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Vom Kinderglauben zum Erwachsenenglauben: Eine Familie erzählt

Kinder brauchen Prägung und Freiraum, um ihren eigenen Glaubensweg zu finden. Eine Mutter zieht Bilanz mit ihren erwachsenen Kindern.

Von Stefanie Diekmann

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An diesem Wochenende sind alle erwachsenen Kinder da. Nach einem gemütlichen Abend fragt mein Mann: „Wer hat Lust, morgen mit zum Gottesdienst zu kommen?“ Unsere mittlere Tochter schmunzelt: „Ist doch die Sonntagsfamilienzeit, oder?“, und spielt zwinkernd auf die Zeit an, als sie noch Kindergartenkinder waren.

Ich erinnere mich: Jeden Sonntag das gleiche Spiel – wir rüsten uns mit ausreichend großem Drama für den Gottesdienst. Bis alle Kleinkinder ihre Schuhe anhaben, Kuscheltiere verabschiedet sind und sie sich für ein Outfit entschieden haben, liegen meine Nerven blank. Und doch: Seit unsere Kinder auf der Welt sind, gehen wir sonntags zusammen in den Gottesdienst. Selten wurde dieser Rhythmus unterbrochen.

Gottesdienst als Familienzeit

Diese ersten Jahre waren geprägt von einer insgesamt sehr regelmäßigen Wochengestaltung. Wichtig waren uns eine gewisse Vorhersehbarkeit und der Wechsel von Alltag, Aktionen am Samstag und Zeit mit Gott und Menschen am Sonntag. Timna (24) fasst es so zusammen: „Der Gottesdienst war für mich selbstverständlich. Die Ausnahmen, die es gab, haben sich schon komisch angefühlt. Ich habe gern Zeit in der Gemeinde verbracht.“

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Tarik (19) denkt an seine Fußballzeit: „Der Gottesdienst war gesetzt. Ich steh dazu. Richtig mies war es aber, als die spannenden Turniere nur noch sonntags stattfanden. Ich habe mit meinen Eltern viel diskutiert, und wir haben eine Möglichkeit gefunden: Ich hatte pro Jahr fünf Joker zum Freimachen. Das hat genau gepasst.

Durchhaltevermögen lernen

Ich habe es nicht als Zwang empfunden, sondern dass meinen Eltern der Gottesdienst sehr wichtig ist. Das war okay! Ich finde sogar komisch, wenn Kinder immer sagen können, was sie wollen oder ob sie Lust haben. Die lernen doch nie Durchhaltevermögen, wenn es immer ums Spaß haben geht. Lust hatte ich selten, gut war es echt oft. Allein das Fußballspielen mit den Jugendlichen nach dem Gottesdienst!“

Rieka (22) sieht im Rückblick zwei Seiten: „Sonntags Gottesdienst war für mich manchmal nervig, weil alle Freunde woanders übernachten konnten und ich samstagabends nach Hause musste, um am nächsten Tag in den Gottesdienst zu gehen. Das klingt jetzt streng, aber gleichzeitig war es schön, weil es etwas sehr Festes im Leben gab.“

Bis die Kinder nach der Schulzeit auszogen, galt diese Familienzeit am Sonntag. Unlust haben wir in der Kinderzeit ignoriert und in der Teenzeit eher darüber gesprochen, was uns am gemeinsamen Gottesdienst wichtig ist.

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Christliche Werte einüben

Uns als Ehepaar war es ein Anliegen, dass unsere Kinder den Glauben lebendig erleben. Nicht nur am Sonntag. So haben wir für den Weg mit Gott unseren Kindern viele Erlebnisse durch Musik, Bücher und Alltags-Minigebete angeboten. Wir wollten unsere Kinder bewusst prägen.

In den ersten Jahren haben wir das mit einem Einüben von christlichen Grundwerten getan: um Entschuldigung bitten und Vergebung gewähren, auf das Lügen hinweisen und Wahrheit einüben, Menschen achten, die wir nervig finden. Essen und Versorgung dankbar feiern, Gott im Alltag in der Natur entdecken.

Wir waren eine Familie, die vor dem Abendbrot zusammen gesungen und einander gesegnet hat. Wir haben den Kindern die sichtbare und unsichtbare Welt erklärt, weil es unseren Überzeugungen entspricht. Dazu gehörte für uns auch, Bibelverse zu lernen, Jahreskreis-Feste zu feiern oder Kindermorgenandachten zu gestalten.

Geistliche Begleitung erweitern auf coole Teens

Da wir den Glauben nicht allein vorleben wollten, haben wir immer wieder Urlaub mit anderen Familien gemacht, die zum Teil ältere Kinder hatten. So konnten unsere Kindergarten-Kids von den coolen Teens Fußballtricks, aber auch neue Lobpreislieder lernen. Die Erweiterung der geistlichen Begleitung auf Weggefährten hat allen Kindern gutgetan.

Ab dem Grundschulalter fuhren unsere Kinder auf Freizeiten. Dort hatten sie in engagierten Mitarbeitenden Gegenüber, mit denen sie wichtige Fragen besprechen konnten und bei denen sie andere Impulse bekamen als zu Hause. Nicht selten gab es danach spannende und auch fordernde Gespräche: „Lukas vom Sommerlager hat gesagt, es gibt keine Dreieinigkeit.“ Oder: „Wir haben in der Musicalfreizeit gelernt, dass wir jedes Wort der Bibel glauben sollen.“ So wurden wir als Eltern nicht nur Prägende, sondern gemeinsam mit unseren Kindern Suchende in einer Haltung, die zu uns passt.

„ICH BIN SO GERN CHRISTIN, DASS ICH VOR LAUTER LEIDENSCHAFT ÜBERSEHE, WO ICH IN UNSEREN KINDERN DRUCK ERZEUGE.“

Von der Präge-Phase zur Begleitung

Das Leben in unserer Kirchengemeinde hat unsere Kinder gefördert. Rieka meint: „Gemeinde ist für mich ein Entwicklungsraum. Etwas, wo ich die Möglichkeit habe, mich einzubringen und wo ich mich gut entwickeln kann!“ Timna ergänzt: „Gut geformt haben mich andere ältere Christen und die Angebote zum Gaben-Entdecken. Die Skills aus einem Leiterprogramm für junge Leiter oder dem Juleica-Kurs kann ich nun auch in der Uni und im Job einsetzen. Ich bin in meinen Fähigkeiten bestärkt und unterstützt worden.“

Als aus den Kindern Jugendliche wurden, mussten wir lernen, aus der Präge-Phase in die Begleitung zu wechseln. Wir mussten Fragen zu unseren Glaubensritualen aushalten und die alten Wochenrhythmen hinterfragen, damit aus den bekannten Absprachen kein Druck wird. Das war schwer und hat uns viel abverlangt.

„Lange habe ich gedacht, dass ich Gott verteidigen muss, wenn sie zu Gott in Distanz gehen.“

Die Phase des Prägens liegt mir deutlich mehr, während mein Mann sehr gut unsere Kinder im Jetzt wahrnehmen kann. Ich bin so gern Christin, dass ich vor lauter Leidenschaft übersehe, wo ich in unseren Kindern Druck erzeuge. Lange habe ich gedacht, dass ich Gott verteidigen muss, wenn sie zu Gott in Distanz gehen. Meine Begeisterung hat dann in ihnen mehr „Leiden“ als Inspiration ausgelöst.

Keines der Kinder sieht für sich eine Berufung in den Gemeindedienst, wo wir ihn doch so lieben. Keines unserer Kinder will derzeit eine verantwortliche Aufgabe übernehmen, obwohl sie so begabt sind. Je älter die Kinder wurden, umso mehr gingen wir als Eltern in die Betrachtung aus der Distanz. Ich wollte gern, dass mein Glaube auch ihr Glaube wird, aber das geschieht so nicht. Der Schmerz darüber ist so irrational, dass es mir peinlich ist. Ich weiß ja, dass Gott keine Enkelkinder hat.

Voneinander lernen

Ich bin erleichtert, dass unser Austausch es möglich gemacht hat, uns nah zu bleiben. Egal, ob es um Politik, Berufsplanungen oder ethische Fragen geht – mittlerweile lernen wir voneinander. Manchmal lesen wir auch die Bibel ganz neu, weil sich unser Bild von Gott verändert. Die kritischen Sichtweisen unserer Kinder sind für mich in Glaubensthemen allerdings schwerer zu hören als bei anderen Themen.

Zum Beispiel, wenn sie die Mitarbeit und Zugehörigkeit zur Gemeinde hinterfragen, wir selbst darin aber einen wichtigen Wert sehen. „Ich verstehe nicht, warum ich mich in einen Gottesdienst setzen soll, wo die Musik okay und die Predigt ‚geht so‘ ist“, fasst Tarik zusammen. Er nimmt sich lieber Zeit für einen Podcast. Trotz meiner Überzeugungen kann ich ihn immer besser verstehen.

Mir ist heute bewusst, dass wir unsere Kinder in ihren Vereinen und Schulklassen zu Sonderlingen gemacht haben. Das Nicken der drei schmerzt. Ob die Kirche ihnen doch etwas Gutes gegeben habe, frage ich vorsichtig. Rieka antwortet nach kurzer Bedenkzeit: „Ich wusste immer, dass ich einen Wert habe. Als Teenie mehr als meine Mitschüler.“

„Ich übe mich darin, betend ihr Leben weiter zu prägen und mir meinen Bestimmer-Modus abzutrainieren.“

Timna ergänzt: „Gemeinde als Lebensraum heißt für mich ein Zuhause, wo ich sein kann, wie ich bin. Mich wohlzufühlen. Mich auszuprobieren und wichtige soziale Fähigkeiten zu lernen: streiten, vertragen, diskutieren, zielstrebig arbeiten.“ „Jawohl!“, bestätigt Tarik. „Ich merke: Durch meine christliche Erziehung stehe ich anders zu Erfolg und Leistung. Wenn ich meine Freunde höre, spüre ich, dass ihnen eine wichtige Dimension fehlt.“

Alle drei sind gerade in der Phase, in der sie sich einen eigenen Glaubensstil suchen. In der sie Impulse von uns ablehnen oder erfragen. Manches wünsche ich mir aus Tradition, Überzeugung oder Gewohnheit anders. Ich übe mich darin, betend ihr Leben weiter zu prägen und mir meinen Bestimmer-Modus abzutrainieren.

Ich genieße es, dass sie manches einfordern, wie das Segnen oder unsere Fürbitte. Ich bleibe für mich eine Suchende und eine geliebte Tochter Gottes. Ich bin gleichzeitig mit meinen Kindern nun eine Hinterfragende, eine Prägende a.D., ja – eine ebenbürtige Gottes-Entdeckerin.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern.


Dieser Artikel stammt aus der Zeitschrift FamilyNEXT. Family und FamilyNEXT gibt es jetzt überarbeitet und im neuen Design für begrenzte Zeit im günstigen Mini-Abo.

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