligen
Messe garantieren können.
epd: Wovon kann der kirchliche Aufbruch am Beginn des 21. Jahrhundert ausgehen?
Zollitsch: Ich erlebe schon seit Jahren, dass Menschen das Evangelium ganz neu entdecken. Bei den Glaubenskursen ist meine Erfahrung, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer aus einer großen Distanz zur Kirche kommt. Darin liegt heute eine Chance. In anderen Ländern – etwa in den USA oder Südkorea – ist es selbstverständlich für die Katholiken, über ihren Glauben zu sprechen. Hingegen fällt es den Deutschen zumeist schwer, davon zu sprechen, was sie trägt. Über Fragen des Glaubens ins Gespräch zu kommen, muss gelernt werden. Dafür müssen wir auch die modernen Medien nützen, um entsprechend in der Öffentlichkeit präsent zu sein.
epd: Sie bieten auch Video-Botschaften?
Zollitsch: In diesem Jahr bin ich in den Podcast eingestiegen. Von Ostern bis Pfingsten gibt es jeden Sonntag einen kurzen Videotalk auf der Internetseite der Erzdiözese. Ich wollte mal sehen, wie das Echo ausfällt.
epd: Wie sind bisher die Reaktionen?
Zollitsch: Ausgesprochen positiv. Wenn wir damit kirchenferne Menschen ansprechen, sollten wir diese Möglichkeit nutzen.
epd: In der Bischofskonferenz wird schon länger über das künftige Medienengagement diskutiert.
Zollitsch: Wir wollen auch in der Bischofskonferenz die neuen Medien stärker nutzen. Das heißt nicht, dass wir aus den Printmedien aussteigen. Gerade im Internet in Verbindung mit beweglichen Bildern sehen wir eine Chance für die Zukunft. Voraussichtlich beim nächsten Ständigen Rat der Ortsbischöfe werden dieses Projekt beschließen. Die evangelische Kirche ist da schon ein bisschen weiter.
(Quelle: epd)