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Der Fall Locher: Von Affären und Grenzverletzungen

Die evangelisch-reformierte Kirche in der Schweiz ist in einen handfesten Skandal geraten. Denn nachdem kurz hintereinander Ratsmitglied Sabine Brändlin und Präsident Gottfried Locher zurückgetreten sind, werden jetzt immer mehr Details bekannt.

Von Daniel Wildraut

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Was in den vergangenen Monaten in den Leitungsgremien der Schweizer Landeskirche vorgefallen ist, klingt ein wenig nach Groschenroman. Und: Gänzlich abgeschlossen ist das Tohuwabohu noch lange nicht. Fakt ist: Am 24. April tritt Sabine Brändlin aus dem Rat der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS) zurück. Die Gründe sind damals unklar. In einer Mitteilung ihrerseits, die von mehreren Medien zitiert wird, heißt es, die Entscheidung erfolge „aus persönlichen Gründen und wegen unüberbrückbarer Differenzen“. Die Kirche selbst vermeldet indes, der Rücktritt des Ratsmitglieds stehe „im Zusammenhang mit einem laufenden Geschäft“ und einer möglichen Befangenheit.

Die widersprüchlichen Stellungnahmen sorgen für Unmut. Die vier großen Kantonalkirchen Zürich, Aargau, Bern und Waadt verlangen Transparenz. Auch stellen sie die Frage, ob die EKS und deren Präsident Gottfried Locher noch handlungsfähig seien. Zwölf Theologinnen und Theologen, darunter unter anderem frühere „Wort zum Sonntag“-Sprecherinnen, veröffentlichen einen Offenen Brief. Darin sprechen sie von Hinweisen darauf, dass es bei dem „laufenden Geschäft“ um sogenannte „Grenzverletzungen“ gehe. Andere Quellen bringen diese Grenzverletzungen sogar direkt in Zusammenhang mit dem Präsidenten. Eine seiner ehemaligen Angestellten solle eine Beschwerde gegen ihn beim Rat eingereicht haben.

Tatsächlich legt am 27. Mai auch Gottfried Locher sein Amt nieder. Die Handlungsfähigkeit des Präsidenten sei seit einigen Wochen „wegen eines Geschäfts“ eingeschränkt gewesen, schreibt die Kirche erneut schwammig.

Vorwurf: Machtmissbrauch

Die Lage spitzt sich weiter zu, als am 15. Juni die Synode tagt. Tatsächlich gibt es gegen den Kirchenoberen den Vorwurf der Grenzverletzung. Anzeige gegen ihn wurde jedoch nicht erstattet, auch sind die Vorwürfe nicht offiziell bestätigt. Nach Angaben des Aarauer Kirchenratspräsidenten Christoph Weber-Berg soll Locher jedoch seine Macht missbraucht haben, um sich „Frauen mehrfach ungebührlich zu nähern, auch gegen ihren Willen.“ Nach Angaben von ref.ch haben wohl insgesamt sieben Frauen von solchen Erfahrungen berichtet.

Nach dem 15. Juni ist ebenfalls bekannt: Sabine Brändlin soll eine Affäre mit Gottfried Locher gehabt haben. Sie saß allerdings auch in dem Team, das sich mit dieser Grenzverletzung befasst hat. Diesem kleinen Team hat sie ihre Affäre nach Angaben der Geschäftsprüfungskommission (GPK) wohl auch schon vorab offengelegt. Alle Beteiligten hätten eine Befangenheit von Sabine Brändlin ausgeschlossen. Zu dem Zeitpunkt wusste der Rat jedoch noch nichts von der Beziehung. Die Frage nach der eventuellen Befangenheit soll Sabine Brändlin dem Rat erst am 17. April gestellt haben. Und der sah sie sehr wohl als befangen an. Das Ratsmitglied Ulrich Knoepfel forderte sowohl Brändlin als auch Locher zum Rücktritt auf. Am 24. April, und da schließt sich der Kreis, trat Brändlin tatsächlich zurück.

Brändlin forderte Suspendierung

Wie jetzt bekannt wurde, sieht sie den Grund für ihren Rücktritt jedoch nicht in der Affäre mit dem ehemaligen Kirchenoberen. Zumindest, folgt man einem Brief, den der Aargauer Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg an die Kirchensynode geschickt hat. Demnach habe sich Sabine Brändlin wegen der mutmaßlichen Grenzverletzung dafür ausgesprochen, Locher zu suspendieren und das auch zu kommunizieren. Der Rat hatte jedoch nur eine Untersuchung angeordnet, Locher nicht freigestellt und auch die Öffentlichkeit nicht informiert. „Ein Verbleib im Rat war Sabine Brändlin in dieser Situation nicht mehr möglich“, heißt es in dem Schreiben nach Angaben von ref.ch.

Ob damit um die evangelisch-reformierte Kirche Ruhe einkehrt, ist fraglich. Dafür gibt es noch zu viele offene Fragen. Allen voran die, welche Ergebnisse die Untersuchungen rund um die Grenzüberschreitungen Lochers bringen.

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