Rechtzeitig vor Ostern werden die Restaurierungen in der Jerusalemer Grabeskirche fertig – dort, wo der Überlieferung zufolge Jesus nach seiner Kreuzigung zu Grabe gelegt wurde. Zuvor hatte 70 Jahre lang ein Gerüst die Kapelle stützen müssen.
Von Susanne Knaul (epd)
Drei Männer räumen Kittel und Helme weg, sortieren Kabelrollen und stellen Eimer ineinander. Nur die Hebebühne steht noch vor der Grabkammer in der Jerusalemer Grabeskirche. Zehn Monate lang hat ein Team der Nationalen Technischen Universität Athen die heilige Pilgerstätte für Christen restauriert, am Mittwoch soll die Kapelle über der Grabkammer neu eröffnet werden. Der Überlieferung nach wurde hier unweit der Kreuzigungsstätte der Leichnam Jesu begraben. Am dritten Tag, so berichtet die Bibel, ist er auferstanden.
Die Renovierung war dringend nötig: Mehr als 70 Jahre lang war die Kapelle in einen Eisenkäfig gehüllt, der sie stützen sollte. Denn 1927 hatte ein Erdbeben die Region erschüttert und die Wände der Kammer so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass die britischen Mandatsherren über Palästina noch kurz vor dem Ende ihrer Verwaltungszeit ringsum die Metallstützen anlegten.
Frisch renoviert stehen die Wände der Ädikula, der kleinen Kapelle um das Grab, nun wieder aus eigener Kraft. Die Restaurierung war über die Jahre an Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen gescheitert, die sich die Zuständigkeiten in der Kirche teilen.
„Status Quo“ darf nicht verändert werden
„Am Ende war man sich doch recht schnell einig“, berichtet Pater Athanasis im Rückblick. Der 54-jährige Franziskanermönch aus Texas lebt schon mehr als sein halbes Leben lang in Jerusalem. Er ist für die Einhaltung des „Status quo“ verantwortlich, der im 19. Jahrhundert festgelegten Aufteilung der Kirche unter sechs christliche Konfessionen. Die Hauptverwaltung haben die griechisch-orthodoxe, die römisch-katholische und die armenisch-apostolische Kirche. Im 19. Jahrhundert kamen dann die syrisch-orthodoxe und die äthiopisch-orthodoxe Kirche sowie die Kopten hinzu.
Jede Baumaßnahme birgt Potenzial für Konflikte, denn sie droht den Status quo zu verändern. Deshalb gilt der von Katholiken, Griechisch-Orthodoxen und Armeniern gemeinsam gefasste Entschluss über die Restaurationsarbeiten als ein Signal für die friedliche Kooperation. Die höchsten Vertreter der Kirchen, so meint Pater Athanasis, hätten die „dringende Notwendigkeit der Renovierungsarbeiten verstanden“.
Berichten zufolge gab es zuvor Geheimverhandlungen in Griechenland. Die griechische Technische Universität ist schließlich auch mit der verantwortungsvollen Mission beauftragt worden.
Pater Athanasis steigt schwergewichtig die Stufen zur Empore hinauf, um von oben einen Blick auf die restaurierte Grabkammer zu werfen. Rund 3,4 Millionen Euro habe das Projekt gekostet, sagt er. Das jordanische Königshaus, das für die christlichen und muslimischen Pilgerstätten im Heiligen Land zuständig ist, soll einen Teil der Kosten übernommen haben, und auch aus den USA, aus Griechenland und Russland flossen großzügige Spendengelder. Ziel war, das Gemäuer erdbebensicher zu machen.
Viele Besucher küssen den Stein
Während der Renovierung blieb die Pilgerstätte geöffnet. Auch jetzt hat sich vor dem Eingang zum Grab eine Schlange christlicher Besuchern gebildet. Einer nach dem anderen betreten sie die Kapelle. Viele küssen oder berühren den kalten Stein und bekreuzigen sich, bis ein Mönch die Besucher vorantreibt, damit sie Platz machen für die, die hinter ihnen kommen. Das griechische Team hat oft nachts gearbeitet, um die Pilger mit dem Lärm ihrer Geräte nicht zu stören.
Ein besonderer Moment während der Restaurationsarbeiten war die Öffnung des Grabes, in dem Jesu laut Überlieferung zwischen seinem Tod und der Auferstehung gelegen haben soll. Über die Jahrhunderte ist dies nur zweimal geschehen. „Es ist nachts geöffnet worden“, um den Besuchsverkehr möglichst wenig zu beeinträchtigen, berichtet Pater Athanasis. Er selbst bedauert es ein wenig, dass er bei dem historischen Ereignis im vergangenen Oktober nicht dabei war. Durch ein kleines Fenster können Besucher nun direkt auf die Grabplatte schauen.
Ginge es nach Antonia Moropoulou, der Projektleiterin, dann würde sie gleich das nächste Projekt in Angriff nehmen: den Boden rings um die Grabkammer und die Reparatur der unterirdischen Wasserleitungen. Ungefestigt könnten sie eines Tages die Ädikula beschädigen, warnt sie. Dafür wäre nach Schätzung der Expertin jedoch erneut eine Konsensentscheidung der drei Kirchenoberhäupter nötig sowie die Finanzierung von rund sechs Millionen Euro.
Doch jetzt feiern die Christen Jerusalems erst einmal vor der frisch restaurierten Grabkammer Jesu das Osterfest. Hier endet die Via Dolorosa, die sich durch die Altstadt von Jerusalem zieht und auf der unzählige Pilger an den Leidensweg Jesu erinnern. In diesem Jahr ist es eine gemeinsame Feier: Die Osterfeiertage der orthodoxen und der westlichen Christen fallen auf das gleiche Datum.
(Quelle: epd)