Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, plädiert vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals für eine offene Debatte über Reformen in der Kirche.
«Für den weiteren Weg unserer Kirche ist ganz wichtig, dass wir nicht stehenbleiben bei notwendigen Maßnahmen in Hinblick auf Missbrauch, sondern ein intensives offenes Gespräch darüber führen, was Erneuerung der Kirche denn nun eigentlich bedeutet», sagte Glück in einem epd-Gespräch. Zuvor müsse die Kirche jedoch ihre «Hausaufgaben» erledigen und die Fälle sexuellen Missbrauchs aufarbeiten. Das ZdK traf sich am Freitag zur Frühjahrsvollversammlung in München.
Zu den Themen, die in einem solchen «zweiten Schritt» geklärt werden müssten, gehöre auch der umfangreiche Themenkomplex der Sexualmoral. Besonders seien die Rolle der Sexualität für die Persönlichkeitsbildung sowie die Auswahl und Ausbildung von Priestern zu überdenken. Zudem müsse sich die Kirche damit auseinandersetzen, ob es kirchenspezifische Situationen oder Strukturen gebe, die Missbrauch begünstigten.
Der Pflichtzölibat habe damit nichts zu tun, bekräftigte Glück. Er gehöre «aus pastoralen Gründen» auf die Tagesordnung, sagte der ZdK-Präsident mit Blick auf den Priestermangel in der katholischen Kirche. Die aktuelle Erschütterung berge aber wie jede schwere Krise die Chance zur Weiterentwicklung in sich.
Als Ursache des Vertrauensverlusts nannte Glück auch den langjährigen Umgang mit Missbrauchsfällen. Es habe lange Zeit eine «Kultur des Verdrängens, Nichtwahrhabenwollens und Wegschauens» gegeben, sagte er: «Das wird nicht dadurch besser, dass es auch in weiten Teilen der Gesellschaft so war. Die Kirche steht hier gewissermaßen in einem höheren Anspruch und deshalb ist hier die Fallhöhe auch größer.»
Heute gebe es allerdings einen «Paradigmenwechsel», betonte Glück: «Jetzt stehen die Opfer im Mittelpunkt und nicht der Schutz der Institution Kirche.» Über Jahrzehnte habe sich ein Verhalten ausgeprägt, bei Missbrauch oder Fehlentwicklungen zu sagen ‚Das erste Gebot ist, die Kirche zu schützen‘. So habe es nicht zur Aufklärung kommen können. Inzwischen sei jedoch eine «entscheidende Kehrwende» vollzogen. Er sehe nicht, dass es weiter zu Vertuschungen komme.
Jetzt sei es wichtig «strukturell vertrauensstiftend zu handeln», sagte Glück. Für die Opfer müsse es Ansprechpartner außerhalb der Kirche geben. Dies werde in fast allen Diözesen so gehandhabt. Es seien Regelungen zu treffen, wann der Staat einzuschalten sei. Zudem müssten Hilfen und Beratung angeboten werden. Nicht festlegen wollte sich Glück in der Frage eines Entschädigungsfonds. Dies müsse mit Fachleuten geprüft werden.
(Quelle: epd)