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Forsche ich, ob es sich so verhält?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

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Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Wer glaubt, schaltet sein Gehirn aus – sagen Kritiker. Tom Laengner sieht das anders und verweist dazu auf die Apostelgeschichte.

Magst du Chapatis? Überaus köstlich! Und seit geraumer Zeit mache ich diese indischen Weizenfladen auch selber. Allerdings nehme ich meist Dinkelmehl, was mir die Weizenfladen nicht übelzunehmen scheinen. Nun entwickelte sich in den letzten Wochen ein kleines Problem. Wegen dem Mehles. Nein: des Mehles? Denn das war kaum noch zu kriegen. Ausverkauft. Die Regale waren leer. Und in mir wuchs, neben der Ratlosigkeit, der Gedanke, dass daran der Krieg schuld sein könnte. Denn ich hatte gehört und gelesen, dass die Ukraine die Kornkammer Europas sei. Gleichzeitig war ich überrascht, dass die Folgen des Krieges in Osteuropa bei mir vor der Haustür spürbar wurden. Und ich wunderte mich auch. Denn das Mehl, was ich heute esse, müsste doch aus der Ernte von 2021 stammen. Meines Wissens wird im Frühjahr wahrscheinlich nicht einmal in der Kornkammer des Kontinentes geerntet. Wo ist also die Quelle der Knappheit? Ich konnte es nicht herausfinden.

Anstatt Chapatis zu backen, könnte ich mir im Bioladen zum Trost Gebäck kaufen. Meinen Freunden in der Demokratischen Republik Kongo geht es nicht so gut. Sie haben jetzt leider fast nichts mehr zu essen. Nicht mal Kuchen aus dem Biomarkt! Das ist nicht erst seit dem Ukrainekrieg so. Seit Beginn der Pandemie gehen die Lebensmittelpreise in Zentralafrika durch die Decke. Dazu gehören auch Grundnahrungsmittel wie Getreideprodukte. Es gab im Kongo und den Nachbarländern kaum Coronatote, statt dessen einen Anstieg an Mangelernährung. Die Präsidentin der Welt Hungerhilfe, Marlehn Thieme, bestätigt das: „2020 litten 155 Millionen Menschen in 55 Ländern unter lebensbedrohlichem Hunger“. Das sind 20 Millionen mehr als noch ein Jahr zuvor.

Durch den Klimawandel bekommen wir jetzt das schöne Wetter und die Leute in den armen Ländern nichts mehr auf den Tisch.

Bei all dem bekomme ich ein ganz pelziges Gefühl im Hals. Ist es beim Klimawandel nicht ähnlich? Wie sagte jüngst ein Kabarettist auf WDR 5: Durch den Klimawandel bekommen wir jetzt das schöne Wetter und die Leute in den armen Ländern nichts mehr auf den Tisch. Der Mann wollte auf den Zynismus aufmerksam machen, dass die Verursacher des Problems am wenigsten von den Folgen betroffen sind. Und wie ist es jetzt beim Krieg? Oxfam spricht in diesem Zusammenhang vom „Zocken mit Agrarrohstoffen“, weil diese Spekulationen auf Getreide „die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln gefährdet“. Das bleibt nicht ohne Folgen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen rechnet mit bis zu 47 Millionen Menschen, die zusätzlich von Hunger bedroht sind. Verantwortlich sind Maßnahmen rund um den Ukrainekrieg, an dem Menschen in Afrika oder Asien keinen Anteil haben.

In mir grummelte es. Und wie aus dem Nichts dachte ich an die frühchristliche Gemeinde in Beröa (Apostelgeschichte, 17, 10-12). In der Antike gab es in dieser nordgriechischen Stadt eine der ersten christlichen Gemeinden. Und von denen steht in der Bibel, dass „sie das Wort aufnahmen und forschten, ob es sich auch so verhielte“. Also, ob es auch stimmen würde, was ihnen so erzählt wurde. Jesus nachfolgen wollen und nachdenken ging damals Hand in Hand. Abgesehen davon waren diese Leute bereit, die Meinung von kirchlicher und gesellschaftlicher Führung zu hinterfragen. Ohne diese Bereitschaft hätten sie sich nicht auf diese „Jesus-Menschen“ einlassen dürfen. Ob ihnen das immer Vorteile brachte?

Meine Chapatis konnte ich wieder backen als mein Freund Uli mich auf Weizenmehl aus dem asiatischen Supermarkt hinwies. Von der Konsistenz her erinnerte es mich an ganz feine Spachtelmasse aus dem Baumarkt. Komisch, was Menschen so assoziieren. Ich hatte mal Besuch, der darüber sinnierte, ob wir hier Pferdepenisse braten würden. Ich klärte ihn auf, dass da Klassiker deutscher Küche über der Glut lagen. Mein Gast löste sich anschließend von seinem inneren Bild und entwickelte nach ein paar Bissen große Sympathien für die Bratwürste. Und mein mit Backpulver angereichertes Mehl setze meine Wahrnehmung auch schachmatt. Aussehen und Sein sind eben immer wieder zwei verschiedene Sachen!

Vor ein paar Tagen hörte ich im Auto öffentlich rechtlichen Kinderfunk. Die Kinder sollten sich keine Sorgen machen. Deutschland würde nämlich aus der Ukraine gar kein Mehl importieren. Außerdem würde in Deutschland für die Versorgung der Bevölkerung genügend Mehl angebaut. Im März schrieb Olaf Zinke in Agrar-Heute : „Wir haben genug Getreide, um uns selbst zu versorgen“. Fand ich erleichternd! Und ob du es glaubst oder nicht: Einen Tag später war auch wieder reichlich Mehl in den Regalen.

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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