Das Seenotrettungsbündnis United4Rescue hat seinen Jahresbericht 2023 veröffentlicht. Für Geflüchtete auf dem Mittelmeer sei es das „tödlichste Jahr“ seit 2017 gewesen – auch wegen der Behinderungen durch Behörden.
Laut des Jahresberichts von United4Rescue war 2023 für Flüchtlinge auf dem zentralen Mittelmeer das „tödlichste“ seit 2017. Mehr als 2.500 schutzsuchende Frauen, Männer und Kinder seien ertrunken oder werden vermisst. Nach eigenen Angaben förderte der Verein im Laufe des Jahres zehn Projekte zur zivilen Seenotrettung mit insgesamt 988.530 Euro. Im gesamten Jahr seien 1,39 Millionen Euro Spenden eingenommen worden.
Insgesamt 700.000 Euro seien eingesetzt worden, um die drei Bündnisschiffe der Organisation zu unterstützen. Eines der Schiffe, die Sea-Watch V“, sei im November 2023 zum ersten Mal eingesetzt worden. „In insgesamt zwölf Einsätzen auf dem zentralen Mittelmeer haben die drei Schiffe 2023 mehr als 1.700 Menschen aus Seenot gerettet“, heißt es. Dabei seien sie von den Behörden „bestraft und behindert“ worden. „Insgesamt 60 Tage lagen unsere Bündnisschiffe in italienischen Häfen fest, statt im Mittelmeer Leben zu retten“, schreibt United4Rescue. Neben den Bündnisschiffen seien sechs weitere Projekte mit insgesamt 288.530 Euro unterstützt worden.
„Unser Einsatz lohnt sich – und bleibt weiter bitter nötig“
2023 habe es viele „bedrückende Nachrichten“ gegeben, berichtet der Vorstand von United4Rescue. Italien behindere zivile Rettungsschiffe, der neue Migrationspakt der EU setze auf „Internierungslager, Zäune und Abschiebungen in unsichere Drittstaaten“, statt „endlich sichere Fluchtwege und ein Seenotrettungsprogramm zu schaffen“. Auch in Deutschland habe der politische Druck zugenommen.
“Umso dankbarer sind wir, dass die Unterstützung für unsere Arbeit ungebrochen ist – sei es durch tausende Spender:innen und Fördermitglieder oder unsere großartigen Bündnispartner.“ Der Jahresbericht 2023 „zeige eindrucksvoll, was mit diesem gemeinsamen Engagement möglich ist”, so Thies Gundlach, Vorstandsmitglied von United4Rescue. “Gemeinsam retten wir Menschenleben auf dem Mittelmeer und fordern die EU-Mitgliedstaaten auf, ihre menschenrechtswidrige Abschreckungspolitik des Sterbenlassens sofort zu beenden.”
„Wir sitzen alle im selben Boot“
Vereinsmitglied Annika Schlingheider war 2023 für zweieinhalb Monate auf einem Rettungsschiff von Ärzte ohne Grenzen im Einsatz. „Vor dem Hintergrund des Schrecklichen scheint die Schönheit des Menschseins oft noch stärker“, berichtet sie. „Ich hatte dann oft das Gefühl: Trotz allem sitzen wir doch im selben Boot – ganz wortwörtlich hier an Bord wie auch im übertragenen Sinne. Hoffnung macht mir, dass viele Menschen an Bord trotz allem den Blick nach vorne richten konnten. … Wir dürfen niemals vergessen, dass es hier nicht um Zahlen, sondern um einzelne Menschen geht. Menschen mit Geschichten, Träumen, Hoffnungen – und Rechten.“
United4Rescue ist ein zivilgesellschaftliches Bündnis mit aktuell 947 Partnern zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Der Verein sammelt Spenden und gibt diese in gezielten Förderungen an Organisationen weiter, bei denen Geld für Rettungseinsätze fehlt.
Link: Homepage von United4Rescue
Ade an die Europäischen Werte
Unabhängig von dem was hier geschrieben wird: Auch wenn leider das ganze politische Spektrum stark nach rechts rückt, werden die Flüchtlinge trotzdem kommen und es werden sich einfach die Routen ändern. Im besten Sinne ethisch kann hier eine positive und konstruktive Form der Politik nur europäisch helfen. Das „Boot ist voll“ hilft nicht, weil wir Menschen nicht ertrinken lassen können, oder irgendwo stranden lassen dürfen. Natürlich ist mehr Entwicklungshilfe sinnvoll, aber bis dahin geht es immer noch um Menschen. Daher retten gute Menschen auch Menschen im Mittelmeer: Wir sitzen alle in einem Boot. Leider kann nicht vermieden werden, dass Schlepper tätig werden. Fragwürdig sind allerdings vorallem angedachte Verfahren in angeblich sicheren Ländern. Ihre Rechtsstaatlichkeit ist fraglich, denn wer nach Deutschland kommt, wird in Afrika nicht mehr mit Deutschem Recht und einer deutschen Interpretation der Menschenrechte abgeurteilt. Solche Ideen haben, außer einer fragwürdigen Absicht damit Fluchtziele zu uns unattraktiv zu machen, keine Logik und keinen Sinn. Da die Duplinregel auch von den anderen Staaten nicht mehr angewandt wird, gilt sie als definitiv gescheitert. Einfach Menschen an diese Länder zurückzusenden, heißt diese zum Spielball zu machen. Es muss einfach schnellere Verfahren geben und wenn sich an der Verteilung der Flüchtlinge auch die 27 Staaten beteiligen würden, wäre so das noch vorhandene Problem nur marginal. Das selbstsüchtige Verhalten der EU-Staaten ist vorallem der dann doch weitgehend begründbaren Angst geschuldet, mehr Flüchtlinge könnte den Volkes Wille noch mehr begünstigen, politisches Braun bei Wahlen Vorrang zu geben. Am Ende darf man nur hoffen, dass wir in absehbarer Zeit nicht – vielleicht aus Klimagründen – selbst gezwungen sein könnten zu flüchten. Dann würden wir all die Unmenschlichkeit erleben, die wir jetzt gekonnt verdrängen. Die Europäischen Werte sind zu einer Aktie geworden, die man sich auf das Sch.Haus hängen kann. Leider mag ein Körnchen Wahrheit auch darin liegen, dass die gerne wiedergewählt werden wollenden Politiker alles vermeiden wollen, was ihnen des Volkes Anerkennung verwässert. Damit wird im Endeffekt nichts getan und die Vorschläge der Problemlösungen werden immer unpraktischer.
Zunaechst: alle Empathie und Bedauern fuer alle Menschen, die auf ihrem Weg zu einer besseren (wirtschaftlichen) Welt zu Tode oder Schaden kommen!
Eine Frage an alle: Wo sind die Unterschiede zwischen Seenotrettung von Fluechtlingen im Mittelmeer, die auf diese Rettung spekulieren und folgendem hypothetischen Szenario?:
Wenn in Suedamerika jemand auf eine klapprige Leiter steigt und dabei verunglueckt. Wer sollte jetzt sich dafuer einsetzen, dass es nicht wieder vorkommt? Welche Massnahmen sind hier angezeigt?
a) allen vernuenftige Leitern kaufen?
b) Bildung und Aufklaerung, dass man nicht auf klapprige Leitern steigen sollte?
c) ein Hilfsprogramm starten, dass keiner mehr auf irgendwelche Leitern steigen braucht (Leiter-Dienstleistungen durch Experten)?
d) keine Massnahmen, weil, „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“?
e) anderes? Mischungen aus a-d)?
LG Joerg v NRW
Wenn jemand unvernünftigerweise auf eine klapprige Leiter steigt und sich schwer verletzt, soll dann kein Krankenwagen kommen, weil er selber Schuld ist?
Jetzt wirst du sagen, dass unsere Keankenwagen aus Deutschland aber nicht in Südamerika kommen sondern bestenfalls einheimische.
Eben deshalb haut dein Beispiel hier auch nicht hin. Denn das Seerecht ist eindeutig. Ist jemand in Seenot, muss jedes Schiff helfen. Und deshalb findet sich hoffentlich bald ein ehemaliger italienischer Innenminister im Gefängnis wieder. Er hat nämlich gegen dieses ganz einfache Recht verstoßen
Und auch in Südamerika gibt es internationale Hilfsdienste. Ärzte ohne Grenzen z.b.
Seenotrettung, auch von Flüchtlingen, ist nichts, was man optional machen oder lassen kann. Es ist rechtlich klar geregelt, dass das eine Pflicht ist.
Dem jetzigen stellv. italienischen Ministerpräsidenten droht wegen Behinderung der Seenotrettung im Mittelmeer sogar Haft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-salvini-seenotrettung-migranten-prozess-lux.MCoodHKR8VQtPeHffeuiyL
Es ist zu hoffen, dass die Justiz hier hart handelt, denn schließlich ist jedes Menschenleben wertvoll.
Naja, „Gesetze sind in Schriftform gegossene Moral“.
Die werden also auch wieder geaendert, wenn es in der Realitaet nicht so funzt …
Und es funzt nicht!
Bsp: unser Grundgesetz sagt klar, dass Menschen, die aus sicheren Drittstaaten einwandern (alle unsere 9 Nachbarstaaten, die mit uns eine Grenze haben), kein Asyl in D beantragen koennen [https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html].
Dieses Recht ist schon lange durch unsere Regierungen ausser Kraft gesetzt worden!
Der europaeische Gerichtshof sagt entgegen unserem Grundgesetz: trotzdem muss D alle Asyl-Antraege aus Transitlaendern genau pruefen.
Fazit: entweder der europaeische Gerichtshof aendert seine Auffassung oder D wird austreten. Oder welche andere Moeglichkeit siehst Du?
LG Joerg
das heißt, Du willst die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ertrinken lassen?
Oder was willst Du damit sagen?
Das ist doch nicht nur eine rechtliche Frage, wir rede3n hier über konkrete Menschenleben.
Nein, ich „will nicht Fluechtlinge auf dem Mittelmeer ertrinken lassen“.
Ich halte die italienische Behinderung der Pull-Faktoren (internationale Gut-Mensch-Kostenlos-Schlepper) fuer angemessen.
Ich will, dass Fluechtlinge nicht Schleppern auf den Leim gehen, in schiffbruechige Boote steigen, weil ihnen versprochen wird, dass bestimmt ein Rettungsboot kommt und sie aufnimmt, wenn sie es bis ins internationale Gewaesser (12 Meilen) schaffen …
Ich will, dass sie erkennen, dass es eine zuu gefaehrliche Reise ist und lieber daheim bleiben.
Wer Geld hat, einen Schlepper zu bezahlen, kann daheim auch eine Existenz aufbauen?
(https://www.wiwo.de/technologie/wirtschaft-von-oben/wirtschaft-von-oben-229-migration-auf-dem-mittelmeer-hier-sieht-man-warum-ploetzlich-so-viele-fluechtlinge-kommen/29399964.html)
LG Joerg
Es sind nicht die Pull-Faktoren, es sind die Push-Faktoren, die die Menschen in diese Boote treibt, nämlich die Zustände in ihren Heimatländern.
> Ich will, dass sie erkennen, dass es eine zuu gefaehrliche Reise ist und lieber daheim bleiben.
Und wie willst Du das erreichen?
Wenn die Seenotrettung dieser Menschen eingestellt wird, werden noch mehr als jetzt ertrinken.
Auch jetzt schreckt der Tod nicht ab. Das sollte zu denken geben.
Ich will auch nicht, dass sie in diese Boote steigen. Aber wenn sie es tun, muss man sie retten. Das steht für mich nicht zur Diskussion und hier ist die Rechtslage auch vollkommen eindeutig, auch wenn Regierungen diese mitunter missachten.
Dies ist ein extrem komplexes Thema, klar. Und emotional besetzt. Die Menschen wagen die Überfahrt nicht, weil dort zivile Rettungsschiffe kreuzen. Sondern weil sie nach Europa wollen. Teilweise erreichen sie Tunesien oder Libyen erst nach monatelanger oder jahrelanger Reise. Die Abreise aus ihrer Heimat? Jahre her. Dort wollen oder können sie nicht mehr leben. Ob dann zwei oder neun ziviele Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer unterwegs sind, spielt keine Rolle für ihre Entscheidung.
Die Menschen werden auch dann kommen, wenn es keine Rettungsschiffe mehr gibt. Und dann werden noch mehr von ihnen sterben. Wie gesagt, komplex. Aber man lässt niemanden ertrinken.
Ich will das mal mit einem anderen Beispiel erläutern:
Nehmen wir mal an, es gibt auf Sylt einen Strandabschnitt, wo die Strömung so gefährlich ist, dass dort immer absolutes Badeverbot gilt.
– Man stellt Schilder auf – einige baden trotzdem
– Man macht zusätzlich Durchsagen und verteilt Flyer, die Menschen baden trotzdem
– Die Polizei geht Streife – manche baden trotzdem
– man spannt Stacheldrahtzahn und lässt bissige Hunde dort aufpassen – ein paar schleichen sich durch und baden trotzdem.
In all diesen Fällen wird die DLRG immer die Badenden retten. Ohne das in Frage zu stellen, denn man rettet immer. Was danach mit den Badenden geschieht, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Und so ist es auch im Mittelmeer: Man rettet immer. Das heißt nicht, dass wir auch allen Asyl geben müssen.
Aber auch welche Häfen diese Rettungsschiffe anlegen dürfen, ist klar rechtlich nach internationalen Seerecht geregelt.
Es gibt hier eigentlich gar keinen Spielraum, auch wenn populistische Parteien das gern vermitteln und Regierungen hier illegal handeln (wie gesagt, ich hoffe, dass davon jetzt zumindest einer im Knast landet, das dürfte einen Effekt auf Regierungen haben, dass sie sich an recht zu halten haben)
@Chey: Die DLRG rettet da, wo Badestraende ausgewiesen sind, deshalb kann sie nicht da sein [Kapazitaet], wo Baden verboten ist.
Du argumentierst moralisch. Das bringt nix. Nur interessensorientierte Gespraeche fuehren weiter.
Der Knackpunkt ist: die Rettungsboote (Schlepper-Helfer) kommen nicht fuer die geretteten Fluechtlinge auf (dann waere es OK) oder bringen die Geretteten wenigstens nach D, damit die dtsch Gesellschaft die Kosten der Integration uebernimmt, sondern sie legen sie anderen ungefragt ins Nest (Kuckuckseier fuer Italien?).
Das ist mE Heuchelei auf dem Ruecken anderer. Das hat jetzt eine Weile funktioniert, weil alle anderen die Fluechtlinge nach D durchleiten … Aber „die Realitaet umzingelt alles“ 😂
Wer von anderen verlangt zu retten, aber selber nicht dafuer bezahlen will (sondern andere mit moralischer Keule dazu zwingen will), ist ein Heuchler.
Deshalb kann da nix draus werden … Am Ende kommt ein hoeherer Zaun. Wetten?
LG Joerg
Ich argumentiere nicht nur moralisch (wobei ich die Pflicht zum Retten von Menschenleben als sehr simple grundlegende Moral ansehe)
ich argumentiere auch rechtlich. Denn es gibt im Seerecht eine universelle Pflicht zur Rettung und es gibt klare internationale rechtliche Regelungen, welchen Hafen man dann mit diesen Geretteten anfahren darf und welches Land diese Geretteten aufnehmen muss.
Das es anschließend, insbesondere in dem Umfang der Flüchtlingsbewegungen, zumindest EU-weite faire Regeln geben sollte, ist klar. Aber das hat zunächst mal nichts mit der Rettung im Mittelmeer zu tun.
Wenn sich die EU nicht über Finanzierung und Verteilung einigen kann, bedeutet das doch nicht, dass man die Menschen dann auf dem Mittelmeer ertrinken lassen darf.